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Von "House of the Dragon" bis "Euphoria": Die besten Serien 2022

Besten Serien 2022, Euphoria, Slow Horses
Die besten Serien 2022: Unter anderem mit "House of the Dragon" und "Euphoria". Sky/HBO, Imago Images; Montage TVSPIELFILM.de

Meinung | Das Jahr geht zu Ende: Die Redakteure von TVSPIELFILM.de blicken zurück und erinneren sich an die Serien, die sie am meisten beeindruckt haben.

Am Ende des Jahres blickt man gerne auf die persönlichen Highlights zurück. Dem schließt sich die TVSPIELFILM.de-Redaktion an, denn 2022 war prall gefüllt mit großartigen Serienproduktionen auf allen möglichen Anbietern. Von einem vielfach prämierten Drama über drogenabhängige Teens, grüblerische Spionage-Arbeit und bis zu einer Rückkehr in die fantastische Westeros-Welt aus "Game of Thrones" wurde viel aufgeboten. Hier also die ganz individuellen Lieblinge der Redaktion:

Better Call Saul (Netflix, Staffel 6)

Foto: Netflix, "Better Call Saul" gibt es bei Netflix.

Mit einem Cliffhanger, der einem den Atem raubte, endet die fünfte Staffel des "Breaking Bad"-Ablegers bereits 2020. Im April 2022 war es dann endlich so weit: Die Serie um Anwalt Jimmy McGill ging weiter und sollte gleichzeitig ihr Ende finden. Ein etwas anderer Aufbau als sonst sollte der Serie nicht schaden: Die Hauptstory endete schon nach neun Folgen, die letzten vier Episoden blickten dann noch mal weit in die Zukunft und beleuchtete das Schicksal der zwielichtigen Hauptfigur.

Als großer Fan der Serie, der sie sogar besser als "Breaking Bad" findet, hätte ich mir ein besseres Ende nicht wünschen können. Es bringt alle Charaktere noch einmal zusammen und findet einen echten Abschluss – was viele andere Serien vernachlässigt haben. Selbst die Cameo-Auftritte von Bryan Cranston und Aaron Paul waren nicht einmal nötig. Für mich war "Better Call Saul" ganz klar das Serien-Highlight von 2022.

– Nicky Wong

House of the Dragon (WOW, Staffel 1)

Foto: IMAGO / Picturelux, Plakat zu "House of the Dragon".

Der fiktive Kontinent Westeros, etwa 200 Jahre vor den Ereignissen von "Game of Thrones": Weil er keine männlichen Erben hat, ernennt König Viserys seine Tochter Rhaenyra zu seiner Nachfolgerin. Sie soll nach dessen Tod über Westeros herrschen. Doch die Entscheidung finden einige Adelige gar nicht gut – unter anderem Otto von Hohenturm. Und so spinnt der Berater des Königs ein fatales Netz aus Intrigen, das in einen blutigen Bürgerkrieg mündet...

Als Spin-off bzw. Prequel-Serie von "Game of Thrones" hatte "House of the Dragon" riesige Fußstapfen zu füllen. Dementsprechend hoch war der Grad an Skepsis unter den Fans. Doch wie sich gleich beim Serienauftakt zeigte, waren die Zweifel unbegründet: "House of the Dragon" ist eine echte Wucht. Nicht nur erzählt das famose Drehbuch eine packende Geschichte rund um Familie, Verrat, Enttäuschung, Ehre und Pflicht. Die 1. Staffel entführt den Zuschauer auch zu neuen Orten in Westeros und führt eine neue Garde von vielschichtigen Figuren ein, die allesamt fantastisch gespielt werden. Milly Alcock und Emma D'Arcy brillieren als junge und ältere Version von Prinzessin Rhaenyra. Matt Smith begeistert als ambivalenter Prinz Daemon. Rhys Ifans ist herrlich hinterhältig als Schurke Otto von Hohenturm. Doch das eigentliche Highlight ist Paddy Considine als König Viserys – ihm dürften demnächst alle TV- und Serienpreise zufliegen. Gegen seine schauspielerische Wucht sehen sogar die vielen Drachen blass aus.

– Martin Arnold

Euphoria (WOW, Staffel 2)

Foto: HBO / Sky Deutschland, Zendaya hat sich mit "Euphoria" ein Denkmal geschaffen.

Zugegeben: Ich habe dieses Jahr beide Staffeln "Euphoria" bei WOW gesehen, aber ich kann nur schwer in Worte fassen, wie sehr mich diese Serie berührt hat – vor allem die zweite Staffel. Rue (Zendaya) ist rückfällig geworden, nachdem Jules (Hunter Schafer) ohne sie abgereist ist. Jetzt kehrt Jules zurück und findet ihre drogenabhängige Geliebte in einer Situation vor, die schlimmer nicht sein könnte, auch wenn sie von Rues Rückfall nichts ahnt. Um die beiden herum entspinnen sich weitere Geschichten dramatischer Liebe und betrogener Freundschaften.

Nie hat eine Serie so geschmerzt wie "Euphoria". Erwachsene können sich nicht vorstellen, wie schwer es Teenager heutzutage haben müssen und wie authentisch die Serie diese Qualen rüberbringt, gleichzeitig aber mit dramatischer Dynamik nicht nur auf Trauer setzt, sondern ernsthafte Probleme darstellt, ist meisterhaft. Dazu kommt ein Soundtrack, der für immer bleiben wird, eine visuelle Energie, die man nicht vergessen kann und Figuren, die ich heute vermisse, als wären sie meine Freunde. In Staffel 2 reicht aber nichts an Rues Streit mit ihrer Mutter in Folge 5 und das Theaterstück am Ende der Staffel heran. Bitte, schaut euch das an!

– Jan Thinius-Heemann

Absolutes Fiasko: Woodstock '99 (Netflix, Staffel 1)

Foto: Netflix, Der Titel ist Programm: Woodstock wurde 1999 wirklich ein absolutes Fiasko.

Hohe Temperaturen, zu viel Müll und Riesenfeuer waren die Bilder, die ich zu Woodstock 1999 im Kopf hatte. Ich habe viele schlechte Festivals miterlebt, ich konnte also nicht so wirklich überrascht werden, dachte ich. Was harmlos mit schlechter Organisation und Misswirtschaft beginnt, endet in Explosionen und Vergewaltigungen. Bei mir folgten Scham, Ungläubigkeit und Wut aufeinander.

Während die Veranwortlichen immer wieder versuchten, Künstler:innen und Bands in die Verantwortung zu ziehen, wird schnell klar, wo die Probleme hier lagen. Wie konnte so etwas 1999 passieren und wie sehr können Verantwortliche jegliche Schuld von sich weißen? Das Paradebeispiel an toxischer Männlichkeit und Profitgier ließ mich fassungslos zurück. Eine gute Dokumentation, bei der ich mir dennoch mehr kritische Nachfragen bei den Organisatoren gewünscht hätte.

– Johannes Heinsohn

Wednesday (Netflix, Staffel 1)

Foto: Netflix, Jenna Ortega ist durch "Wednesday" zum Shooting-Star des Jahres geworden.

Inzwischen kriege ich fast eine Allergie, wenn ich die Wörter "Reboot" und "Remake" höre. Manche Filme oder Serien, die ich als Kind geliebt habe, wurden so schlecht neu verfilmt oder fortgesetzt, dass ich nie wieder etwas von "Neuauflage" hören will. So erging es mir auch damals, als ich von der Netflix-Serie "Wednesday" hörte. Ich bin mit den "Addams Family"-Filmen aufgewachsen und hatte ein mulmiges Gefühl – nur die Tatsache, dass Tim Burton die Serie produzieren und Regie führen würde, ließ mich hoffen.

Und tatsächlich: "Wednesday" ist überraschend gut geworden! In einer Zeit, in der man nur politisch korrekte Witze machen darf, hat Wednesday Addams trotzdem ihren makaberen Humor behalten. Es war meine größte Befürchtung, dass man die Figur irgendwie "anpassen" würde - zum Glück ist das aber zumindest in der ersten Staffel nicht passiert. 

"Wednesday" ist eine Serie für Teenager, die sich bestimmt zu einem großen Teil in Wednesday Addams (grandios: Jenna Ortega) wiederfinden. Gleichzeitig ist das aber auch ein Krimi, so dass man die Serie auch als Erwachsener gern schaut. Nostalgie, Mystery, dunkler Humor und genau die richtige Dosis Romantik - was will man mehr?

– Beatrice Predan-Hallabrin

Safe (ZDFneo, Staffel 1)

Foto: ZDF/Julia von Vietinghoff, "SAFE - Episode 3": Tom (Carlo Ljubek) und (Valentin Oppermann, r.).

Mich hat eine ZDFneo-Produktion besonders berührt: "Safe", die erste Dramaserie von Oscar-Preisträgerin Caroline Link. Auch wenn sie von psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen und deren Therapie handelt, so fesseln die acht Episoden – auch ohne effekthascherische Dramatik. Link schafft es, dass die Zuschauer buchstäblich hineingezogen werden in diesen Prozess des sich langsam Annäherns, des sich Öffnens der Kinder. 

Da ist etwa Sam, bei dem die Berliner Psychotherapeuten Katinka (Judith Bohle) und Tom (Carlo Ljubek) eine Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungen diagnostiziert haben. "Soll ich heulen?", so Sam auf Toms Frage, ob es nicht anstrengen würde, immer tough zu sein, "mir ist wütend sein lieber." "Du bist lieber wütend als traurig?" "Allerdings, meine Mutter war immer traurig, mein Vater war immer wütend, tot sind sie beide."

Mit dem Tod seines Vaters muss sich auch der hypersensible Jonas auseinandersetzen. Zum Ende der Therapie kann er wieder Kind sein, wie die anderen Kinder, die hier behandelt werden, das Trauma aushalten. Oder wie Tom Sam erklärt: "[Trauer] ist wie ein Schorf, der sich auf eine Wunde setzt, daraus wird irgendwann eine Narbe. Aber man kann ganz gut mit ihr leben."

– Ina Milert

Slow Horses (Apple TV+, Staffel 1-2)

Foto: Apple TV+, "Slow Horses" bei Apple TV+ hat in einem Jahr gleich zwei Staffeln veröffentlicht.

"Slow Horses" ist eine Agentenserie. Wer aber Apple TV+ einschaltet und die TV-Version von James Bond und Jason Bourne erwartet, ist am falschen Ort. Bei den "Slow Horses" handelt es sich um die unfähigsten oder unbequemsten Agenten des britischen Geheimdienstes, die man zwar nicht feuern, aber sich immerhin aus den Augen schaffen kann. Sie hocken in einem kleinen dreckigen Büro, machen langweiligen Papierkram und ihren Anführer, den widerlich-ungewaschenen, furzenden, reaktionären Proleten Jackson Lamb (sensationell wie nie zuvor: Gary Oldman) erkennt man von Weitem am Gestank der Instantnudelsuppe, die er sich stündlich reinpfeift.

So hocken die lahmen Gäule, unter ihnen noch der ambitionierte River Cartwright (Jack Lowden), chancenlos vor sich hin, und warten doch auf ihre Chance. Die kommt natürlich – gleich zweimal, denn Apple TV+ hat 2022 schon zwei Staffeln à 6 Folgen dieser brillanten Serie (nach Romanvorlagen von Mick Herron) veröffentlicht. In Staffel 1 wird ein pakistanischer Student von rechtsradikalen Terroristen entführt und live im Internet enthauptet. In Staffel 2 droht ein russisches Schläfernetzwerk aus dem Kalten Krieg, Großbritannien gefährlich zu werden.

Die Geheimdienste als bürokratischer Höllenkreis, Paranoia-Traumata aus der Zeit des Eisernen Vorhangs und faschistoide Kleinbürgerlichkeit, wohin das Auge reicht. Will man das Großbritannien der Post-Brexit-Ära verstehen, muss man "Slow Horses" ansehen.

– Michael Hille