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Interview

Jürgen Vogel über "Der weiße Äthiopier"

In Afrika erfährt ein Mann das Leben ganz neu: Jürgen Vogel über das Gerichtsdrama "Der weiße Äthiopier" (21.12. Das Erste, 20.15 Uhr) nach Ferdinand von Schirach ("Terror - Ihr Urteil").

Er hat eine Bank überfallen, nicht zum ersten Mal - und dann sagt er auch noch nichts. In der Ver­filmung einer Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach spielt Jürgen Vogel einen seltsamen Son­derling: Frank Michalka. Der erste Eindruck relativiert sich allerdings, als eine engagierte Jurastudentin dem gestörten Straftäter nach und nach seine Geschichte entlockt. Die führt bis nach Afrika und wirft die Frage auf, ob Michalka nur ein Straf- oder auch ein Wohltäter ist.
Viel Text musstest du ja nicht lernen. Was muss man machen, wenn man nichts sagen darf?

Jürgen Vogel Präsent sein. Das hat viel mit Haltung zu tun. Ich glaube, dass sich das, was du glaubhaft emp­findest, auch vermittelt. Das geht gar nicht so viel übern Kopf, sondern eher übers Gefühl. Für mich war es trotzdem eine Herausforderung, je­manden darzustellen, der beinahe sprachbehindert ist.

Worin lag die Schwierigkeit?

Man spürt die Hilflosigkeit des Cha­rakters, der sich mitteilen will und es nicht kann. Das ist ein Typ, der nicht funktioniert, jedenfalls nicht zu Beginn.

Wenn Frank Michalka endlich spricht, dann in einer Sprache, die man nicht versteht.

Das ist Amharisch.

Die Hauptsprache der Äthiopier, die aber längst nicht alle Einwohner des Landes beherrschen.

Ja, weil es einfach achtzig verschie­dene Sprachen in Äthiopien gibt.

Wie hast du Amharisch gelernt?

Wir haben in Berlin angefangen, mit einem richtigen Professor, der aus Äthiopien stammt. Ich habe versucht, es lautsprachlich aufzunehmen und wiederzugeben. Das ist echt richtig Arbeit. Aber es funktioniert. Übri­gens: Es ist eine sehr schöne Sprache, finde ich.

Ihr habt in Afrika gedreht, in Addis Abeba. Wie war's?

Ich war zum ersten Mal in Afrika, Südafrika kam danach. Ich bin ganz froh über diese Reihenfolge, weil ich dort wirklich das Gefühl von Afrika hatte und nicht von Los Angeles in Afrika. Wir haben zumeist im Lan­desinneren gedreht, in Dire Dawa. Zweieinhalb Stunden ins Landes­innere auf knapp 2500 Meter Höhe im Gebirge.

Äthiopien gehört zu den ärmsten Gegenden der Welt. Das geht an einem nicht spurlos vorbei, oder?

Die Armut ist bedrückend, aber es ist ein wunderschönes Land mit tollen Menschen - herzlich, gastfreundlich und sehr gläubig. Fünfzig Prozent sind Muslime, fünfzig Prozent ortho­doxe Christen. Die leben sehr fried­lich miteinander, helfen sich unter­ einander. Das müssen die Menschen dort auch, weil sie zu wenig haben. Es ist ein Land mit großen struktu­rellen Problemen, aber ich glaube, auch ein Land mit großen Möglich­keiten. Ich hoffe, dass sie es schaffen, ihre eigenen Ressourcen selbst zu verwalten, und dass es nicht andere für sie tun.
Umgekehrtes Flüchtlingsdrama
Neben Paula Kalenberg und Thomas Thieme sind auch bei uns unbekannte äthiopische Schauspieler dabei.

Wir haben mit der Dorfgemeinschaft vor Ort gedreht und mit Schauspie­lern wie Sayat Demissie. Sie ist ein Star in Äthiopien, eine wahnsinnig tolle Schauspielerin und auch eine tolle Person.

Mal daran gedacht, sie für einen Film nach Deutschland zu holen?

Das hängt von den Stoffen ab, aber ich kann mir das gut vorstellen. Sie war beim Filmfest in München und fand das ganz toll. Sie hat sich sogar ein Dirndl gekauft. (lacht)

"Der weiße Äthiopier" ist ein Genre­mix: Gerichtsdrama, Roadmovie, Liebesfilm - auch Flüchtlingsdrama?

Ja, nur andersrum. Da flüchtet jemand nach Äthiopien.

Trifft er eine Aussage zur Flüchtlings­situation bei uns?

Ganz bestimmt. Zunächst wird Michalka von den Einheimischen misstrauisch betrachtet, aber dann erkennen die Leute an, dass er sich engagiert, etwas für die Gemein­schaft tut. Man lässt ihn aber auch.

Du warst Testimonial für die Spar­kasse. Trotzdem hätte man mit Jürgen Vogel als Bankräuber kein Problem. Aber in einem Liebesfilm...?

Stimmt, da habe ich noch nicht so viele gemacht.

Da wird am Ende so manche Träne verdrückt. Okay für dich?

Ja, sehr okay.

Ist ja fast schon Weihnachten

Nein! Mich berührt so etwas, ab­solut. Ich fand das eine ganz große Liebesgeschichte. Was diese Figur so wahnsinnig menschlich macht, ist die Sehnsucht nach Liebe.

Danach wird es wieder abenteuer­lich für dich, in einer "Winnetou"­ Neuverfilmung auf RTL (ab 25.12.).

Ja, da bin ich Rattler, ein Schurke. Das hat Spaß gemacht. Das war ein­fach schön schmutzig. Als Schauspie­ler muss man einmal im Leben einen Western machen, ganz klar.

Interview: Heiko Schulze


Der weiße Äthiopier 21.12. Das Erste, 20.15 Uhr