Um es kurz zu machen: Nein, der Netflix-Film "Verónica" ist definitiv nicht der gruseligste Film aller Zeiten, auch wenn das im Netz derzeit vielerorts behauptet wird. Allein bei Netflix finden sich weitaus unheimlichere Titel mit ähnlicher Thematik, darunter "Insidious", "Under the Shadow" oder der Klassiker "Der Exorzist".

Die Hype-Maschine läuft gut für den Streaming-Giganten, speziell im Horrorsegment. Beim "Cloverfield Experiment" fachte Netflix die - wie sich zeigte: verfehlte - Vorfreude kürzlich noch mit Überraschungsreklame während des "Super Bowl" an. Bei "Verónica" übernehmen den Jubeljob nun Horror-unerfahrene Kids und müde Journalisten, die deren Tweets nachbeten. Wer das Gekreische des YouTubers PewDiePie bei Horrorgames immer schon wahnsinnig unterhaltsam fand, kann diese Hysterie bei "Veroncia" dank unzähliger Schockmomente prima nachspielen.

Altbekannte Geisterbahneffekte

"Verónica" ist die zweite Soloregie des Spaniers Paco Plaza, der zuvor mit Jaume Balagueró die Zombieklassiker "[REC]" und "[REC 2]" drehte, mit Teil 3 dann aber auch den schwächsten der bislang vier Teile. Sein neuer Grusler folgt lose dem Fall der jungen Madrilenin Estefania Gutierrez Lazaro, die 1991 in ihrer Schule über ein Ouija-Brett Kontakt zum Jenseits suchte, danach monatelang an Krämpfen und Halluzinationen litt und schließlich verstarb. Später rief ihre Familie die Polizei, weil in der Wohnung angleblich Türen wie von Geisterhand auf und zu gingen, Schleim aus den Wänden troff und ein hölzerner Christus von der Wand fiel.

Plaza verkürzt das Geschehen auf drei Tage und macht aus Estefania die Titelfigur Verónica (sensibel gespielt von Sandra Escacena). Die 15-Jährige kümmert sich um zwei kleine Schwestern und ein Brüderchen, derweil ihre verwitwete Mutter in einer Kneipe schuftet. Als Verónica während einer (fiktiven) Sonnenfinsternis im Juni 1991 versucht, im Schulkeller bei einer Séance mit Mitschülerinnen den toten Vater herbeizurufen, lockt sie eine dunkle Präsenz herbei.

So altbekannt wie dieser Einstieg ist auch das Gruselinferno, das nun über Verónica und ihre Geschwister hereinbricht: Türen klappern, Kruzifixe wackeln, dunkle Krallenhände wachsen aus Matratzen und grabschen nach Opfern. Plaza bemüht das abgenudelte Es-war-nur-ein-Traum"-Motiv so oft, dass einem irgendwann egal ist, was hier Einbildung der Figuren und was horrible Film-Realität sein soll. Dabei gelingen ihm durchaus Gänsehautmomente, meist in eher ruhigen Szenen. Doch schon geht wieder ein Papier fauchend in Flammen auf, beginnt unvermittelt ein Fernseher zu plärren. Das ständige Spektakel lenkt von den guten Ideen ab. So zeigt Plaza das Geschehen oft durch Spiegel, was andeutet, dass der Horror vielleicht aus der pubertierenden, mit der Sorge um die kleinen Geschwister überlasteten Heldin selbst kommt. Am Ende hat man aber alles hier schon einmal besser gesehen - in den eingangs genannten Filmen wie auch in "The Last Exorcism", "Oculus" oder dem von Plaza co-inszenierten "[REC 2]".