"We don't call it Detroit, we call it Amityville": Um ihre Heimatstadt angemessen zu beschreiben fiel den Detroiter Rappern D12 um Superstar Eminem auf ihrem Album "Devils Night" (2001) nur der Gruselfilm "Amityville Horror" als Metapher ein. Damit nahmen D12 einen aktuellen Trend des Horrorkinos vorweg. Ob "Only Lovers Left Alive" (2013), "It Follows" (2015) oder "Don't Breathe" (2016): auffällig viele Horrorfilme der letzten Jahre spielen in Detroit.

Aber warum gerade Detroit? Was macht die einst so stolze Autostadt im Staate Michigan zur perfekten Kulisse für Horrorfilme? Ganz einfach: Weil Detroit zu einer Geisterstadt geworden ist.

Bis in die 1960er-Jahre war Detroit keine Grusel-, sondern eine Erfolgsgeschichte. Hier sorgten die "Big Three" für Wohlstand: Ford, General Motors und Chrysler. Aber während immer mehr Weiße in die ruhigen Vororte zogen, blieben Schwarze in der rauen Innenstadt zurück. Zwischen den beiden Welten - Schwarz-Weiß, Arm-Reich - verläuft die 8 Mile Road, die dem quasi-autobiografischen Film mit Eminem seinen Namen gab und vor deren Über schreitung weiße Eltern ihre Kinder warnten.

Ab den 80ern setzten sparsamere Vehikel aus Japan den US-Autobauern zu. Detroit schrumpfte von fast zwei Millionen auf 700 000 Einwohner. 2013 erklärte die Stadt, die zu den US-Städten mit der höchsten Kriminalitätsrate gehört, ihren Bankrott. Fabriken wurden zu Ruinen in denen sich jetzt die Geister der Vergangenheit einnisten, viele Häuser sind unbewohnt, die Natur erobert die Gebäude zurück.

It Follows (2015)

"Dieses Ding, das wird dir folgen", verrät Hugh seiner Freundin, "jemand hat es mir angehängt, und ich habe es auf dich übertragen." Dann wirft er die verstörte Jay (Maika Monroe) aus dem Auto und haut ab. Seither rätseln Horrorfans, was denn dieses "Ding" nun eigentlich sei, jenes "It" im Überraschungserfolg "It Follows". Klar ist nur: Jay wird fortan von einem stummen Etwas verfolgt, dass ihr in diversen zombiehaften Gestalten erscheint, die nur sie sehen kann. "Es" ist langsam, aber - das verrät Regisseur David Robert Mitchell schon früh - seine Opfer erwartet ein grausamer Tod. Es sei denn, sie geben den Fluch weiter - per Sex. Steht "Es" für Aids? Für die Flucht vor der Einsamkeit in bedeutungslosem Sex? Mitchell schweigt dazu. Der US-Journalist Mark Binelli liefert auf der Website slate.com die wohl interessanteste Erklärung: "Es" steht für den Detroiter Binelli für "die unaufhaltbare Kraft des Verfalls, die Angst vor Detroit und allem, wofür diese Stadt steht: stillgelegte Industrie, Kriminalität, Rassenkonflikte". Die Aura des Elends klebe an den Einwohnern wie "Es" an den Film-Teenagern.

Only Lovers Left Alive (2013)

Detroit war nicht nur eine große Autostadt, sondern auch ein Hot Spot der Musikszene: Das berühmte Soullabel Motown (von Motortown) wurde hier gegründet, die "Stooges" um Iggy Pop kommen von hier, die House Music wurde hier erfunden, für Kiss ist Detroit die "Rock City". Jim Jarmusch siedelt sein melancholisches Vampirdrama nicht zuletzt deshalb in Detroit an. Eve (Tilda Swinton) und der schwermütige Rockmusiker Adam (Tom Hiddleston), seit Jahrhunderten ein Paar, sind Relikte einer untergegangenen Kultur, die noch Künstler und wahre Genies hervorbrachte. Gemeinsam driften die Vampire durch die nächtliche Geisterstadt, der Jarmusch schon immer ein Denkmal setzen wollte.

Don't Breathe (2016)

In Detroit hört dich keiner schreihen. Drei Teenager aus einem üblen Viertel der ehemaligen Industriestadt beschließen, einen blinden Mann in einem Haus in einer verlassenen Gegend auszurauben. Doch der entpuppt sich als unerwartet wehrhaft und in seinem Keller wartet eine Überraschung. die drei sind gefangen
und aus der Nachbarschaft ist keine Hilfe zu erwarten. Hier lebt schon lange keiner mehr. Hochspannender Survivalhorror von Fede Álvarez ("Evil Dead").

Lost River (2015)

Das Regiedebüt von Ryan Gosling ist nicht wirklich ein Horrorfilm sondern eher eine surrealistische Stilübung im Sinne von David Lynch. Inspiriert von seinen Reisen nach Detroit zeichnet Regisseur Ryan Gosling das Porträt einer Zivilisation am Abgrund. In der Detroit nachempfundenen Geisterstadt Lost River lebt die alleinerziehende Billy (Christina Hendricks) mit ihren Söhnen. Um ihre Kinder durchzubringen und das Haus zu halten, nimmt sie das Angebot eines undurchsichtigen Bankers (Ben Mendelsohn) an, in einem Nachtclub für erotisch-makabere Furore zu sorgen. Währenddessen versucht ihr Ältester, Bones (Iain De Caestecker), zusammen mit seiner Freundin Rat (Saoirse Ronan) hinter das in den Fluten eines Stausees versunkene Geheimnis seiner heruntergekommenden Heimatstadt Lost River zu kommen. Die Filmkritikerin Justine Smith kritisierte Gosling dafür, den Verfall von Detroit als Symbol für seine apokalyptische Vision auszubeuten.

The Eloise Asylum (2017)

In Deutschland nur auf DVD erschienen: Ein lupenreiner Horrorfilm über vier junge Menschen, die in eine ehemalige Irrenanstalt einbrechen um an eine Todesurkunde zu kommen, die ihnen ein größeres Erbe einbringen würde. Die echte Eloise-Klinik gilt unter Fans des Paranormalen als einer der spukhaftesten Orte Michigans.

Andere Detroit-Filme

Schon vor dem Boom des Detroit-Horrors nutzen Filme den Verfall der Stadt als Kulisse. In "RoboCop" (1987) soll der Roboterpolizist im noch verfalleneren Detroit der Zukunft aufräumen. In "The Crow" (1994) wird der Rockmusiker Eric (Brandon Lee) in der Nacht vor Halloween, der in Detroit berüchtigten "Devil's Night", von jugendlichen Gewalttätern ermordet - und kehrt von den Toten zurück.

Und der Boom geht weiter: Oscar-Preisträgerin Katryn Bigelow ("Hurt Locker") hat gerade einen Film über die Rassenunruhen von 1967 abgedreht. Der Titel lautet schlicht: "Detroit".
Autor: Sebastian Milpetz/Roland Kruse

Der Trailer zu "It Follows"