Ralf Schumacher hat kein Problem damit zuzugeben, dass er in seiner aktiven Formel-1-Karriere "natürlich gern Weltmeister gewesen wäre". Und er schwärmt in den höchsten Tönen von den Leistungen seines Bruders Michael, denen seiner Meinung nach selbst heutige Superstars wie Lewis Hamilton und Max Verstappen nicht das Wasser reichen können.
Das ist die Quintessenz eines Interviews, das der heutige Sky-Experte auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de gegeben hat. In dem Interview spricht TV-Experte Ralf, der sich im Juli geoutet hatte, ausnahmsweise nicht über aktuelle Themen aus der Formel 1, sondern über seine eigene Karriere und Überschneidungen mit jener seines Bruders Michael.
Offene Worte über Michael Schumacher
Für ihn steht fest, dass die Leistungen seines Bruders Michael Schumacher in der Formel 1 auf lange Zeit hin unerreicht bleiben werden: "Da kommt auch ein Lewis Hamilton nie dran. In Lichtjahren nicht, aus meiner Sicht", sagt Schumacher in dem Interview.
"Wir haben gedacht, Lewis Hamilton könnte über Wasser gehen. Das funktioniert nicht. Wir haben gedacht, Max Verstappen kann über Wasser gehen. Wobei der tatsächlich schon weiter gehen könnte aus meiner Sicht, vom Talent her, als Lewis Hamilton. Das ist so, der macht noch mehr Unterschied."
Sein Bruder sei einer jener Fahrer gewesen, "die den Unterschied gemacht haben", so wie heute Verstappen, sagt Ralf. Und: "Er hatte dazu noch das große Glück, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein." Vor allem in den goldenen Ferrari-Jahren, mit fünf WM-Titeln hintereinander zwischen 2000 und 2004.
"Das fand ich natürlich als Bruder nicht lustig"
Eine Zeit, die sich Michael hart erarbeitet hat und die sein jüngerer Bruder heute neidlos als herausragend anerkennt. Obwohl es zwischen den beiden durchaus Reibungspunkte gab. Spontan fällt einem die Kollision am Nürburgring 1997 ein, oder das Rennen in Barcelona 2000, als Michael Ralf bewusst austrickste, um seinem Teamkollegen Rubens Barrichello zu Platz 3 zu verhelfen.
"Das fand ich natürlich als Bruder nicht lustig", erinnert sich Ralf heute. "Auf der anderen Seite ist es natürlich seine Verpflichtung als Ferrari-Fahrer, das zu tun. [...] Eine Stunde später, bei Karl-Heinz beim ersten Bier gemeinsam, war das in drei Minuten ausgeräumt. Das ist doch normal und gehört dazu. Und das auch ganz ohne Schimpfworte untereinander. Das geht auch."
Genau so haben die Schumachers damals ihre Probleme gelöst, wenn es denn mal welche zu besprechen gab: in der neutralen Atmosphäre des Motorhomes von Bernie Ecclestone, betreut vom österreichischen Gastronomen Karl-Heinz Zimmermann, der früher so etwas wie die gute Seele des Formel-1-Paddocks war.
Formel-1-Experte: Ralf Schumacher war "das größere Talent"
Mit 16 gemeinsamen Podestplätzen sind Michael und Ralf Schumacher die mit großem Abstand erfolgreichsten Formel-1-Brüder aller Zeiten. Fünfmal feierten sie sogar einen Doppelsieg - viermal Michael vor Ralf, einmal Ralf vor Michael. Und achtmal fuhren sie bei einem Grand Prix gemeinsam aus der ersten Startreihe los.
Den nackten Zahlen nach kann Ralf Michael nicht das Wasser reichen. 91 Siegen von Michael stehen sechs von Ralf gegenüber, und während Michael mit sieben WM-Titeln gemeinsam mit Lewis Hamilton Rekordhalter in der Formel-1-Geschichte ist, wurde Ralf kein einziges Mal Champion.
Obwohl sein langjähriger Wegbegleiter Franz Tost heute noch davon überzeugt ist, dass er "vom Talent her auf alle Fälle" das Zeug dazu gehabt hätte. Und die Schweizer Reporterlegende Roger Benoit kürzlich am YouTube-Stammtisch von Formel1.de gesagt hat: "Vielleicht hatte der Ralf das größere Talent als der Michael, rein fahrerisch."
Ralf Schumacher: "Hätte mir mehr Erfolg gewünscht"
Aber der fehlende WM-Titel ist nichts, was Ralf heute noch schlaflose Nächte bereitet: "Was soll ich denn machen? Natürlich wäre ich gern Weltmeister gewesen. Aber das hat halt nicht sollen sein. Wir waren nicht gut genug. Vielleicht war ich teilweise nicht gut genug, hatte auch hier und da mal privat die falschen Prioritäten. Das kann alles sein."
"Aber da ich kein Mensch der Vergangenheit bin, muss ich sagen: Ich hätte mir mehr Erfolge gewünscht - bin aber trotzdem happy mit meinem Leben. Es ist auf jeden Fall schön, so wahrgenommen worden zu sein, dass man Rennen gewinnen konnte, dass ich schnell genug war in meiner Formel-1-Karriere und auch hier und da einen Unterschied machen konnte. Aber nicht mehr und nicht weniger."
Das ganze Interview mit Ralf Schumacher über seine Formel-1-Karriere, Konflikte mit seinem Bruder Michael und die Gründe, warum Toyota seinerzeit so krachend gescheitert ist, gibt''s jetzt auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de zu sehen.
Von Christian Nimmervoll