Als Netflix am 7. Januar ­ankündigte, dass "Fight Club"-Macher David ­Fincher und "Deadpool"- Regisseur Tim Miller eine An­tho­lo­gie garantiert nicht kindgerechter Trickfilme kuratieren würden, waren Sci-Fi- und Cartoon-Fans weltweit aus dem Häuschen. Nerd-Websites orakelten, die ­Serie könnte die gewagte Philosophie von "Black Mirror" oder die ­subversive Fantasie von "Rick and Morty" in den Schatten stellen, beides moderne Satire- und Sci-Fi-Klassiker.

"Ich freue mich so wahnsinnig, dass Animation für Erwachsene endlich Teil eines größeren kulturellen Diskurses ist", jubilierte Miller prompt.

Sex, Gewalt und Satire auf Netflix

Seit dem 15. März ist Millers und Finchers Baby "Love, Death & ­Robots" auf Netflix zu besich­tigen, und als wichtigen Beitrag zum kulturellen Diskurs kann man die meisten der 18 Kurzfilme ­leider kaum bezeichnen. Zwar ver­spottet "Als der Yoghurt die Kontrolle übernahm" (Folge 6) im digitalen ­Puppentricklook den desolaten Zustand der politischen Eliten. "Alternative Zeitachsen" (17) lässt in Legetrick-Optik den jungen Hitler sterben, um dann zunehmend verrückte Zukunftsszenarien durchzuspielen. Und das Zeichentrickmärchen "Gute Jagdgründe" (8) verquickt chinesische Mythen mit Steampunk, um ebenso brutal wie poetisch Kolonialismus und Sexismus ­anzuprangern. Viele Beiträge ­erzählen allerdings nur – wenn auch in beeindruckend realistischen Computerbildern – altbekannte Storys um Alienkäfer und andere Monster, häufig gewürzt mit Gemetzel und Sex.

Wer wie Tim Miller in der "Randkultur der Geeks und Nerds" zu Hause ist, den dürfte hier vieles an die Diskussion um Comics für Erwachsene erinnern. Als dieses Label um 1970 aufkam, waren damit visuell und erzählerisch anspruchsvolle Geschichten gemeint. Die Verächter, aber auch viele Fans der gezeichneten Lit­e­ratur verstanden darunter jedoch vor allem Brüste und Blut. Beides, freilich ergänzt um psychedelische Atmo und skurrilen Humor, fand sich zum Beispiel in dem ab 1977 erscheinenden US-Comic­magazin "Heavy Metal".

Love, Death & Robots: Eine schwere Geburt

Bekannter als das Magazin sind heute die von ihm inspi­rierten ­Kino­trickfilme "Heavy Metal" (1981) und "Heavy Metal: F.A.K.K.²" (2000). Hier liegen die Wurzeln von "Love, ­Death & Robots": 2008 plante David Fincher ­einen dritten "Heavy Metal"-Film mit acht oder neun Einzelepi­soden. Eine davon sollte er selbst inszenieren, eine weitere Tim ­Miller, damals eher als Effekt­experte bekannt. Auch James Cameron ("Avatar"), Gore Verbinski ("Fluch der Karibik") und Zack Snyder ("300") waren an Bord, dennoch verlief die Sache im Sand. 2012 ­arbeiteten Fincher und Miller an einer Verfilmung der Comic­serie "The Goon", einer exzentrischen Persiflage auf Horror-, Noir- und Gangsterfilme. Da die Finanzierung scheiterte, gelangte das Projekt nie über einen amüsanten Teaser hinaus.

Auftritt Netflix. Weil der Streamingdienst Kreative derzeit mit Geld bewirft, kam nun doch ein Trickfilmprojekt von Fincher und Miller zustande. Vieles daran erinnert an "Heavy Metal", obwohl die meisten Episoden auf Storys bekannter Buchautoren beruhen, etwa des Sci-Fi-Stars John Scalzi oder des Neo-Pulp-­Gurus Joe R. Lansdale. Miller selbst inszenierte eine der 18 Geschichten: Sein Real-­Trickfilm-Mix "Eiszeit", über eine Minizivilisation im Eisfach, ist perfekt getrickst, aber hohl. ­Neben ihm tobten sich Ani­ma­tionsprofis u. a. aus den USA, Russland, Spanien, Frankreich und Korea aus - hier stellen wir alle Episoden einzeln vor. Fincher fungierte nur als Produzent und hielt sich mit warmen Worten über "Love, Death & Robots" bislang zurück. Ein Schelm, wer ­Böses dabei denkt.

Die fünf besten Folgen aus dem wilden Genre-Mix

In einer ausführlichen Podcast-Kritik widmen wir uns der von David Fincher (Sieben") und Tim Miller ("Deadpool") produzierten Kurzfilmanthologie "Love,Death & Robots". Die Netflix-Serie will Trickfilme für Erwachsene bieten aber wird sie dem Vorab-Hype im Netz gerecht? Nur bedingt, finden die Redakteure Sowa und Kruse, die in einem Nerd-Marathon alle 18 Folgen besprechen. (Mini-Spoilerwarnung: Wir verraten keine Pointen, sprechen aber über den Inhalt der Kurzfilme - so wie Netflix in den Folgenbeschreibungen.) Thema sind: - Hintergründe und Entstehung der Serie (01:17) - die Top-Five-Folgen der Redakteure (11:30) - die Flop-Folgen (01:00:00) - und der Rest vom Schützenfest (01:00:59) Musik: "Please listen carefully" von Jahzzar (CC-BY 3.0)



Lohnenswert sind in erster Linie folgende Episoden:
1) Folge 6: "Als der Joghurt die Kontrolle übernahm"
2) Folge 11: "Helfende Hand"
3) Folge 2: "Drei Roboter"
4) Folge 8: "Gute Jagdgründe"
5) Folge 17: "Alternative Zeitachsen"

Die Showrunner von "Love, Death & Robots"

David Fincher
Den Namen des 1962 geborenen Regisseurs verbindet man mit Thrillern ("Sieben"), Satiren ("Fight Club") oder einem Mic aus beiden ("Gone Girl"). Dass Fincher nun eine Serie mit animierten Fantasy- und Sci-Fi-Kurzfilmen aus der Taufe hebt, mag überraschen. Allerdings debütierte er als Kinoregisseur 1992 mit dem Sci-Fi-Horror "Alien 3". Zuvor arbeitete er an den Effekten in "Die Rückkehr der Jediritter" und am Trickfilm "Twice Upon a Time" mit und drehte aufwendige Spots, u. a. für Nike.

Tim Miller
Mit dem ersten Film über den schandmäuligen Marvel-Superhelden Deadpool gelng Tim Miller 2016 ein Überraschungs-Megahit. Von Haus aus ist Miller Trickfilmer. 1995 gründete er die Computeranimationsschmiede Blur Studios. Dort entstanden der 2005 Oscar-nominierte Kurzfilm "Gopher Broke", der furiose Fetisch-Vorspann zu David Finchers "Verblendung" und legendäre Trailer zuVideogames wie "Star Wars: The Old Republic". Derzeit arbeitet Miller am neuen "Terminator"-Film.