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Aenne Burda, die Wirtschaftswunderfrau

Aenne Burda, die Wirtschaftswunderfrau
Sender

Das Erste dreht einen Zweiteiler über sie, die in den Fünfzigern den Grundstein für das später weltgrößte Modezeitschriften-Imperium legte

Die Frau im roten Kleid strahlt. Sie hat es mal wieder allen gezeigt. Man kennt den nach vorn gerichteten Blick und das breite Lächeln von vielen Fotos. Die Schauspielerin Katharina Wackernagel hat die Aufnahmen sorgfältig studiert. Beim Dreh in Berlin wirkt sie kraftvoll und entschlossen. Genau wie die Person, die sie für die ARD in einem neuen Zweiteiler verkörpert, Arbeitstitel: "Aenne Burda - Die Wirtschaftswunderfrau".

Die Eisenbahnertochter aus Offenburg hat eine erstaunliche Karriere gemacht. In einfache Verhältnisse hinein­geboren, schaffte sie es aus eigener Kraft, "Burda Moden" zur weltgrößten Modezeitschrift aufzubauen (siehe Infokasten). Und das in einer Zeit - Anfang der Fünfziger in der ­alten Bundesrepublik -, als berufs­tätige Frauen die große Ausnahme waren, von erfolgreichen Unternehmerinnen ganz zu schweigen.
Eine Frau geht ihren Weg
"Aenne Burda war ein impulsiver Mensch, kraftvoll und mutig", sagt Katharina Wackernagel. "Sie hat ­Entscheidungen oft aus dem Bauch heraus getroffen und war bereit, alle Konsequenzen zu tragen. Sie hat gehandelt und nicht gejammert." Regisseurin Franziska Meletzky, die den letzten Dresden-"Tatort" über Morde im Versicherungsmilieu inszeniert hat, möchte in ihrem Zweiteiler eine Facette von Aenne Burdas Persönlichkeit herausstellen, die schon ihren Zeitgenossen auffiel: die Kraft, mit der sie ihren Visionen vertraute.

Das Drehbuch zu dem ARD-Zweiteiler beruht auf der Biografie von Ute Dahmen ("Aenne Burda - Wunder sind machbar", Petrarca Verlag, 2009). Während Dahmen das ganze Leben Aenne Burdas von ihrer Geburt am 28. Juli 1909 bis zu ihrem Tod am 3. November 2005 erzählt, konzen­triert sich der Film auf eine wichtige Phase in der beruflichen und privaten Existenz der Verlegerin. "Ein so langes, ein so erfolgreiches Leben in 180 Minuten zu erzählen braucht weniger Hinzudichtung als Verdichtung", erklärt Drehbuchautorin Regine Bielefeldt. "Deswegen habe ich mich auch entschieden, nur die Jahre zwischen 1948 und 1954 zu beleuchten."

Es waren Jahre der Entscheidung. Anne Burda, die sich erst den Namen Aenne gab, als sie auf eigenen Beinen stand, verharrte lange in der traditio­nellen Rolle als Mutter und Ehefrau an der Seite eines erfolgreichen Mannes. 1931 hatte sie den Verleger und Buchdrucker Franz Burda geheiratet und ihm drei Söhne geschenkt. Sie war eine elegante Erscheinung, nach der sich die Menschen in Offenburg umdrehten und die als Gastgeberin bei Empfängen ihres Mannes vor Charme sprüht. Erst als ihr nach Kriegsende ein französischer Besatzungsoffizier den Hof machte und sie für eine deutsche Modezeitschrift gewinnen wollte, nahm in ihr die Vorstellung Konturen an, sie könne auch ein Geschäft führen. Aus der bloßen Idee wurde wilde Entschlossenheit, als sie erfuhr, dass ihr Mann das Projekt bereits angeschoben hatte - hinter ihrem Rücken und dann auch noch mit seiner Geliebten. Aber Elfriede Breuer hatte kein Händchen fürs Finanzielle, "Breuer Moden" schrieb schon bald rote Zahlen. Und Anne tobte, drohte mit Scheidung. Schließlich bekam sie am 28. Dezember 1949, was sie wollte: den Verlag der Nebenbuhlerin, allerdings mit 200 000 Mark Schulden, die ihre Vorgängerin verursacht hatte.

Aenne, wie sie sich jetzt nennt, kann nicht schneidern. Aber sie weiß, was Frauen wollen: nach all den Entbehrungen des Kriegs ein wenig Glanz und Schönheit in ihr Leben bringen. Mit Kleidern, die anders als das, was Christian Dior jenseits des Rheins zelebriert, kein ferner Traum bleiben, sondern die tragbar, machbar und bezahlbar sind. Der Clou sind die Schnittanleitungen zum Nachschneidern, die jedem Heft beiliegen. Solche Bogen gibt es zwar schon seit 1863, aber Aenne Burda hat sie auf eine ­geniale Weise verbessert.
Die Vermessung der Frauen
Foto: Sender
In Berlin sind inzwischen die Komparsinnen aufgelaufen. Auf dem Plan steht eine Schlüsselszene des Films und der Karriere von Aenne Burda: Dutzende Frauen tummeln sich in ­einem großen Raum, umringt von Mitarbeiterinnen in weißen Kitteln. Mit einem Maßband stellen die Angestellten von "Burda Moden" die Größen der Damen fest und schreiben sie auf. Es wird viel getuschelt und gelacht, und als die Kompar­sinnen in die Stoffkiste greifen dürfen, blitzt in ihren Augen echte Begeis­terung auf. Katharina Wackernagel schaut selbstbewusst in die Kamera. Mit diesen Big Data, die von ganz normalen Offenburgerinnen stammen, ist Aenne Burda der Konkurrenz meilenweit voraus. Sie sind die Grundlage für die innovativen Burda-Schnittmuster mit ihrem Linien­geflecht, das es großen und kleinen Hobbyschneiderinnen erlaubt, sich ihre jeweilige Größe auszuwählen und danach den Stoff für ihr indi­viduelles Kleid zuzuschneiden.

Drehort ist an diesem Tag eine ehe­malige Werft in Berlin-Zehlendorf. Ein heruntergekommenes Haus, das lange leer stand. Kein Zufall. Der Verlag von Aenne Burda war 1949 so etwas wie ein Start-up-Unternehmen: viele Ideen, wenig Geld. Man hockte in der "Wirtschaft zum Bädle" in Lahr bei Offenburg zusammen, ein Bau, bei dem der Putz von den Fassaden bröckelte. So etwas findet man heute in Baden-Württemberg nicht mehr. Das Land ist zu reich. Schäbige Bauten sind längst abgerissen. Gut, dass Berlin so viel ­ärmer dran ist. Hier wurde Production Designer Knut Loewe fündig, als er nach Drehorten für die bescheidenen Anfänge suchte. Für den Aufschwung des Verlags, der 1954 nach Offenburg umzog, fand er dagegen Orte am ­Originalschauplatz. Die historischen Autos im Film spürte Loewe in Privatsammlungen auf, darunter das VW-Cabrio-Modell, das die Verlegerin im Film fährt; der Oldtimer hat heute ­einen Wert von 200 000 Euro.

Aenne Burda hat Geschichte geschrieben. Aber ist sie auch für unser Leben in der digitalisierten Welt von heute noch relevant? "Und ob!", sagt Katharina Wackernagel. "Mit all dem, was sie auf die Beine gestellt hat, ­gegen alle Widerstände, damit ist sie ein Vorbild, nicht nur für Frauen."