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Aus Dankbarkeit schuf er Sinfoglesia

Komponist war sterbenskrank - Jetzt berichtet seine Frau

Sinfoglesia, neues Album
Christoph und Katrin Siemons stützen sich gegenseitig im Leben. Matthäus Walotek

Als der Kölner Komponist und Produzent Christoph Siemons vor acht Jahren wegen einer schweren Herzerkrankung um sein Leben kämpfte, nahm seine Frau Katrin eine Schlüsselrolle für ihn ein. Aus Dank für seine Genesung schuf er das erste Sinfoglesia-Album "Das Versprechen".

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Disclaimer: "Das Versprechen" ist eine Produktion der BurdaForward Music/FOCUS Online Group

Produzent Christoph Siemons musste vor acht Jahren wegen einer schweren Herzerkrankung um sein Leben kämpfen. Seine Frau Katrin nahm dabei eine Schlüsselrolle für ihn ein. Aus Dank für seine Genesung schuf er das erste Sinfoglesia-Album "Das Versprechen". Im Interview erinnert sich Katrin Siemons, Projektmanagerin bei BurdaForward, an den Schicksalsschlag und schildert, warum sie heute umso mehr mit Corona-Erkrankten und ihren Angehörigen fühlt.

Das Interview von FOCUS Online mit Katrin Siemons

Ihr Mann war wochenlang im Krankenhaus, Sie sind ihm – solange das möglich war – nicht von der Seite gewichen und haben auf der 40 Zentimeter breiten Fensterbank des Klinikzimmers geschlafen. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Katrin Siemons: Es gab die Zeit kurz vor der Klinik, die Zeit in der Klinik und die unmittelbare Zeit danach. Vor der Diagnose haben wir wochenlang in Ungewissheit gelebt, mit der Gewissheit, hier stimmt etwas nicht mit Christoph, aber keiner konnte uns sagen, was los war. Wir sind von Arzt zu Arzt, haben uns an Strohhalmen festgehalten, zwischen harmlosen und dramatischen Diagnosen gezittert. Das war, ehrlich gesagt, die schlimmste Zeit. 

Dann kam Professor Thomas Benzing und nahm uns im wahrsten Sinne des Wortes an die Hand. Ich weiß noch, wie er zu Christoph sagte: "Ich weiß noch nicht, was Sie haben, aber ich finde es heraus. Sie können sich voll und ganz auf mich verlassen." Ab dem Zeitpunkt ist uns eine enorme Last von den Schultern genommen worden. Auch wenn noch gar nichts passiert war. Und Professor Benzing hat sein Wort gehalten, die Krankheit erkannt und mit seinem fantastischen Team und mit dem Herzzentrum Christophs Leben gerettet. Und wenn man von einem Gewinn aus dieser Krise sprechen kann: Heute sind wir und Thomas Benzing mit seiner Frau die besten Freunde.

Die Erkrankung Ihres Mannes und die Ungewissheit, ob er wieder gesund wird, zog sich über Monate. Mehrmals kam es zu lebensbedrohlichen Komplikationen. Wie haben Sie durchgehalten?

Ja, wie habe ich durchgehalten. Das ist einem mitten in so einer Situation gar nicht bewusst. Ich muss sagen, man funktioniert einfach, gar nicht gezwungen oder bewusst, irgendwie schalten Körper und Geist automatisch auf Sondermodus und man entwickelt Kräfte, die man vorher nicht für möglich gehen hätte. Ob Schlafen auf einer 40 Zentimeter Fensterbank oder anderes, dies alles schafft man… Ich wollte einfach nur bei Christoph sein, ihm Kraft geben und auf ihn aufpassen. 

Ich war sehr angespannt, aber, ich glaube, nicht ängstlich oder verzweifelt. Ich wusste, der Übeltäter ist erkannt, jetzt müssen wir ihn bannen und dann wird alles wieder gut. Das ganze Ausmaß kam ja auch erst sukzessive zutage. Ich erinnere mich noch an einen gemeinsamen Augenblick in seinem Krankenzimmer im 15. Stock. Von seinem Zimmer aus haben wir die Kölner Lichter – das große jährliche Kölner Feuerwerk – gesehen und haben dort am Fenster gestanden und gesagt, "wir schaffen das zusammen, egal was kommt."

Foto: BFM, Christoph Siemons mit seinem Arzt.

Siemons sieht Parallelen zur Corona-Pandemie

Ihr Mann hat geschildert, dass Sie es waren, die ihn dazu gebracht haben, weiterzukämpfen, als er nach weiteren gesundheitlichen Komplikationen und langer Zeit auf der Intensivstation Lebensmut und Kraft verlor. War Ihnen klar, wie schlecht es Ihrem Mann zu dieser Zeit auch emotional ging?

Ich glaube, wer dies selbst noch nicht erlebt hat, mehrere Wochen Krankenhausaufenthalt, Intensivstation, lebensbedrohliche Operationen, kann sich gar nicht vorstellen, wie krass so etwas ist – physisch und psychisch. Auch ich nicht. Dass es Christoph nicht nur körperlich nicht gut ging, habe ich natürlich gemerkt bzw. er hat es auch immer offen geäußert. Dass ihm die Kraft ausging und auch Zuversicht und Hoffnung schwanden, war in so einer langen Episode mit immer wieder neuen Komplikationen, glaube ich, ganz normal, sonst wäre man ja übermenschlich. Die Zuversicht, es ist irgendwann überstanden, es kommt nichts mehr und ich werde wieder gesund, rückte das ein oder andere Mal in weite Ferne.

Da ich jedoch bei aller Nähe auch die nötige Distanz hatte, ganz fokussiert war, weil ich ja funktionieren musste, habe ich dann meine Energie genutzt, Christoph zu stützen. Mal einfühlsam, mal – muss ich zugeben – auch ganz schön rabiat. Ich habe alles versucht, um ihn nicht zu verlieren. So kam es auch zu dem Satz in einer dunklen Stunde: "Wenn du es nicht für dich tust, dann tue es für mich."

In diesem Jahr haben wegen der Corona-Pandemie sehr viele Menschen mit schweren Krankengeschichten und Angehörige mit schweren Belastungen und dem Verlust geliebter Menschen zu kämpfen. Können Sie wegen Ihrer persönlichen Geschichte besonders gut mit ihnen mitfühlen?

Aufgrund unserer persönlichen Geschichte begegnen wir der Corona-Situation und den möglichen Auswirkungen einer Erkrankung gegenüber besonders sensibel und ich fühle besonders mit den Erkrankten und Angehörigen. Einen großen Unterschied gibt es hier allerdings: Ein großer, großer Anker für uns damals war, dass wir immer zusammen sein konnten. Das Schreckliche, neben dieser tückischen Corona-Krankheit, ist ja, dass die Erkrankten ganz allein sind. Ihre Angehörigen können sie nicht besuchen, nicht bei ihnen sein. Das stelle ich mir unerträglich vor, für beide Seiten, die Kranken und die auch Angehörigen.

Wenn wir hier auch so intensiv über unsere Geschichte sprechen, weiß ich, wie viel Glück wir hatten und weiß, dass wir nur eines aus so unendlich vielen schrecklichen, herzzerreißenden Schicksalen sind. Und wir hatten das Glück, dort rauszukommen, dies haben so viele nicht.

Was uns dies aber ganz persönlich bewusst gemacht hat, ist: Man weiß nie, was im Leben passiert, und man kann sich auch nicht vor allem schützen, und gerade deswegen sollte man jede gute Minute genießen, dankbar sein und die guten Zeiten im Herzen tragen, denn diese können einem in dunklen Stunden enorme Kraft geben.

Angehörige sind eine wichtige Stütze

Welche Rolle, würden Sie sagen, nehmen Angehörige in solchen Krisensituationen ein?

Angehörige nehmen eine irrsinnig wichtige Rolle ein. Menschen, die auch schon mal in so einer Ausnahmesituation waren, werden mir zustimmen – in diesen Situationen ist man ganz auf sich gerichtet, braucht alle Energie und kann nur ganz wenige Menschen um sich herum ertragen. 

Und bei uns waren dies meine Mutter und mein Bruder. Sie, Christoph und ich haben eine ganz enge Beziehung. Ich war also in der ganzen schlimmen Zeit nicht allein, ich hatte meine Mutter und meinen Bruder, die ununterbrochen für mich da waren, und auch Christoph täglich besucht haben. Und Christophs Freund Dirk war immer präsent, er hat mit mir vor den OP-Sälen gesessen und mit mir gebangt. In der langen Zeit auf der Intensivstation, in der ich Christoph nur minutenweise besuchen durfte, habe ich bei meiner Mutter gewohnt, weil ich einfach nicht zu Hause sein konnte, zuhause ohne Christoph. Meine Mutter und mein Bruder waren eine große, große Stütze.

 

Sie selbst sind erst zusammengebrochen, als Ihr Mann das Gröbste überstanden hatte. Wie erklären Sie sich das?

Erst im Nachhinein habe ich das ganze Ausmaß erkannt. Als eigentlich alles überstanden war, Christoph in Sicherheit war und wir durchatmen konnten, bin ich zusammengebrochen. Ich konnte aufhören zu funktionieren, stark zu sein. Und dann kam es, dass ich ohne Grund und aus heiterem Himmel angefangen habe zu weinen und nicht aufhören konnte. Erst langsam habe ich dann begonnen, das Ganze zu realisieren und dann auch zu verarbeiten. Und auch heute noch, wenn wir darüber sprechen, oder auch jetzt im Interview, wird mir erst richtig die Tragweite und die Bedrohung bewusst. Ich denke dann oft: Unglaublich, das haben wir tatsächlich erlebt und überstanden, wie haben wir das geschafft?

Vom Heavy Metal zur christlichen Messe

Foto: BFM, Auf der Bühne beim Wacken Open Air.

Ihr Mann ist eigentlich ein Spezialist für Heavy-Metal-Musik. Was haben Sie gedacht, als er Ihnen gesagt hat, dass er Gott eine Messe schreiben wird aus Dankbarkeit, alles überstanden zu haben?

Rock und Heavy Metal, das ist Christophs Leidenschaft. Da er sich allerdings als Komponist und Produzent in den letzten 30 Jahren in verschiedensten Genres getummelt hat, war dies keine allzu große Überraschung. Aber was mich mehr überrascht hat, war der Zeitpunkt. In einer seiner dunkelsten Stunden, ohne Kraft, keimt plötzlich aus ihm ein Fünkchen Hoffnung und er gibt dem lieben Gott dieses große Versprechen. Das hat mich zutiefst berührt, ich war irrsinnig stolz auf ihn und habe gehofft, dass dies eine emotionale Wende für ihn ist durchzuhalten. Aber, dass er sich direkt an so ein großes Werk wagt, das hat mir imponiert und ich hab‘ gedacht, wow, da hat er sich aber was vorgenommen.

 

Wie hat die schwere Erkrankung Ihres Mannes Ihren Blick auf das Leben verändert?

Als Christoph damals krank wurde, war ich Mitte dreißig. Alles lief gut, wir hatten Pläne, hatten gerade eine schöne Fernreise geplant. Und von einem auf den anderen Moment ist alles anders. Dass du dich auf einmal in einer Situation siehst, in der dein geliebter Partner sein Testament schreibt und dir sagt, "wenn ich aus dieser OP nicht mehr aufwache, habe ich hier einen Brief für dich", das kann ich nicht beschreiben, wie schrecklich dies ist. 

Aber wir hatten ja das Glück, wie es viele andere nicht haben, aus dieser schlimmen Zeit herauszukommen. Ein Arzt hatte mir damals gesagt, wie die Narben ihres Mannes verblassen, verblassen auch die Erinnerungen an die Zeit. Und so ist es. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich führe ein komplett anderes Leben seitdem, und auch im Alltag ist dies nicht immer präsent, aber einiges ist geblieben. Die Demut vor dem Leben, die Dankbarkeit für jede gute Minute, für unsere tolle Beziehung und alles, was wir haben. Ich versuche immer wieder den Blick darauf zu lenken und mir dies bewusst zu machen. Und was auch geblieben ist, ist ein bisschen Angst, so ganz vergessen kann man dies alles nicht.

Dieses Interview erschien zuerst bei FOCUS Online.