Was macht Hollywood so verführerisch, spannend und unwiderstehlich? Gewiss, da gibt es die Milliarden von Dollar, die gescheffelt und wieder rausgeworfen werden für die aufwendigsten Filmsets und teuersten Effekte. Aber eigentlich sind es vor allem: Stars, Stars und noch mehr Stars. Große und bekannte Namen und schöne Gesichter, die auf Plakaten prangen und über den roten Teppich stolzieren, die Welt zu ihren Füßen. Und nirgendwo gibt es mehr als in der US-Traumfabrik, die Persönlichkeiten hervorbrachte, die in aller Welt geliebt werden.
Doch wo einst schon ein prominenter Name ausreichte, um die Massen in die Kinos zu locken, wird seit Jahren schon der Untergang des Schauspielstars vielerorts beschrieben. Selbst jemand wie Dwayne Johnson, der vielen als aktuell größer Filmstar der Welt gilt, ist nicht vor kommerziellen Flops sicher (wie vor einigen Jahren zum Beispiel "Baywatch" zeigte). Leute wie Jennifer Lawrence ("Die Tribute von Panem") oder Chris Pratt ("Jurassic World") hatten oder haben noch das Glück, bei großen Franchises mitzuwirken, deren Titel ihre eigenen Namen überschatten und sobald sie sich davon entfernen, winkte auch ihnen der Misserfolg (zu zweit in "Passengers").
Mit DiCaprio = automatischer Hit?
Einer, der davon aber stets ausgenommen zu sein schien, war Leonardo DiCaprio. Der Mime ist das Aushängeschild seiner Schauspielgeneration, das sich popkulturell (man erinnere sich an die vielen "Give this man an Oscar"-Memes Jahre vor seinem Gewinn für "The Revenant") über Jahrzehnte im Gespräch halten konnte und dessen Arbeiten sowohl künstlerisch wie kommerziell zu überzeugen wussten. Leo ist sogar so sehr Superstar, dass er sogar vergleichsweise sperrigen Stoffen, die man ohne ihn fast schon wieder in die Programmkino-Ecke schieben könnte, zu Erfolgen verhilft – eben "The Revenant" oder auch "The Wolf of Wall Street", denn ein dreistündiges Biopic über einen schmierigen Geschäftsmann schreit eben nicht nach klingelnden Kassen.
Von daher scheint es wie eine sichere Bank zu sein, ihn in einer Hauptrolle zu besetzen wie jetzt in "Don't Look Up" von Adam McKay ("The Big Short"). Und nicht nur er ist dabei, auch Lawrence, Meryl Streep, Jonah Hill, Mark Rylance, Cate Blanchett, Timothée Chalamet, Ron Perlman sind nebst vielen anderen zu sehen – sogar die Popstars Ariana Grande und Kid Cudi spielen mit. Was soll da noch schief gehen? Aber die Sterne befinden sich noch immer im Sinkflug und zumindest qualitativ können sie alle nicht viel ausrichten – auch nicht Leo.
Don't Look Up: Kampf gegen die Kometen-Katastrophe
Dabei dürfte jeder, der sich auch nur peripher mit Filmen auseinandersetzt, mit großer Spannung auf "Don't Look Up" gewartet haben. Eine Mega-Starriege tritt für einen Satire-erprobten Filmemacher vor die Kamera, um der Gesellschaft ihre hässliche Fratze im Spiegel vorzuhalten. Im Film rast nämlich ein riesiger Komet auf die Erde zu und droht, alles Leben auszulöschen. Die Wissenschaftler wissen Bescheid, doch die Politik will so lange nichts davon wissen, bis sich der nahende Untergang effektiv für den eigenen Wahlkampf instrumentalisieren lässt. In die Luft gejagt werden soll der Felsbrocken aus dem All. Derweil plant ein riesiger Konzern, saftige Gewinne damit zu machen und die Bevölkerung dreht ohnehin nur noch durch und sendet Hass und Falschmeldungen en masse durch den Äther, während die Wissenschaft nicht weiß, was sie tun soll. Klingt wie eine Mischung aus "Armageddon" und aktuellem Zeitbezug in Zeiten von Klima- und Coronakrise und könnte somit eine vortreffliche Gelegenheit sein für profunde Aussagen und Erkenntnisse.
Wofür aber die Darsteller letzten Endes verheizt wurden, ist ein selbstgefälliges, handwerklich sicher überzeugendes Abklappern bekannter Themenkomplexe. Das Internet und insbesondere die sozialen Netzwerke sind so böse und von den Medien und Politikern ganz zu schweigen – das sind doch nur eitle, oberflächliche Größenwahnsinnige und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht! Wissen wir und wurde so auch in der überdrehten Form schon so einige Male in der Filmgeschichte durchgekaut, weshalb "Don't Look Up" bis auf Stars und Effekte nicht viel Neues zu bieten hat – Hollywood in Reinform sozusagen. Dabei geben gestandene Größen wie Streep, Blanchett, Rylance, Hill oder auch immer-noch-Shooting-Star Chalamet karikatureske Darbietungen ab, die zwar genüsslich überzogen sind, aber zugleich auch stumpf sind und alsbald eher nerven, denn unterhalten. Denn eines ist gewiss: Die Botschaften des Films sind stets recht schnell klar und was dann noch bleibt, ist das drauf Rumreiten. Und so werden die rasch geschnittenen Hochglanzbilder ebenso rasch immer inhaltsleerer, obwohl sie vorgeben, vor Inhalten zu bersten.
Netflix auf Oscarkurs mit Kassenflop?
Immerhin rappt Jennifer Lawrence still und heimlich zum Überklassiker "Wu-Tang Clan Ain't Nuthing ta f**** wit" und geht somit in die Annalen der besten Wu-Tang-Rezitationen der Filmgeschichte ein – auf Platz eins sitzt unangefochten jedoch Emma Roberts mit ihrem Rap zu "C.R.E.A.M." in "Nerve". Und Leo? Wenn er etwas wirklich beherrscht in seinem Repertoire, dann zweifelsohne Ausraster und Wutausbrüche, von dem es einen wirklich epischen in "Don't Look Up" gibt und der auf seinen eigenen Wunsch hin überhaupt eingebaut wurde. Offenbar kennt Leo seine Stärken ganz genau und weiß sie gekonnt nicht nur ein- sondern zur Not auch durchzusetzen. Nur wusste Regisseur McKay damit und mit seinem restlichen Ensemble nicht viel anzufangen – "Don't Look Up" als Satire beißt eben nicht beherzt zu, sondern kläfft nur bekannte laue Luft laut vor sich hin. Und das ist im Anbetracht der Antizipation auf diesen Film und der Mannschaft vor und hinter der Kamera nicht nur zu wenig, sondern eine herbe Enttäuschung.
Ob es wenigstens für ein paar Oscars, auf die Netflix ganz klar schielt, reicht, ist unklar. "Don't Look Up" ist jedenfalls seit dem 9. Dezember 2021 auch in deutschen Kinos zu sehen und hat weltweit bislang etwas mehr als eine halbe Million Dollar eingespielt (Stand: 20. Dezember) – furchtbar wenig ist das, trotz DiCaprio. Allerdings läuft der Film weltweit nicht in vielen Kinos. Und das Ergebnis verwundert nicht in Zeiten von Corona und nur zwei Wochen vor dem Erscheinen beim Streamingdienst. Bei Netflix erscheint "Don't Look Up" direkt an Heiligabend. Und dort hat er dann doch gute Chancen auf Erfolg, zumal beim Anbieter neuerdings die insgesamt gesehenen Stunden eines Titels als Erfolgsparameter viel stärker ins Gewicht fallen. Knapp 140 Minuten dauert der Film – manchmal ist die Länge dann doch ein Qualitätskriterium.