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Familiendrama

Im Winter ein Jahr

Eine Geschichte des Trauerns als Grund zur Freude: Caroline Links eindringliches Familiendrama "Im Winter ein Jahr" mit Karoline Herfurth.

Foto: 2008 Constantin Film Verleih GmbH, Lilli (Karoline Herfurth) wartet verzweifelt auf den Anruf ihres Freundes.
Eine Geschichte des Trauerns als Grund zur Freude: Caroline Links eindringliches Familiendrama "Im Winter ein Jahr" mit Karoline Herfurth kommt am 13. November in die Kinos.

Als "Nirgendwo in Afrika" 2003 mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde, saß die Regisseurin Caroline Link in München am Bett ihres erkrankten Babys - der Preis kam später per Post. Und auch als kurz darauf erste Angebote aus Hollywood eintrudelten, hielt sich Links Reiselust in Grenzen. Sie habe einfach nicht die Energie gehabt, "für kurze Meetings nach Los Angeles zu fliegen, um Leute zu treffen, die sich an einem Tag extrem interessiert zeigen und dir alles versprechen und sich dann im konkreten Fall doch dem Diktat der großen Schauspieleragenturen und Managements unterordnen müssen".

So entstand Caroline Links erster Film nach dem großen internationalen Erfolg nicht wie eigentlich geplant in den USA, sondern in Deutschland. Und "Im Winter ein Jahr" ist ein ganz starkes Stück deutsches Kino; ein exquisit besetztes, eindringliches Familiendrama, das einen packt und nicht mehr loslässt.

Bilder Im Winter ein Jahr

"Man sagte mir, Sie können gut mit Toten", erklärt Eliane Richter (Corinna Harfouch) dem Künstler und Maler Max Hollander (Josef Bierbichler), der ein Porträt ihrer beiden Kinder Lilli und Alexander malen soll. Allerdings hat sich der neunzehnjährige Sohn vor nicht ganz einem Jahr das Leben genommen - was die Mutter nicht akzeptieren will, sie spricht nur von einem "Jagdunfall".

Ihre 22-jährige Tochter Lilli hält vom Ansinnen der Mutter gar nichts: "Die will sich meinen toten Bruder als Dekoration an die Wand hängen." Trotzdem lässt Lilli (Karoline Herfurth) sich auf die Besuche im Maleratelier ein, auch auf Zureden ihres Vaters Thomas (Hanns Zischler), eines berühmten Bionikers. Der versucht auf seine Art, mit dem Tod des Sohnes zurechtzukommen - er möchte möglichst bald aus dem Haus ausziehen, in dem seine Frau das Zimmer des Jungen als Museum erhält. Außerdem hat er eine Affäre.

Auch der Künstler hat familiäre Probleme

Max bekommt Fotos und auch Videos des toten Alexander zur Verfügung gestellt, bei den Treffen mit Lilli versucht er, mehr über den Jungen herauszufinden, über sein Verhalten, sein Denken; er will verstehen, wie er war, ihn "sehen". Lilli macht erst nur widerwillig mit; als Max ihr erklärt, ihm wäre es lieber, sie würde im Atelier nicht rauchen, erwidert sie zickig, dann sei man ja quitt, ihr wäre es lieber, sie wäre gar nicht hier.

Allmählich aber fasst das Mädchen Vertrauen zu Max, der seine eigenen familiären Probleme mit sich trägt. Er ist geschieden, hat einen Sohn, zu dem er gern mehr Kontakt hätte, doch der fast volljährige Tobias (Jacob Matschenz) blockt jeden Versuch ab. Außerdem kämpft auch Max mit einem Verlust in seinem Leben, den er noch nicht hat verarbeiten können, auch nicht in seinen Bildern. Zwischen den Besuchen bei Max probt Lilli, die Tanz und Gesang studiert, für eine Musicalaufführung von "Alice im Wunderland", sie tanzt die Hauptrolle.

Doch ihre Tanzlehrerin (Karin Boyd, "Mephisto") ist unzufrieden mit ihrer Leistung und wegen ihrer Unzuverlässigkeit. Auch Eliane wirft ihrer Tochter vor, nie etwas zu Ende zu bringen. Ihre Kinder müssen Sieger sein. Bezeichnend: In Alexanders Zimmer hängt noch das Transparent mit der Aufschrift "Second best is the first loser".

Dreharbeiten in Deutschland

Nachdem Caroline Link das Manuskript des unveröffentlichten Romans "Aftermath" von Scott Campbell (erscheint im Dezember auf Deutsch) in die Hand bekam, sah alles danach aus, dass dem Oscar-Gewinn ihre erste Arbeit in den USA folgen würde.

Sie schrieb das Drehbuch, gedreht werden sollte an der US-Ostküste. Doch dann erwies sich die Frage der Besetzung als letztlich unausräumbares Hindernis, denn ohne große Namen für eine der Hauptrollen wollte kein Studio nennenswerte Summen in den Film investieren.

Fast eine magische Atmosphäre

Link wartete ab, entschloss sich dann, den Film in Deutschland zu drehen. Die 44-Jährige schrieb das Drehbuch um, machte aus dem im Roman 40-jährigen Maler den 60-jährigen Max, Wunschbesetzung: Josef Bierbichler. Gedreht wurde am Starnberger See, in München und Brandenburg.

Auch die Locations, vor allem das Haus, in dem Max lebt und arbeitet, verleihen dem Film eine fast magische Atmosphäre. Die teils hypnotisch wirkenden Kunstobjekte in seinem Atelier lieferte der Münchener Maler Florian Süssmayr.

"Im Winter ein Jahr" ist eine Art doppeltes Familienpsychogramm, denn auch der Maler lernt vieles über sich und seine Unfähigkeit zu trauern. Die Besetzung erwies sich als echter Glücksgriff - neben den verlässlich guten Akteuren Corinna Harfouch (erinnert zuweilen an Helen Mirren) und Hanns Zischler spielt gerade Bierbichler so zurückhaltend wie selten, ideal ergänzt durch die vor schierer Energie und Begabung sprühende Karoline Herfurth.

Die emotional stärkste Szene ist eine Montage, in der Lilli sich zu dem Peter-Gabriel-Song "Signal to Noise" freitanzt und ihre Mutter parallel dazu im Wald trauert. Dass der Film hier hätte zu Ende sein können, de facto aber noch in eine Art Epilog mündet, ist vielleicht die einzige Negativkritik, die man an "Im Winter ein Jahr" üben kann.

Volker Bleeck