Netflix haut davon eines nach dem anderen raus und lockt dabei mit den ganz großen Namen der englischsprachigen Stand-up-Szene - von Jerry Seinfeld über Kevin Hart und Louis C. K. (okay, im Moment verbrannt), von Trevor Noah über Amy Schumer und Oswalt Patton bis hin zum Comeback des großen Comedy-Überfliegers Dave Chapelle. Und Netflix nimmt für diese Comedystars richtig Asche in die Hand: Chapelle hat der Streaming-Dienst für drei Specials satte 60 Millionen Dollar überwiesen, und auch Chris Rock kassiert für seine nächsten beiden Specials 40 Millionen.

Hier ein paar Empfehlungen zu US-Comedians, die vielleicht nicht ganz so bekannt sind, aber richtig gut, und deren Programme wir dieses Jahr besonders lustig und lohnend fanden. Englischkenntnisse sind natürlich empfehlenswert, aber auch die deutschen Untertitel sind teils gar nicht so übel (wenn man akzeptieren kann, dass Doppeldeutigkeiten und Timing dabei den Bach runtergehen).

10. Jen Kirkman - Just Keep Livin'

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Mensch, die hat echt ein einnehmend-loses Mundwerk: Mit unglaublich vielen Silben per minute kreisen die erfrischenden Sarkasmen der 43-Jährigen um das Dasein der neurotischen modernen Frau von heute. Und wer sich eine Floskel von Matthew McConaughey als Lebensmotto auf den Knöchel tätowiert, muss schon einen feinen Hang zur Absurdität haben.

9. Sarah Silverman - A Speck of Dust

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Anfang und Ende ihres Specials hat die wunderbare Silverman etwas vergurkt, aber dazwischen gibt es Momente schierer Brillanz. Das Timing und der Rhythmus in dem sie Pointen setzt, wie sie (oft ganz schön entlegene) Gags nachschiebt, sie in der Luft hängen lässt, um dann weitere seltsame Volten zu schlagen - sehr eigen und gut. Aber nichts für Abtreibungsgegner.

8. Joe Mande's Award Winning Comedy Special

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Die erzählerische Klammer, das ganze Special als Jagd nach einem Comedy-Preis zu inszenieren, wirkt allzu aufgesetzt. Zu Anfang waren wir skeptisch, aber wenn Joe Mande erst einmal ins Erzählen kommt, hat er uns am Haken. Sein Material, seine Scherze sind einfach zu gut und clever - und, ähm, der IS könnte wirklich mal etwas an seiner Außendarstellung tun...

7. Beth Stelling, The Standups, Folge 5

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Die sechsteilige Netflix-Reihe "The Standups" stellt eher unbekannte Comedians aus der zweiten Reihe vor - Beth Stelling gehört dazu und liefert! In einem großartigen halbstündigen Set haut sie provokante Scherze raus, die fein besaitete Seelchen schockieren könnten (über die Hysterektomie der Mutter sagt Beth, sie habe quasi ihr Elternhaus verloren...). Ein schöner Grenzgang, der funktioniert, weil Stelling erhebliche Qualitäten als Schauspielerin offenbart: egal, wie böse ihre Sätze auch sind, die Sympathie des Publikums bleibt immer bei ihr.

6. Lucas Brothers: On Drugs

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Black Woody Allen mal zwei: Eineiige schwarze Zwillinge mit einem Set über Nixon, Drogen und das Dasein als Schwarzer in den USA - clevere Identitätspolitik, die den irren Effekt auskostet, dass der eine die Sätze des anderen beendet oder kommentiert. Durch den dialogischen Charakter bekommt ihre Komik so eine ganz besondere Note.

5. Neal Brennan - Three Mics

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Der Co-Autor und ehemalige Regisseur der Chapelle-Show steht mit drei Mikrofonen auf der Bühne, in eines feuert er Einzeiler und komische Gedankenblitze, in das zweite kommen die "üblichen" Stand-up-Routinen und das dritte hat es in sich: Brennan erzählt von seinem Umgang mit Depressionen, mit Psychopharmaka und seinem schwierigen Elternhaus. Brennan ist sicher nicht der charmante einnehmenden Typ, aber sein Formexperiment geht mit Bravour auf.

4. Mike Birbiglia - Thank God for Jokes

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Birbiglia, ein Sympathieträger Marke weinerlicher Schwiegersohn, wirkt immer etwas naiv, aber das täuscht wohl. Wie sein Special den Humor selbst zum Thema macht, wie er über sein Leben als Scherzkeks, die Rolle des Beobachters und des Publikums reflektiert und darüber in eine Art Dialog mit diesem Publikum tritt, bis es ihm auf die Innenseite seiner "inside jokes" folgt, ist nicht nur clever, es ist erhellend.

3. Dave Chapelle - The Age of Spin

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Nein, an ihm kommt keiner vorbei: Chapelle ist der eine große Komiker der US-Gegenwart. Keiner kommentiert so selbstironisch, lustig, respektlos und klug wie er die Rassenkonflikte in den USA, inklusive historischer Perspektive - von O.J. Simpson bis Bill Cosby und zurück. Selbst seine drastischsten Scherze entpuppen sich, wenn man mal darüber nachdenkt, als aufklärerisch. Beide aktuellen Specials sind gut, "The Age of Spin" ist einen Tick besser, weil es mehr gesellschaftspolitische Bezüge hat. 2018 folgt Special Nr. 3.

2. Rory Scovel - ...tries Standup the First Time

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Der Geheimtipp. Nachdem er auf die Bühne kommt, quält Scovel sein Publikum minutenlang mit der endlos wiederholten Frage, wer schon einmal Analverkehr gehabt habe, um dann den Satz einzuschieben, er habe leider nur einen Scherz und der sei bereits halb um. Scovel gehört zu den Typen, die alles über den Haufen werfen, was laut den Stand-up-Benimmregeln auf einer Bühne funktionieren sollte. Ähnlich wie bei uns Helge Schneider, nur ohne Musik und viel drastischer, versucht er auszuloten, was geht. Ein faszinierender humoristischer Drahtseilakt voller Meta-Humor, der den Rahmen zwar nicht sprengt, aber weitet.

1. Hasan Minhaj - Homecoming King

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Der Gewinner des Jahres: Minhaj, bekannt aus der Daily Show, kehrt in seine Heimatstadt Davis, Kalifornien, zurück und erzählt dort vom Leben als Kind indischer Einwanderer. So klug, witzig, gefühlvoll und ergreifend, dass man an den Reaktionen im Saal merkt, hier spricht einer seinem Publikum aus der Seele, hier bereitet einer kollektive Erfahrungen der zweiten Einwanderer-Generation für alle auf. Meisterhaft.