.

Tote Mädchen lügen nicht: Warum die 2. Staffel vieles schuldig bleibt

Tote Mädchen lügen nicht: Warum die 2. Staffel vieles schuldig bleibt
Bryce Walker (Justin Prentice) spielt in der 2. Staffel eine entscheidende Rolle Sender

Die zweite Staffel "Tote Mädchen lügen nicht" ist ab sofort auf Netflix verfügbar. Behält die kontrovers besprochene Suizid-Serie das hohe Niveau der ersten 13 Folgen bei? Oder läutet die Fortsetzung einen Qualitätsabfall ein? Zwei Kritiker, zwei Meinungen.

Die zweite Staffel setzt 5 Monate nach dem Ende der ersten ein. Clay versucht Hannah zu vergessen und ist in einer Beziehung mit Skye, Jessica versucht ihre Vergewaltigung durch Schulstar Bryce Walker zu verarbeiten und Alex will nach seinem fehlgeschlagenen Suizid ins Leben zurückfinden. Doch die anstehende Verhandlung der Klage von Hannahs Eltern gegen die Schule reißt die alten Wunden wieder auf. Mit den Zeugenaussagen als erzählerischem Rahmen arbeitet die Verhandlung Hannahs Vorwürfe auf und lässt sie in neuem Licht erscheinen. Währenddessen versucht Clay gleich zwei Mysterien zu lösen: Wer versucht die Schüler vor ihren Zeugenaussagen mit Botschaften und Bedrohungen einzuschüchtern? Und wer wirft ihm Polaroids von anderen Mädchen, die Bryce Walker vergewaltigt haben soll, in den Spind?
Podcast-Recap: Kritik, Einordnung und Interviews mit den Stars

Kontra: Darum ist Staffel 2 misslungen

Die 13 Folgen sind nicht nur als Staffel enttäuschend, sie beschädigen auch retrospektiv die erste Staffel. Weil viele Aussagen von Hannah im Nachhinein angezweifelt werden, bekommt die erste Staffel einen ganz neuen Ton und der Zuschauer sieht Hannah mit anderen Augen. Dass die Serie sie als Vision von Clay zurückbringt, ist eine der schockierendsten Serien-Entscheidungen der letzten Jahre. Wenn Clay als Visualisierung eines inneren Monologs mit Hannah redet und auch noch Ratschläge erhält, wirkt es fast als sei sie noch am Leben. Ein fatales Signal.

Das Schlimmste ist jedoch, wie die Autoren um Showrunner Brian Yorkey die Geschichte von Tyler weiterführen. Am Ende der ersten Staffel wurde angedeutet, das Mobbingopfer könnte einen Amoklauf an der Schule machen. Statt Tylers Trauma aufzuarbeiten wie man es in der ersten Staffel mit Hannahs getan hat, macht sich die Staffel regelrecht einen Spaß daraus mit einem möglichen Amoklauf zu spielen. Verschiedene Schüler werden als potenzielle Amokläufer aufgebaut und immer wieder deutet die Serie an, es könne jetzt so weit sein. Das Thema ist zu ernst für so eine verantwortungslose Art der Darstellung, man stelle sich einmal vor, die erste Staffel hätte in jeder zweiten Folge einen möglichen Suizid angedeutet. Es ist schade, dass solche großen Fehltritte das große Potenzial der Staffel zerstören. Denn wenn man sieht, wie minutiös und ehrlich die Serie die Traumaverarbeitung von Vergewaltigungsopfer Jessica und den Suizid-Überlebenden Alex behandelt, erkennt man was die zweite Staffel hätte leisten können.

Serienredakteur: Rüdiger Meyer

Pro: Darum lohnt sich auch die Fortsetzung

So verfehlt man einige Entscheidungen der Serienmacher finden kann: In Momenten gelingen auch der zweiten Staffel Aussagen zu sexueller Gewalt, Mobbing und genereller existenzieller Verzweiflung, die man so prägnant und glaubwürdig in kaum einer anderen Serie findet. Der Binge-Faktor ist nach wie vor hoch, denn letztlich verbringt man einfach gern Zeit mit Clay und den anderen "anständigen" Figuren, denen man endlich einmal Seelenfrieden und Harmonie wünscht.

Filmredakteur: Roland Kruse