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23 Morde: Wie sich Franz Dinda auf seine Psychopathen-Rolle vorbereitet hat

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Franz Dinda bei einem Event im Oktober 2018. imago images

Einst fürs TV gedreht und dann doch nicht ausgestrahlt: So war das Schicksal der Serie "23 Cases", die jetzt doch noch unter dem Namen "23 Morde" bei Joyn ausgestrahlt wird. Wir haben mit Hauptdarsteller Franz Dinda über die Situation damals und die Rolle als hypersensibler Mörder gesprochen.

Zur Serie: Maximilan Rapp (gespielt von Franz Dinda) ist ein Psychopath und Killer. Als Berlin von einem Serienkiller heimgesucht wird, gibt Rapp ein Geständnis ab. Doch für Tara Schöll (Shadi Hedayati) ist schnell klar: Rapp ist nicht schuldig. Sie will die wahren Täter finden und kann das nur mit der Hilfe des Verbrechers Rapp. Doch was ist die Wahrheit? "23 Morde" ist ab dem 19. August 2019 auf Joyn streambar.

TVSpielfilm.de: "23 Morde" wird jetzt auf Joyn gezeigt. So neu ist die Serie aber gar nicht?

Franz Dinda: Der Dreh ist jetzt knapp vier Jahre her. Damals war es für das lineare Fernsehen, in diesem Fall SAT.1, "zu spitz". Auf der Streamingplattform Joyn gibt es mehr Möglichkeiten für Experimente. Darüber sind wir natürlich extrem glücklich.

Waren Sie denn damals auch sauer bzw. enttäuscht über die Entscheidung des Senders?

Sagen wir mal so: Wir waren uns keiner Schuld bewusst. Wir haben für den Entstehungszeitpunkt ein sehr gutes Format abgeliefert, eine saubere Arbeit gemacht und waren sehr sehr stolz auf das Ergebnis. Demzufolge konnten wir die Entscheidung insofern nicht nachvollziehen, dass die Drehbücher in genau dem Ton im Vorfeld bekannt waren. Aber da gilt, wie so oft: Haltung bewahren. Es gibt natürlich eine Senderpolitik und sie werden ihre Gründe gehabt haben. Umso schöner aber, dass wir jetzt die Möglichkeit bekommen, das Ganze quasi in zweiter Runde dem Publikum zu präsentieren.

Was hat Sie an der Rolle am meisten gereizt?

Rapp ist keine gefällige Rolle, sondern eine mit Ecken und Kanten. Als ich das Drehbuch gelesen habe, musste ich manchmal lautstark über seinen bösartigen Humor lachen. Und dann sind da ja noch seine "Spezialkräfte", seine deutlich besser funktionierenden Sinne. Deshalb hatte ich auch sofort Lust auf das Projekt, weil es nicht dem gängigen Rollenprofil entspricht.

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"Die Serie ist nicht so düster, wie sie vorgegeben wird"

Foto: Joyn / Volker Roloff, Verbrecher Rapp (l.) und Ermittlerin Schöll müssen bei "23 Morde" zusammenarbeiten.

Rapps Bruder ist in jungen Jahren beim Verstecken spielen verstorben. Wie hat ihn das geprägt?

Gute Frage. Das ist sein Trauma, weshalb er sich wahrscheinlich verantwortlich gefühlt hat. In der Serie wird auch seine menschliche Seite aufgetan, er ist eben kein reiner Misanthrop. Er hat sensible Seiten. Das spürt man der Rolle auch an. So unnahbar und vielleicht auch schräg, wie er sich gibt und ist, so sehr hat er dann doch eine sympathische und menschliche Seite. Aber klar ist: Er ist ein Außenstehender, der sich absondert.

Sympathisch würde ich dann doch eher als Euphemismus bezeichnen. Zumindest zu Tara hat er einen Draht. Sie stellt Rapps Motiv und Geständnis in Frage. Was hat sie davon?

Sie will die Fälle wirklich lösen. Rapp entwickelt sich zu ihrem persönlichen Spürhund und alle haben das, was sie wollen. Rapp hat sie kontaktiert, weil er das Gefühl hatte, dass sie empathisch genug ist zu durchschauen, dass er zumindest für einige dieser Morde nicht verantwortlich ist. Dadurch bekommt sie die Chance, die Fälle zu lösen und er bekommt die Möglichkeit, an den Tatort heranzutreten.

Gibt es Ihrer Meinung nach Grenzen, was man an Verbrechen und Taten in fiktiven Filmen und Serien zeigen darf? Oder ist die Kunst immer frei?

Die Kunst ist immer frei. Die Frage ist vielmehr, welche Plattform man wählt. Im Kino bin ich bereit mich in tiefere Abgründe einzulassen, weil es eine bewusste Entscheidung ist. Gehe ich hin oder gehe ich nicht hin. Im Fernsehen würde ich doch etwas vorsichtiger sein, aber die FSK-Regelung schützt die Zuschauer diesbezüglich auch. Ich finde "23 Morde" nicht so düster, wie es vorgegeben wird. Das Publikum ist mittlerweile deutlich mehr gewohnt, insbesondere auf einer Streamingplattform.

Wie bereitet man sich auf so eine Rolle vor?

Ich habe mir vergleichbare Stoffe angeguckt, so wie "Sherlock" oder "The Mentalist". Ohne zu viel verraten zu wollen, kann ich sagen, dass Rapp in gewisser Weise ein Hochstapler ist. So galt es für mich herauszufinden, was seine Motivation hinter dieser Angelegenheit ist. Warum ist er so scharf drauf an den einzelnen Tatorten mitzuwirken? Für mich als Schauspieler ist die große Motivation gewesen, das in der Waage zu halten, so dass man ihm nicht auf die Schliche kommt.

"Wir können das, wenn wir denn auch dürfen"

Ich werde das Gefühl nicht los, dass deutsche Produktionen im Vergleich zu ähnlichen Werken aus den USA kritischer betrachtet werden. Warum gibt es diesen schlechten Ruf und warum sind deutsche Produktionen noch nicht in der breiten Gesellschaft angekommen?

Bisher hatten wir noch nicht die Möglichkeit, über äußere Mittel die Filme und Serien so zu gestalten, dass sie die Sehgewohnheiten des Publikums erfüllen. Bis vor ein paar Jahren hatten wir unser lineares Fernsehen, das wurde bestückt mit gängigen Formaten. Durch die Videoplattformen wie beispielsweise Sky, Netflix und Amazon Prime, ist der Markt geöffnet worden und die Mittel sind auch nach Deutschland gekommen. Deshalb war die Serie "Das Boot" mit 27 Millionen plötzlich möglich. Mit 27 Millionen können auch Deutsche eine hervorragende Serie machen, das ist keine Überraschung. In den letzten Jahren hat sich aus deutscher Sicht so viel getan. Beim Gucken hat man nicht mehr zwingend das Gefühl, das sind jetzt deutsche Serien, sondern: Das sind sensationelle Serien, die glücklicherweise aus Deutschland kommen. Das beweist ein für alle Mal: Wir können das, wenn wir denn auch dürfen.

Neben der Schauspielerei sind Sie auch Künstler und Hörbuchsprecher. Woher nehmen Sie die kreative Energie? Sind sie abends nicht total erschöpft?

Nein, kreative Prozesse haben ja den großen Vorteil, dass sie Energien freisetzen. Ich arbeite nicht jeden Tag als Schauspieler, aber trage jeden Tag meinen Kopf auf den Schultern. Deshalb nutze ich die Zeit zwischen den Drehs, um die Arbeit fortzusetzen, die ich auch am Set leiste. Ich setze mich mit Inhalten auseinander, ich arbeite mit Sprache, ich nutze die Freiheit, um mich auch in anderen Richtungen fortzubilden und meinen Bauchkasten mit Fähigkeiten zu füllen, die mir an anderer Stelle beim Film wieder zugutekommen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Natürlich, dass es so weitergeht. Eines Tages würde ich gerne mal einen Film über die Brücke-Künstler drehen, das würde mich fordern. Mich reizt auch ein Science-Fiction-Film, der in der Zukunft spielt. Bei dem ich dann Star-Wars-mäßig vor Green Screens drehen kann. Ich bin gespannt, was auf mich zukommt und welche Möglichkeiten sich ergeben. Das ist der große Vorteil an meinem Beruf: Ich werde permanent überrascht und darf immer wieder einen neuen Spielplatz betreten.

Zur Person: Franz Dinda (36) war bereits als Jugendlicher als Schauspieler ('Fabrixx') aktiv. Nach seinem Abitur machte er eine Schauspielausbildung und ist seither in diversen nationalen und internationalen Produktionen zu sehen. Darunter u.a. "Die Wolke" (2006), "Nacht über Berlin" (2013), "Honigfrauen" (2017) und der Sky-Serie "Das Boot". Neben der Schauspielerei widmet sich Dinda der Kunst und Lyrik.