Peter Pranges Roman "Unsere wunderbaren Jahre" startet an einem Zeitpunkt des Umbruchs. Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt Deutschland in Trümmern. Auch bei Familie Wolf hat der Krieg (nicht nur sichtbare) Spuren hinterlassen. Am 20. Juni 1948 erhält jeder Bürger 40 DM, das sogenannte Kopfgeld. Angestrebt durch die geopolitische Lage verfolgen die USA das Ziel, die deutsche Wirtschaft schnell wieder aufzubauen. Doch was machen die Mitglieder der Familie Wolf und ihre Bekannten mit dem Kopfgeld? Wie finden sie ihre Rolle im Kleinstadtidyll Altena im Sauerland?

Das literarische Werk von Peter Prange wurde 2019 von der ARD verfilmt, zumindest das erste Drittel des 976 Seiten langen Buches. Schon daraus wurden drei Neunzigminüter - Fortsetzung offen. Mit dabei sind die großen Namen der deutschen Schauspiellandschaft: Katja Riemann, Thomas Sarbacher, Hans-Jochen-Wagner, Ludwig Trepte, Elisa Schlott, Vanessa Loibl und Anna Maria Mühe als Margot, schwarzes Schaf der Familie. Vor dem Start des ersten Films am 18. März um 20:40 Uhr (Das Erste) haben wir Darstellerin Anna Maria Mühe zum Interview getroffen.

TVSPIELFILM.de: Haben Sie die Filme von "Unsere wunderbaren Jahre" bereits gesehen und wie hat Ihnen das Endergebnis gefallen?

Anna Maria Mühe: Ja. Ich finde, dass wir ein ganz tolles Ensemble sind. Die Figuren machen enorme Entwicklungen durch, Kostüm und Maske funktionieren gut zusammen, genauso wie die Ausstattung. Wir haben ein schönes Gesamtprojekt abgeliefert.

Was hat Sie besonders an der Rolle von Margot gereizt?

Mich hat am meisten Margots Entwicklung gereizt. Zunächst ist sie in ihrer politischen Haltung gefangen und hinterfragt auch nicht, ob es richtig oder falsch sein könnte. Daraufhin folgt der Verrat an der eigenen Familie. Sie stellt sich gegen sie, versucht auf eigenen Beinen zu stehen und verliebt sich dann in einen Mann, der eigentlich das widerspiegelt, wo Margot politisch am Anfang war. Sie spürt schnell, dass sie auf diesen Bausteinen nicht mehr bauen kann: Das Gerüst fängt an zu wackeln. Das ist natürlich spannend für mich als Schauspielerin.

Im ersten Teil von "Unsere wunderbaren Jahre" wird klar, dass Margot bei den drei Schwestern eine Sonderrolle einnimmt. Sie stellt sich gegen ihre Familie. Wie würden Sie das Verhältnis von Margot zu ihren Schwestern beschreiben?

Margot ist wirklich kein einfacher Mensch (lacht). Das ist keine Person, mit der man frei sprechen kann, ohne nicht gemustert zu werden– grade in Bezug auf die beiden Schwestern. Aber auch das ist wahnsinnig interessant und es macht mir Spaß diese Brüche zu spielen.

Gundel und Ulla haben konkrete Träume. Die eine möchte in der Firma aufsteigen, die andere Ärztin werden. Was ist Margots Traum?

Ich glaube, zu Beginn träumt sie einfach davon, dass ihr Mann aus dem Zweiten Weltkrieg zurückkommt und sie zusammen nach Argentinien auswandern können, in eine Welt, in der sie nach ihrer Überzeugung leben dürfen und sich nicht verstecken müssen.

"Der Zuschauer wird nicht so richtig schlau aus Margot"

Dann ist sie ja doch ein Familienmensch, obwohl sie ihre Eltern (und ihre Schwestern) zurücklässt.

Absolut. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Familie, die sie verlässt, stellt sich politisch gegen alles, womit sie aufgewachsen ist und von dem sie immer dachte, dass es richtig sei. Natürlich nimmt sie zunächst einmal den Weg der Liebe und versucht, sich auf die Seite ihres Mannes zu schlagen.

Später folgt die Hochzeit mit dem Unternehmer Böcker, der an der NS-Zeit verdient hat. Ihr Kollege Hans-Jochen Wagner, der Walter Böcker mimt, hat gesagt, dass es für seine Rolle eine Liebesheirat ist. Ist es das für Margot auch oder ist es eine Nutzbeziehung?

Es ist schon auch eine Liebesheirat. Der Zuschauer wird nicht so richtig schlau aus Margot, aber das ist genau das, was ich wollte. Es gibt eben ambivalente Menschen, die nicht klar oder grade sind und die sich gerne mitreißen lassen von dem, was gerade angesagt ist.

Margots Geschichte ist für mich auch eine Geschichte von Verlust. Eine besonders emotionale Szene ist die, in der sie Sterbehilfe leistet. Wie fühlen Sie sich in solchen Szenen? Fragen Sie sich in dem Moment, was in der Person vorgeht oder ist es für sie eine normale Szene? 

Die Frage stelle ich mir nicht, da ich mich natürlich im Vorfeld schon mit der Figur beschäftige, sie studiere und einsauge. Wenn ich mir die Frage stellen würde, hätte das Drehbuch ein Problem, dann wäre es nicht richtig es zu spielen. Das sind keine Szenen, die einfach sind, weil sie emotional sind und ans Eingemachte gehen. Aber es sind Szenen, die für die Figur Sinn machen, um eben zum nächsten Schritt zu führen.

Haben Sie diese Szene am Ende des Drehtags gespielt?

Meistens wird auf sowas keine Rücksicht genommen. Wir hatten sehr vollgepackte Drehtage. Ich weiß es nicht mehr, aber ich glaube nicht, dass es die letzte Szene war. Das wäre zu nett (lacht). Es ist ja auch ganz oft so, dass man mit der letzten Szene des Buches anfängt. Das war für mich bei diesem Projekt auch so: Meine allerletzte Szene im Film war meine allererste Szene am ersten Drehtag.

Ist das hilfreich für Sie?

Nein, es ist überhaupt nicht hilfreich, aber das hat meistens produktionelle Gründe und es bringt nichts, sich dagegen innerlich zu wehren. Außerdem bin ich so vorbereitet, dass ich weiß, an welcher Stelle sich meine Figur innerhalb der Geschichte befindet. Aber man hat schon Respekt davor.

Mit dem Filmteam in der Provinz

Der Roman soll ein Stück deutscher Geschichte am Beispiel der Kleinstadt Altena im Sauerland zeigen. Waren Sie selbst schon einmal dort und haben sich umgesehen?

Nein, ich war noch nie in Altena, aber wir waren sehr viel in der nordrheinwestfälischen Provinz unterwegs.

Kannten Sie eigentlich die Romanvorlage von Peter Prange?

Ich kannte sie nicht, habe den Roman aber natürlich vor dem Dreh gelesen. In Vorbereitung auf eine Rolle greife ich auf alles zurück, was sich anbietet und wenn es einen Roman gibt, ist es umso schöner. Allerdings ist meine Figur im Roman eine ganz andere Figur mit einem anderen Namen und einer anderen Entwicklung. Deshalb musste ich mich schnell davon lösen.

Welche Rolle spielen die Kostüme im Dreiteiler? Beim Zuschauen versinkt man direkt in die damalige Zeit.

Das geht uns Schauspielern natürlich nicht anders. Ich gehe zuerst in die Maske, werde geschminkt, bekomme die Haare gelegt, so wie es Mode war, und dann bekomme ich meine Kleidung. Das ist alles eine große Hilfestellung, um so eine Figur den ganzen Tag über mit Leben zu füllen. Das macht großen Spaß. Aber ich freue mich auch, wenn ich abends wieder meine Jeans anziehen darf (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch!

"Unsere wunderbaren Jahre" läuft ab dem 18. März 2020 um 20:40 Uhr im Ersten. Der zweite Teil wird am 21. März (Samstag) ausgestrahlt, der dritte Teil folgt am 25. März (Mittwoch). Die Verfilmungen sind auch als Serie in der ARD-Mediathek streambar.