UPDATE

Netflix hat bekannt gegeben, dass die Erfolgsserie "Sex Education" eine zweite Staffel erhält. Die wird voraussichtlich 2020 beim Streamingdienst zu sehen sein.

Der Plot von Netflix neuer Sitcom klingt ja eigentlich nach plattestem Pennälerhumor: Der britische Teenager Otis (Asa Butterfield, "Hugo Cabret") leidet darunter, dass seine Mutter Jean (Gillian Anderson) von Beruf Sextherapeutin und auch privat sexuell sehr aktiv ist. Zwar hat er selbst so viele Komplexe, dass er nicht einmal onanieren kann, dennoch hat Otis das Wissen seiner Mutter absorbiert und ist in Sexdingen deutlich aufgeklärter als der Rest der Schule. Als seine chronisch abgebrannte Klassenkameradin Maeve (Newcomerin Emma Mackey) davon erfährt, schlägt sie Otis vor, die Mitschüler bei sexuellen Problemen zu beraten – gegen Bares.

Auch wenn sie viel zu alt sind, um als Oberschüler durchzugehen, erweisen sich Butterfield und Mackey mit ihrem entwaffnenden Charme als Idealbesetzung. Ebenso "Akte X"-Diva Gillian Anderson, deren kühle "Scully"-Attitüde sich perfekt mit trockenem britischen Humor verträgt. Ein weiterer Coup: Der bisexuelle Aternativ-Rock-Irrwisch Ezra Furman steuerte neue und alte Songs bei und tritt mit Kollegen sogar als Schulband auf. Das passt wunderbar, weil Furman eh gern über Körperwahrnehmung und sexuelle Freiheit singt.

Witzige Comedy mit ernsten Tönen

"Sex Education" beginnt mit einer Aneinanderreihung flacher, aber irre witziger Sexgags. Doch das ist ironischerweise das Subversive an der Sitcom der bislang völlig unbekannten Britin Laurie Nunn. Während sich das (gerade auch jugendliche) Publikum über die Zotenparade beömmelt, jubelt ihm die Serie Gesellschaftskritik unter. Ein Kernthema ist die mangelnde Aufklärung von Jugendlichen – so ist die titelgebende "Sex Education" in Großbritannien erst ab September 2020 Pflicht.

Die Serie thematisiert ernsthaft Abtreibung, Body Shaming und Schwulenhass. Eine Folge über Sexmobbing per Whatsapp-Gruppe kulminiert in einer genialen, befreienden "Spartacus"-Anspielung. Und apropos Internet: "Sex Education" erklärt wunderbar, dass die "Generation Internetporno" bei Sex und Liebe oft ähnlich ahnunglos agiert wie ihre Eltern.

Boykottaufrufe in den USA?

Zuschauer jenseits der 30 werden sich oft an die einflussreichen Achtziger-Komödien des US-Regisseurs John Hughes erinnert fühlen. Die typischen Motive werden hier aus der Vorstadt von Chicago nach Wales verlegt. Alle Hughes-Elemente sind da: Klassenunterschiede, Tomboys, Geeks, knackige Sprüche, coole Musik und natürlich der Schulball, der über Schicksale entscheidet. Aber während Filme wie "Breakfast Club", "Pretty in Pink" oder "Ferris macht blau" bestenfalls unterschwellig sexy waren, geht "Sex Education" das Titelthema frontal an.

Bleibt die Frage, wie viele Boykottaufrufe Netflix in den USA wegen einiger kurz gezeigter Genitalien bekommt. Vom Porno ist das, was Laurie Nunn hier abliefert, jedenfalls weit entfernt. Das Gegenteil von Pornografie ist nämlich nicht Prüderie, sondern eine Erzählhaltung, die Figuren auch beim Sex facettenreich und liebevoll zeichnet – so wie "Sex Education".

Die Netflix Original Serie ist seit dem 11. Januar 2019 auf dem Streamingdienst verfügbar.