Seit einer gefühlten Ewigkeit warten Fans auf den wohl letzten "James Bond"-Film mit Daniel Craig in der Hauptrolle. Nach mehreren Corona-bedingten Verzögerungen könnte es am 30. September 2021 vielleicht endlich klappen mit "Keine Zeit zu sterben". Bis dahin muss man sich die Wartezeit anders vertreiben: Zum Beispiel mit den alten Bonds. Und wer in denen lange genug sucht, stößt immer noch auf die eine oder andere Neuigkeit.
Als 1999 "Die Welt ist nicht genug" erschien, war es der dritte Bond-Einsatz für Pierce Brosnan, und der letzte Film der Reihe vor der Jahrtausendwende. Für die Bond-Produzenten war "Die Welt ist nicht genug" ein voller Erfolg: Die Kritiken waren lobend, an der Kasse klingelte es. Mit seinem ungewohnt komplexen und politischen Plot, in dem James Bond auch emotional schwer verwundet wird, lässt sich der Actionfilm heute als direkter Wegbereiter der Daniel-Craig-Ära einordnen.
Ein besonders hervorragender Moment des Films wird aber gerne übersehen – vermutlich weil man, um ihn ganz zu verstehen, eine spezielle Dialogzeile aus "GoldenEye" erinnern muss.
Ein russischer Mitstreiter für James Bond
In "Die Welt ist nicht genug" trifft 007 erneut auf den humpelnden, russischen Gangsterboss Valentin Dmitrovich Zukovsky, der schon vier Jahre zuvor in Brosnans erstem Bond "GoldenEye" auftauchte. Während er in "GoldenEye" noch in dutzende illegale Geschäfte verwickelt gewesen ist, präsentiert er sich in "Die Welt ist nicht genug" gegenüber 007 als ehrbarer Geschäftsmann, der mit einer Kaviarfabrik den Weg in die Legalität gefunden hat.
007 und Zukovsky arbeiten kurzzeitig zusammen, um Elektra King zu stoppen, die junge Erbin eines Erdöl-Magnaten, die mit einem Bombenanschlag auf Istanbul ihr Imperium bereichern will. Als Bond im dramatischen Finale des Films im Jungfrauenturm von Elektra gefangen genommen und auf einen mittelalterlichen Folterstuhl geschnallt wird, stürmt Zukovsky bewaffnet den Raum. Durch eine Unaufmerksamkeit gelingt es Elektra jedoch, auf den charismatischen Russen zu schießen, er sackt tot zusammen.
Poetische Gerechtigkeit: Die versteckte Waffe
Ehe er verstirbt, richtet sich Zukovsky nochmal auf und enthüllt, dass sich eine Schusswaffe in seinem Gehstock verbirgt. Mit einem gezielten Treffer öffnet er die Fessel von 007, der so die Jagd nach Elektra wieder aufnehmen kann. Ein nobles Ende für den polternden Charakter, der vom schottischen Filmstar Robbie Coltrane hervorragend gespielt wurde. Doch sein Abgang, der zu den besten Momenten der Bond-Reihe gehört, beinhaltet eine gewisse Ironie: Wer in "GoldenEye" aufgepasst hat, kommt hier in den Genuss einer zusätzlichen Bedeutung.
In "GoldenEye" enthüllt Bond seinem CIA-Kollegen Jack Wade nämlich, dass er einst gegen Zukovsky ermittelte, ihm die Freundin ausspannte und ihm eine Kugel ins Knie schoß. Erst diese Verletzung war dafür verantwortlich, dass Zukovsky sich fortan mit einem Gehstock fortbewegen musste. Bedeutet für "Die Welt ist nicht genug": Hätte Bond damals Zukovsky getötet oder einfach entkommen lassen, hätte dieser ihm viele Jahre später nicht das Leben retten können.
Diese coole Form von poetischer Gerechtigkeit dürfte den meisten Zuschauern glatt entgangen sein. Kein Wunder: Zwischen den beiden Auftritten von Zukovsky liegen vier Jahre, und die Knie-Geschichte wird in "Die Welt ist nicht genug" nicht mehr erwähnt. Wem es jedoch auffällt, der freut sich über die zusätzliche Tiefe in der Beziehung zwischen 007 und einem seiner wohl auffälligsten Verbündeten.