Sie haben es gerade schon angesprochen: Es gibt ein großes Familiengeheimnis und einen Konflikt. Marlene sucht sofort die Konfrontation. Chris meidet den Konflikt, um ihre Mutter zu schützen. Mit wem können Sie sich denn eher identifizieren, wenn es um so einen Konflikt geht? Gehen Sie auf Konfrontation oder warten Sie lieber ab?
Chris hat sich durch das Tanzen eine Welt gebaut, in der alles für sie in Ordnung ist, während sie in einem Staat lebt, der ja nicht frei ist. Sie lebt wie in einer Trance und wacht erst auf, als ihre Zwillingsschwester in ihr Leben tritt. Da wacht sie auf, findet ihre Stimme und traut sich ihre Meinung zu sagen und eine Haltung zu haben. In Sachen Konfliktlösung ähnle ich eher Marlene. Wir sind beide sehr direkt und sprechen die Dinge lieber an, aber es gibt natürlich auch Momente, in denen ich Probleme habe Konflikte anzusprechen.
Chris hat zusätzlich auch noch Druck, da sie für die Position als Solistin vortanzt. Spüren Sie in Castings auch Druck?
Na klar! Gerade bei den Rollen, die ich unbedingt haben möchte, habe ich Druck. Es geht natürlich darum, wie man damit umgeht. Ich habe gerade mein erstes internationales Projekt gedreht, den Horrorfilm Back Head, habe meine erste Szene auf Englisch gespielt und ich war so nervös! Ich finde, wenn man diese Nervosität für den Moment und im Spiel nutzen kann, dann kann die auch sehr förderlich sein. Es wäre ja Quatsch dieses Gefühl wegzuschieben und so zu tun, als sei man nicht nervös. Andererseits hilft es eigentlich nie, sich selbst Druck zu machen. Das passiert manchmal trotzdem, deshalb muss man lernen auch loszulassen.
Haben sie bestimmte Rituale vor einem Casting oder vielleicht einen Glücksbringer?
Ich schlafe meistens mit dem Text unter dem Kopfkissen (lacht). Das habe ich früher schon in der Schule gemacht, wenn ich am nächsten Tage eine Arbeit geschrieben habe. Das funktioniert bei Castings genauso gut!
Was haben Sie in den vergangenen Jahren über die Schauspielbranche gelernt, was Ihnen zu Beginn nicht klar war?
Ich glaube, dass meine Naivität am Anfang nicht schlecht war. Dadurch war ich sehr offen, bin überall hingerannt und habe gesagt: "Hallo, hier bin ich!". Mittlerweile weiß ich genau, was ich machen möchte und kann besser abschätzen, was aus einem Drehbuch entstehen kann. Vor allen Dingen habe ich gelernt, die Freude daran wiederzufinden. Auf dem Weg ist es manchmal so, dass man ganz viel machen will und arbeiten will und dabei den Moment an sich vergisst. Aktuell spüre ich so eine Spielfreude in mir und überlege mit wem will ich eigentlich meine Zeit verbringen? Mit wem möchte ich arbeiten? Wer kann mit mir nochmal an Dingen arbeiten, die ich sonst noch nicht machen durfte? Wie entwickle ich mich weiter? Ich habe gelernt, dass es bei Castings darum geht, etwas zusammen zu erschaffen und nicht darum, um sich zu beweisen. Das bringt mir eine große Leichtigkeit in den Beruf. Ich habe wahrscheinlich zu Beginn meiner Karriere auch viele Castings versaut, weil ich immer dachte: "Oh Gott, ich muss hier jetzt richtig gut sein". Jetzt weiß ich, wie ich diese Nervosität umwandle und als mein Potential nutze. Aber es gibt bestimmt auch noch ganz vieles, was ich lernen werden.
Die Serie wird Anfang Januar gezeigt. Sind Sie jemand, der sich Vorsätze fürs neue Jahr macht und welche wären das?
Vorsätze und ich sind eher so … naja (lacht). Für 2022 nehme ich mir aber vor, weiterhin Freude an meinem Beruf zu haben und mich rückzubesinnen, warum ich diesen Beruf überhaupt gewählt habe. Ich möchte auch mehr Zeit für mich einplanen, um mehr Tanzworkshops zu machen und Französisch zu lernen. Ja, das klingt nach einem guten Vorsatz für mich! (lacht)
Und zuletzt muss natürlich noch die Frage erlaubt sein: Warum sollten Zuschauer:innen sich "Der Palast" angucken?
Gerade jetzt nach den zwei Jahren, in denen wir uns so wenig begegnen durften, erzählen wir eine wundervolle Geschichte über Begegnung, aber auch über Akzeptanz der jeweils anderen Biografie. Das kann zu einem Heilungsprozess führen, auch innerhalb der eigenen Familie. Gerade jetzt nach Weihnachten, wenn man die alle wieder gesehen hat, ist das eine sehr schöne Geschichte darüber. Darüber hinaus macht "Der Palast", durch das Bunte und der Freiheit des Tanzens einfach unfassbar viel Spaß. Die Serie hat einen hohen Unterhaltungswert und auch einen gewissen Witz durch diese Erich-Kästner-ähnliche Geschichte mit den Zwillingen.
Vielen Dank für das Interview!