Ben (Kostja Ullmann) ist Mitte 30 und schlägt sich mit einem Job als Uber-Fahrer durch. Dabei ist er nicht nur Taxifahrer, sondern auch Therapeut für die verschiedenen Gäste, die in sein Auto steigen. Mal äußerst komisch, mal tieftraurig: Mit "Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers" gelingt dem Streamingdienst Joyn eine kurzweilige Dramedy-Serie, die von Kostja Ullmanns unaufgeregtem Spiel und den zahlreichen Co-Stars (Edin Hasanovic, Susanne Wolff, Fahri Yardim u.a.) getragen wird. Die erste Staffel mit sechs Folgen startet am 28. Mai auf Joyn. Wir haben - ganz Coronakonform - mit Hauptdarsteller Kostja Ullmann ("Verfolgt", "Coming In", "Mein Blind Date mit dem Lebem" u.a.)  telefoniert und mit ihm über die Arbeiten an der Serie und seine persönlichen Erlebnisse als Autofahrer gesprochen.

So wurden die Autofahr-Szenen gedreht

TVSPIELFILM.de: Was hat dich an der Rolle des Uber-Fahrers Ben gereizt?

Kostja Ullmann: Ben ist nicht nur ein Uber-Fahrer, sondern auch eine Art Therapeut. Alle paar Minuten hat er einen neuen Fahrgast auf der Rückbank und wird mit den unterschiedlichsten Problemen und Geschichten konfrontiert. Das fand ich natürlich sehr spannend. Wir alle kennen das: Wenn man in einem Taxi oder einem Uber sitzt, öffnet man sich viel schneller als es normalerweise gegenüber einer komplett fremden Person der Fall wäre. Da es ein Original aus Australien gab, konnte ich mir vorab schon anschauen, wie tief man in diese Geschichten eintaucht.

Bist du denn selber auch so ein Schnacker, der mit Fahrern ins Gespräch kommt oder möchtest du lieber deine Ruhe haben?

Ich sitze gerne hinten und habe meine Ruhe. Wenn ich in Schnacklaune bin, möchte ich lieber mehr über die Fahrer erfahren. Das finde ich spannend.

Wie habt ihr die Dreharbeiten im Auto gestaltet?

Am Anfang haben wir über verschiedene Möglichkeiten diskutiert: im Studio vor dem Green Screen drehen, selber fahren oder den Wagen auf einen Anhänger stellen und damit durch die Stadt fahren. Wir haben uns für eine Mischung aus letzteren beiden Optionen entschieden. Ich bin wahnsinnig viel selber gefahren. Als wir dann auf dem Trailer waren, konnte ich mich noch ein bisschen mehr aufs Spielen konzentrieren. So hat es gut funktioniert.

Beim selber Fahren musst du ständig auf den Verkehr achten. Ist das nicht schwieriger?

Es ist beides gleich schwer, aber anders. Beim selber Fahren muss ich auf den Verkehr achten. Beim Schieben lassen musste ich es aber nach einem Verkehr aussehen lassen, diese spezielle Konzentration also auch spielen: Ich habe das Lenkrad bewegt, den Blinker gesetzt und so weiter. Wir haben im Vorfeld Kamerasets gemacht und Proben im Auto gehabt, um auch ein Gefühl dafür zu bekommen, was es bedeutet die ganze Zeit auf so kleinem Raum zu drehen und zu agieren. Wir haben schnell gemerkt, dass es funktioniert.

Dann hat es dir aber in die Karten gespielt, dass es in Hamburg gedreht wurde oder? Deine Stadt kennst du ja.

Ja, es war tatsächlich hilfreich. Wir hatten feste Strecken, die hat man mir im Vorfeld genannt und dann wusste ich sofort, wo ich langfahren muss.

Warum die Tonalität an "jerks." erinnert

Joyn/ Christoph Köstlin

Privat ist Kostja Ullmann mittlerweile auf einen Elektrowagen umgestiegen.

Die Serie ist ja keine reine Comedy, sondern hat auch viele tiefgründige und dramatische Elemente. Welche Geschichte hat dich besonders berührt?

Das Schöne an der Serie ist, dass wir einen Querschnitt der Gesellschaft zeigen und eine Mischung aus verschiedenen Elementen haben. Es ist so bunt wie das wahre Leben. Ich bin ein Freund davon, wenn eine wahnsinnig lustige Begegnung im nächsten Moment eine tragisch traurige Wendung bekommt. Gerade die Geschichte, die ich mit Susanne Wolff gespielt habe, fand ich wahnsinnig berührend. Sie spielt eine krebskranke Frau, die mit diesem Wissen in ein Uber steigt und versucht, mit dieser Situation irgendwie umzugehen. Ben spürt, dass da was ist und will mit ihr kommunizieren.

Würdest du sagen, dass Ben ein guter Therapeut ist?

Er versucht zumindest, ein guter Therapeut zu sein (lacht). Er macht einen guten Job. Ben hat aber auch genügend eigene Probleme zu bewältigen. Anhand der Geschichten der anderen denkt er auch über sein eigenes Leben nach und ordnet seine Probleme neu ein.

Fahri Yardım produziert die Serie mit und hat auch einen Gastauftritt, bei dem er sich selber spielt. Spielen "jerks." und "Aus dem Tagebuch …" im gleichen Universum? Die Tonalität erinnert in einigen Zügen schon etwas daran.

Da beide Serien bei JOYN zu sehen sind, wäre das natürlich gut (lacht). Aber nein, auch wenn es ein schönes Kompliment ist, sie spielen in unterschiedlichen Universen. "jerks." ist sehr viel improvisierter. Wir haben zwar auch relativ frei spielen können, hatten aber immer ein festes Skript. Die Tonalität ist sehr dicht an der Realität – das war uns sehr wichtig und erinnert damit eventuell an "jerks.".

In deiner Serie gibt's ähnlich wie bei "jerks." auch viele Gastauftritte von bekannten Schauspielern. Wer war denn als Beifahrer am anstrengendsten?

Der Hund, ganz klar! (lacht) Ich weiß nicht, ob er das falsche Futter hatte, aber der Geruch im kleinen Auto war den ganzen Tag lang sehr unangenehm. Hinzu kam außerdem, dass ich an dem Tag meine einzige Gesangsszene hatte. Ich bin kein großer Fan vom Singen, zumindest wenn ich selber singe (lacht). Das war ein sehr anstrengender Drehtag für mich.

Ullmann zur Corona-Pause: "Ich will unbedingt wieder arbeiten"

Wie tickst du denn als Beifahrer?

Es kommt immer darauf an bei wem ich mitfahre. An sich bin ich ein sehr entspannter Beifahrer und niemand, der jemandem reinquatscht oder die Musik ständig ändert. 

Fährst du generell viel Auto?

Ja, ich fahre relativ viel Auto, mittlerweile einen Elektrowagen. Daran habe ich viel Spaß. Wenn ich bei einem schönen Abendessen einen Wein trinke, steige ich danach aber natürlich ins Uber oder Taxi.

Was für ein Autofahrtyp bist du?

Früher bin ich rasant gefahren und habe mich darüber aufgeregt, wenn Leute zu langsam unterwegs waren. Das hat sich nach meinem Aufenthalt in Australien und Neuseeland aber geändert. Gerade in Neuseeland habe ich gemerkt, wie entspannt die Menschen da sind. Wenn jemand langsam fährt, wird nicht gehupt, sondern es wird schon seinen Grund haben und dann wird das akzeptiert. Das habe ich verinnerlicht und gemerkt, dass es sich nicht lohnt, diese negative Energie mitzunehmen und bin seitdem viel entspannter. Ich bin jetzt ein sehr relaxter Autofahrer, auch wenn ich es mag aufs Gaspedal zu treten.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf deine beruflichen Projekte und Perspektiven?

In der Medienbranche ist gerade sehr viel stillgelegt, verschoben oder abgesagt. Ich hatte das Glück, dass ich mir den Anfang des Jahres freigenommen hatte und in Australien und Neuseeland reisen war. Als ich zurückgekommen bin, ging es mit den Änderungen los. Es war geplant, dass ich im Mai wieder drehe, das wurde dann erst in den Juni, dann in den Juli verschoben. Jetzt muss ich abwarten, ob es dabei bleibt. Natürlich hoffe ich auf das Beste, weil ich ja auch unbedingt wieder arbeiten will. Ich rede auch mit Kollegen und es ist keine leichte Zeit, weil dieser Job sowieso keine Sicherheit bietet. Man weiß nie, wie es weitergeht. Ich bin mir aber bewusst, dass ich in einer privilegierten Lage bin und kann die Zeit, die ich jetzt habe, auch genießen.

Hast du denn schon ein Corona-Hobby entwickelt?

Ich habe tatsächlich, wie so viele andere auch, das Kochen für mich entdeckt (lacht). Da ich als Schauspieler so viel unterwegs bin, habe ich fast immer nur Lebensmittel für einen Tag eingekauft. Jetzt kann ich richtig einkaufen und habe plötzlich den Kühlschrank voll. Diese riesige Auswahl ist großartig! Für andere ist das vermutlich selbstverständlich und total normal, aber für mich ein großer Fortschritt (lacht).

Wie nimmst du die Stimmung im Land gerade wahr? Durch die Einführung der Maskenpflicht ist es ja auch ein anderes Miteinander geworden.

Das stimmt, ich kenne das durch einen Aufenthalt in Japan bereits. Dort sind Masken selbstverständlich und normal. Ich finde es gut, da ich auch im engen Familienkreis Risikopatienten habe. Auch wenn ich eine Erkältung habe, passe ich auf und achte auf meine Mitmenschen. Wenn wir das daraus mitnehmen können, würde ich es toll finden. Aber ich kann natürlich verstehen, dass es für viele erstmal befremdlich ist. Für die Psyche ist es ja auch sehr schwierig so lange auf soziale Kontakte zu verzichten. Wenn ich mir die ganzen Demos ansehe, reagieren da manche Menschen offenbar über. Menschen brauchen immer etwas, woran sie sich festhalten können und wenn sie das bei so einer unsicheren Situation nicht haben, fühlen sie sich alleine gelassen. Es ist insgesamt eine schwierige Lage.