Weihnachten wird dieses Jahr wieder anders sein als in der Prä-Corona-Ära. Das wissen natürlich auch die Strategen der großen Supermarkt- und Discounterketten. Aldi, Edeka und Penny – sie alle haben Werbespots vorbereitet, die uns an die wirklich wichtigen Themen erinnern.
Da ist zum Beispiel ein Vater, der seinem Sohn im Aldi-Clip gesteht: "Ben, dieses Jahr habe ich auf jeden Fall die Frühschicht an Weihnachten". Nach dieser Beichte verzieht sich der Sohn frustriert auf sein Zimmer.
Obwohl der Vater seine Weihnachtsschicht sogar noch verlängern muss, geht sein Sohn am Ende auf ihn zu. Gemeinsam essen sie Weihnachtsgans, Rotkohl und Kartoffelknödel aus Brotdosen - es ist ein bescheidenes, kleines Fest, ohne viel Schnickschnack. Die Botschaft ist klar: Nehmt euch Zeit füreinander, auch wenn es schwierig ist.
Aldi, Edeka, Penny und ihre rührseligen Weihnachtsspots
"Heilige Nachtschicht" heißt Aldis Weihnachtswerbespot, der auf das harte Berufsleben der Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, aufmerksam machen soll. Gerade in der Corona-Krise wurde überdeutlich, wie wichtig Jobs in der Pflege, aber auch im Lebensmitteleinzelhandel oder dem Öffentlichen Personennahverkehr sind. Der Vater im Spot, er ist Straßenbahnfahrer.
Auch bei Penny zieht man die Verbindung zwischen Weihnachten und Pandemie. Eine Mutter und ihr Sohn sitzen mitten in der Nacht zusammen am Esstisch. Die Mutter wünscht sich zu Weihnachten, dass ihr Kind Partys feiert, den ersten Liebeskummer erlebt. Dass ihr Sohn ein ganz normaler Jugendlicher sein kann, wie früher eben.
Edeka versucht auf andere Art, die Jahreszeit emotional aufzuladen. Im Weihnachtsspot des Supermarkts sehen wir einen Wassertropfen, der gerne zur Schneeflocke werden will. Doch er fällt buchstäblich aus allen Wolken, als das nicht klappt. Es ist einfach zu warm, dem Klimawandel sei Dank.
Supermärkte zeigen gesellschaftliche Probleme
Aldi, Penny, Edeka - die Weihnachtsclips der Unternehmen scheinen vor allem auf eines abzuzielen: die ganz großen gesellschaftlichen Probleme. Klimawandel, Jugendliche in der Corona-Krise und Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und dafür ein Stück Privatleben aufgeben. Supermarkt- und Discounterwerbung war wohl selten so ernst wie aktuell.
Doch auch, wenn die Spots der drei Lebensmittel-Giganten auf die Herausforderungen unserer Zeit aufmerksam machen. Allein ums Gemeinwohl geht es Edeka, Aldi und Penny bei ihren Kampagnen nicht. Denn Werbung, so viel ist klar, dient vor allem dazu, die Menschen vor dem Fernseher, Laptop oder mit der Tageszeitung in der Hand zum Kauf der eigenen Produkte zu bewegen.
Dabei gilt offenbar das Motto: Je emotionaler und rührseliger, desto besser verkaufen sich Schokolade, Socken oder Waschmaschinentabs. Die Werbespots von Edeka, Aldi und Penny kommen aus, ohne wirklich Produkte zu zeigen. Sie wollen vielmehr eine tiefe Sympathie für ihre Marke schaffen. Nicht länger muss man die abgepackte Weihnachtsgans in die Kamera halten, um die eigene Produktpalette ins Herz der Zuschauer zu manövrieren.
Werbespots treffen den Nerv der Zeit
Auch Jörg Matthes, der als Professor für Werbeforschung an der Universität Wien arbeitet, sieht diesen Zusammenhang.
Im Gespräch beschreibt er zwei Werbemotive: "Zum einen wollen die Unternehmen Aufmerksamkeit generieren. Dies klappt am besten, wenn man Emotionen anspricht und ein Gespür für die derzeitige Stimmungslage hat. Die Kampagnen sprechen eine emotionale Grundstimmung an, die in der Bevölkerung vorherrscht, gerade in der Vorweihnachtszeit."
Dem Penny-Spot ist es gelungen, den Nerv der Zeit zu treffen, sagt Matthes. "Viele Menschen können die dargestellte Situation nachempfinden, sich hineinversetzen, was zu starken Emotionen führt." Im öffentlichen Diskurs, so der Werbeexperte, ist kein richtiger Platz für solche Emotionen, "dort geht es um Zahlen, Maßnahmen, Virusvarianten, Impfungen, Einschränkungen und Regelungen".
Für Matthes ist gleichzeitig klar, dass mit Kampagnen wie denen von Aldi, Penny und Edeka ein Imagegewinn erzielt werden soll. "Die positiven Emotionen sollen mit der Marke verknüpft werden. Dies ist für die Supermarktketten eigentlich schwierig, denn meist wird mit Preisen und Angeboten geworben."
Weihnachtsspots: Gesellschaftliche Problematik nur Mittel zum Zweck?
Matthes glaubt nicht daran, dass solche Kampagnen echte gesellschaftliche Probleme adressieren wollen. "Es geht klar um Werbung: Die gesellschaftliche Problematik ist Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck."
Am Ende sind die weihnachtlichen Werbeclips der Discounter und Supermärke also vor allem eines: Der perfekte Weg, um die eigene Marke mit mehr als Billigpreisen zu verknüpfen. "Das wichtigste Gut ist Aufmerksamkeit und die werden durch die Kampagnen erzielt", sagt Werbeexperte Matthes.
Und auch, wenn letztlich wohl der Profit an erster Stelle steht. Der ein oder andere Zuschauer wird beim Ansehen von "Heilige Nachtschicht" vielleicht doch an all die Busfahrer, Pfleger und Ärzte denken, die zur Festzeit durch Krankenhausflure sprinten oder dunkle Gassen fahren.
Dieser Artikel erschien zuerst Chip.de.