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Michael Kessler? War das nicht der Klausi aus "Manta, Manta" und der Adolf Hitler in "Switch reloaded"? Ja, und vor allem Letzteren gab er großartig. Der 50-Jährige kann aber auch ernst. Seit 2014 geht er in "Kessler ist..." allsommerlich der Persönlichkeit von Promis auf den Grund. Er spricht mit seinem Gegenüber, schleicht um es herum, lässt es sich selbst beschreiben. Er wühlt in Archiven, trifft Freunde. Im finalen Interview schließlich verwandelt er sich äußerlich in den ­Promi und beantwortet dessen Fragen an sich selbst. Doch hier karikiert er nicht, hier imitiert er in verblüffender Perfektion.

Dieser Augenblick, in dem Kessler dem Star in dessen Maske und Mimik gegenüber­tritt, hat eine große Intensität, und wenn er Fragen wie "Wer bist du wirklich?" beantwortet, entstehen berührende, fast magische Momente, die den Promi zutiefst menschlich machen: "Das ist das Schwierigste, was ich bisher gemacht habe. Die Aufregung vor diesem Interview ist immens, ich weiß nie, wie es verlaufen wird. Auch die Prominenten sind höchstgradig nervös. Wie wird der aussehen, wie wird das werden? Es ist ein merkwürdiges Gefühl für beide, aber das erzeugt auch die Spannung", so Kessler im TV SPIELFILM-Gespräch.

"Der Zuschauer sucht nach Relevanz, nach Inhalt"
Als er vor einigen Jahren das israelische Original sah, war für ihn klar: "Das ist Fernsehen, das ich unbedingt machen möchte, weil es den ­Zuschauer überrascht, weil es nicht einfach die 150. Talkshow ist." Das Thema bringt ihn in Rage: "Wir haben zu viel Routine in Deutschland, immer das Gleiche. Dabei sucht der Zuschauer nach Relevanz, er sucht nach Inhalt. Ganz viele Menschen gucken kein Fernsehen mehr, weil sie die Schnauze voll haben von diesem Mist, der da oft läuft, von der Lüge, von dem Gestellten, Gefakten, von den falschen Gefühlen, und das ist ein Entwurf dagegen." In der vierten Staffel ab 4. August trifft er unter anderem Dieter Hallervorden, der nicht mehr Didi genannt werden will, und Tom Neuwirth alias Sängerin Conchita - seit Kurzem ohne Wurst.

Kesslers Autotalk

Nur wenig später, am 10. August, startet Kesslers neues Format "Sitzheizung gibt's nicht!", in dem der Kölner wieder zum Komiker wird: "Keine Psychologie, es ist leicht, es ist Quatschmachen", erklärt er die komplett improvisierte Reihe. Ohne jedes Vorgespräch holt er am Straßenrand wartende Promis wie Annette Frier oder Bastian Pastewka ab und chauffiert sie in einem Auto, das einen Bezug zu ihnen hat. Das erste Gesprächs­thema ist geboren, dann wird drauflosgeplaudert, gelacht, auf die Dinge in der Umgebung reagiert. Irgendwann sind die Kameras vergessen, und Pastewka erzählt von seinem achten Führerscheinverlust...

Dass er im Fernsehen genau das machen kann, was er will, ist für Kessler "ein großes Geschenk, für das ich sehr dankbar bin". Ab 14. September gibt's im Ersten neue Folgen seiner Mockumentary "Meine heile Welt", in der er - vom Gartenenthusiasten bis zum Königspudelfan - ­liebevoll in skurrile Hobbywelten eindringt. Was ihn zudem umtreibt, ist ein Satireformat, in dem der Boulevard getriezt wird, denn "die Schönen und Reichen dieser Welt, die Gebotoxten" dürfe man nicht einfach so davonkommen lassen. Kessler als Katzenberger oder Ernst August? Sehr gern!

Autor: Peter Roether

Sitzheizung gibt‘s nicht!
Do 10.8. ZDFneo, 22.15 Uhr

Kessler ist...
Fr 11.8. ZDF, 22.30

Weitere Talkformate abseits der Norm

NDR/Marco Drews

Wigald Boning: "Gute Nacht! Die Show vorm einschlafen"

Gute Nacht! Die Show vorm Einschlafen
Komiker Wigald Boning und seine Gäste lümmeln gemeinsam in einem Bett, sprechen über Träume, Schlafrituale und -probleme. Trotz ­einseitiger Themensetzung ­keineswegs schnarchig. (NDR, neue Folgen ab 5.8.)

Käptn's Dinner
Nichts für Klaustrophobiker - und gelenkig muss man sein! In einem alten U-Boot im Hamburger Hafen wartet Michel Abdollahi auf einen Promi, dem er dann bei Rollmops und Leberwurststullen zwangsläufig auf die Pelle rückt. (NDR, unregelmäßig)

Schulz & Böhmermann
Die Moderatoren Olli Schulz und Jan Böhmermann sind nie neutral, polarisieren, provozieren. Klasse Experiment am 6.8.: Vier Schauspieler ­geben fiktive Charaktere, u. a. Lars Eidinger einen Antifeministen. (ZDF neo, monatlich)

Applaus und Raus!
Wer seine Gäste sind, weiß Brachialkomiker Oliver Polak nicht. Aber sie sollten ihn schnell fesseln. Denn wer ihn langweilt, fliegt raus - auch wenn er noch kein Wort gesagt hat. Grimme-Preis 2017. (Pro Sieben, derzeit kei­ne neuen Folgen in Planung)

Soul Kitchen
Irgendwo auf dem Hamburger Kiez begrüßt Dirk Stermann vier Promis. Das Essen holt man um die Ecke, man bechert, raucht, spricht über Gott und die Welt. Und je später der Abend, desto melancholischer und schlüpfriger wird's. (NDR, unregelmäßig)