.

Marco Hagemann: "Ich bin ein kompletter Sport-Nerd"

Sportreporter Marco Hagemann
100proimagosport-

Fußball-Kommentator Marco Hagemann über seine Jobs, Mut zur Kritik und Angebote, die man ablehnen sollte.

Kumpel fragen Marco Hagemann schon mal im Scherz, ob er überhaupt alle Sender aufzählen kann, für die er ­arbeitet. Rechnet man den Streamingdienst DAZN hinzu, sind es derzeit vier. Der 39-Jährige kommentiert Länderspiele für RTL und Nitro sowie Freitagsspiele der Bundesliga für Eurosport, wo er auch noch den "Kicker-TV"-Talk moderiert. Als wir den Stimmakrobaten am Telefon erwischen, ist er - natürlich - gerade auf dem Sprung. Am Abend kommentiert er für ­Nitro das WM-Qualifikationsspiel zwischen der Türkei und Kroatien.

Hallo Herr Hagemann, wann waren Sie denn zuletzt Heimschläfer?

Marco Hagemann: (lacht) Vor vier Tagen.

RTL, Nitro, Eurosport, Dazn: Ihre Stimme und immer öfter auch Ihr Gesicht sind im Fußball sehr präsent. Wie fühlt man sich als Influencer der Sportberichterstattung?

Als Influenza?

Nein, nein. Bevor Sie jetzt auf­legen: Ich meine das im Sinne von Einfluss, wie bei den Social-Media-Influencern.

Verstehe - darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken gemacht. Aber so sehe ich mich gar nicht.

Sind Sie sich der Meinungsmacht bewusst, die Sie haben?

Im Vordergrund steht bei meiner Arbeit als Kommentator ja mehr oder weniger das Beschreiben, das Begleiten des Geschehens. Aber natürlich gibt es immer unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Wahrnehmungen. Wichtig ist, seine eigene Einschätzung gut zu begründen.

Sie waren aus dem Off auch schon in Shows wie "Ewige Helden" auf Vox zu hören. Können Sie nicht Nein sagen?

Schwer. Aber ich arbeite daran. Wobei: "Ewige Helden" würde ich jederzeit wieder machen, das ist ein Top-Format.

Sie kommentieren kein Tennis mehr für Eurosport.

Tennis wird immer eine Leidenschaft von mir bleiben, aber ich musste mir einfach eingestehen, dass sich eben nicht alles realisieren lässt. Nicht nur aus termin­lichen Gründen: Im Tennis ist es wie beim Fußball, man muss komplett dranbleiben. Am Ende stand für mich die Erkenntnis, dass es besser ist, sich beruflich auf eine Sportart zu konzentrieren.

Weil es unmöglich wurde, sich auf Ihre Einsätze so vorzubereiten, wie es Ihnen vorschwebt?

Nein, da würde ich niemals Abstriche machen. Mein Credo ist: immer top vorbereitet sein! Ich würde sagen, die Vorbereitung macht achtzig Prozent meiner Arbeit aus. Ich brauche das Gefühl, jeder Frage nachgegangen zu sein, die mir im Vorfeld eines Spiels durch den Kopf geht.

Wie kritisch können Sie sich ­eigentlich über Vereine äußern, ohne anzuecken und sich bei der Gastakquise für den "Kicker-TV"-Talk einen Korb einzuhandeln?

Ich warne davor, sich von Ver­einen oder Verbänden etwas in den Block diktieren zu lassen, nur damit man eine positive Grundstimmung beibehält. Kritik gehört dazu, solange das Ganze journalistisch sauber recherchiert und begründet ist - sonst können wir den Laden zusperren.

Der Trend zu clubeigenen TV-Sendern deutet allerdings darauf hin, dass man Kritik von außen möglichst ausklammern möchte.

Es gehört zum journalistischen Handwerk, kritisch zu hinterfragen und kritisch zu beleuchten. So befruchtet man sich auch gegenseitig. Wobei Ehrlichkeit im Umgang ganz wichtig ist. Ich ­persönlich habe bislang zumeist positive Erfahrungen gesammelt. Weil jeder weiß: So kann man mit dem Hagemann reden, so ­isser.

So oft, wie Sie Fußball kommentieren: Schauen Sie privat überhaupt noch? Oder ist dann auch irgendwann mal genug?

Ich bekomme nie genug, bin ein kompletter Sport-Nerd! Es gibt nur ganz wenige Sportarten, die ich nicht gucke.