"Meine Aufgabe als Außenministerin ist, in der Welt unterwegs zu sein." So definiert Annalena Baerbock am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Caren Miosga", wo zuletzt auch Joachim Gauck zu Gast war, ihr Amt. Die Außenministerin hat an diesem Sonntagabend die Krise bei den Grünen nach dem Rücktritt des Vorstandes überwunden. Sie wirkt konzentriert, ruhig, oft emotional. Besonders am Anfang der Sendung, als sie die Moderatorin auf den 7. Oktober vergangenen Jahres anspricht. Da haben Terroristen der Hamas Israel überfallen.
Eigentlich hatte Baerbock den Geburtstag ihrer ältesten Tochter feiern wollen, erzählt sie. Es kam anders: Baerbock musste ins Auswärtige Amt. Für sie hat der 7. Oktober eine besondere Bedeutung. "Man steht auf, frühstückt, man denkt, das sei ein ganz normaler Tag. So ging es den Menschen in Israel auch." Annalena Baerbock berichtet von dem Vater, den sie getroffen habe, als sie kurz nach dem Hamas-Überfall nach Israel gefahren sei. Er habe ihr von seinen Kindern erzählt, die zu ihren Großeltern gefahren seien. Auch sie seien von den Hamas-Terroristen als Geiseln genommen worden. "Und das ist das Wichtigste, dass wir uns immer wieder vorstellen: Was wäre das für uns, was wäre das für unsere Töchter, die verschleppt worden sind? Was ist das Leid einer Mutter, eines Vaters? Und das versuche ich mir immer wieder vorzustellen, als Außenministerin in meinem Amt, aber auch als Mutter zweier Töchter, die in dem Moment gerade Geburtstag feiern wollten."
Sie wolle berichten können, auch im Bundeskabinett, sagt Baerbock. Aus den Kriegsregionen, aus der Ukraine, aus dem Norden Israels, wo gut 60.000 Menschen auf der Flucht seien, aus dem Gazastreifen. Elfmal war sie seit dem Hamas-Überfall im Nahen Osten. Dabei habe sie mit den Menschen in der Region gesprochen. "Einen kühlen Kopf zu behalten, wenn einem das Herz brennt, ist in diesen Momenten vielleicht das Schwierigste", sagt sie. Aber so könne sie verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.
Baerbock verweist auf deutsche Staatsräson
"Wir sind an einem Punkt, wo arabische Länder öffentlich gemeinsam mit Amerikanern, Deutschen und Franzosen erklären: Wir wollen für die Sicherheit Israels einstehen und wir wollen unseren Beitrag dafür leisten", sagt die Grünen-Politikerin. Deutschland habe in dieser Situation eine wichtige Aufgabe, sagt Baerbock: "Ziel der Hamas und des Iran, der dahintersteht, aber auch der Hisbollah war nicht nur der furchtbare Angriff auf Israel, sondern auch die Beziehungen zu seinen Nachbarn zu zerstören und Israel völlig zu isolieren." "Caren Miosga" wurde vor wenigen Wochen von Aktivisten gestört – Sicherheitspersonal musste eingreifen.
Baerbocks Einstellung sei dabei "von Anfang an" klar gewesen: "Unsere Verantwortung ist, auch mit Blick auf die deutsche Staatsräson, dass dieses Drehbuch des Terrors nicht aufgeht. Und in den Momenten, wo wir das Gefühl haben, dass dieses Drehbuch aufgeht, zum Beispiel, indem zu wenig humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt, müssen wir deutlich machen: Wir als enger Freund Israels und als enger Freund der Palästinenser fühlen uns für beide verantwortlich."
Guido Steinberg, Islam- und Nahost-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht mit Sorgen in den Konfliktherd Naher Osten. Nun, wo sich Israel und der Iran direkt bekriegen, sieht er die Möglichkeit weiterer Eskalation. Den "ganz großen Schaden" suche Teheran zwar nicht, dennoch nehme man auch zivile Opfer in Kauf.
"Völkerrechtlich und moralisch nicht in Ordnung": Journalist attackiert Bundesregierung
"Zenith"-Chefredakteur Daniel Gerlach geht indes sowohl mit der israelischen als auch der deutschen Regierung hart ins Gericht. Von "einer enormen Rücksichtslosigkeit" spricht er im Bezug auf die militärischen Aktionen Israels im Libanon. Die Haltung der Bundesregierung bezeichnet Gerlach, dessen Magazin sich mit der arabischen Welt auseinandersetzt, als "nicht konsequent und manchmal auch nicht glaubwürdig". Die zivilen Opfer im Libanon seien "völkerrechtlich und moralisch nicht in Ordnung". Gerlach geht sogar so weit, den Bundeskanzler direkt zu attackieren: "Das Thema der humanitären Hilfe, 40.000 Tote in Gaza und die Situation im Libanon scheinen Olaf Scholz absolut nicht zu interessieren", so der Vorwurf des Journalisten.
Baerbock versucht die Kritik zu kontern, indem sie ihre Bemühungen, der israelischen Regierung zur Grenzen aufzuzeigen, betont. Sogar mit Benjamin Netnajahu selbst habe sie deswegen schon gestritten. Letzten Endes ginge es ihr eben nicht "um die Sicherheit der israelischen Regierung oder eines Ministerpräsidenten, sondern um den Staat, die Menschen und die folgenden Generationen". Außerdem sei auch Bundeskanzler Scholz schon in der Region gewesen.
Ob Baerbock noch an eine Befreiung der israelischen Geiseln glaube, die sich seit einem Jahr in der Hand der Hamas-Terroristen befinden, will Caren Miosga am Ende der Sendung wissen. Die Außenministerin antwortet kurz: "Ich werde nicht aufgeben, bis die Geiseln zurückkommen können. Jetzt zu resignieren würde genau das Ziel der Terroristen sein, dass das Drehbuch des Terrors aufgeht. Für jede Geisel zu kämpfen ist unsere internationale und deutsche Verpflichtung."
Das Original zu diesem Beitrag "Annalena Baerbock sieht sich mit scharfer Kritik konfrontiert" stammt von "Teleschau".