Sie drehte mit Liam Neeson und schon zweimal mit Brad Pitt, das letzte Mal für Quentin Tarantino. Geboren als Diane Heidkrüger im niedersächsischen Algermissen bei Heidenheim, wurde aus ihr im Lauf ihrer internationalen Karrie­re Diane Kruger, Hollywood­-Star. Für ihren ersten deutschen Kinofilm "Aus dem Nichts" von Re­gisseur Fatih Akin bekam Kruger im Mai 2017 den Preis als beste Darstellerin beim Filmfestival Cannes - völlig zu Recht. Die Rolle der Gerechtigkeit und Rache fordernden Witwe und Mutter in diesem Film hat sie verändert, sagt sie. Und sie hat einiges dafür getan.

Warner Bros.

Warum hat es fünfzehn Jahre ­gedauert, bis Sie Ihren ersten Film in Deutschland gemacht haben?
Diane Kruger: Es klingt absurd, oder? Aber es muss auch erst ­einmal alles zusammenpassen, der richtige Regisseur und das rich­tige Projekt. Ich kann ja nicht einfach sagen: Leute, ich will jetzt einen Film in Deutschland machen. Ich wollte immer auch ­einmal in Deutschland arbeiten. Aber es hat sich einfach nicht ­ergeben. Und weil mein Lebensmittelpunkt in Frankreich liegt, bin ich in Deutschland einfach nicht so präsent. Am Ende habe ich das Glück dann auch ein bisschen selbst in die Hand genommen, als ich Fatih Akin auf dem Filmfestival in Cannes angesprochen habe.

Und ihm vorgeschlagen, zusammen einen Film zu machen?
Nein, das wäre ein bisschen zu offensichtlich. Ich hatte seine Filme in Paris gesehen, wo sie auch regelmäßig in den Kinos laufen. Und seine Arbeit hat mir immer sehr gefallen. Ich dachte, das ist ein deutscher Regisseur, mit dem ich gern arbeiten würde. Es hat sich dann zufällig ergeben, dass wir 2012 beide in Cannes waren. Ich saß in der Jury, und er hatte seine Dokumentation "Müll im Garten Eden" im Programm. Auf der Premierenfeier habe ich dann meinen ganzen Mut zusammengenommen und ihm gesagt, wie sehr ich seine Filme mag. So fing alles an.

Sie wirken gar nicht schüchtern.
Bin ich aber, besonders in so einer Situation. Das hat mich große Überwindung gekostet. Aber wir haben uns gleich verstanden. Und es war eine wunderbare Basis für diesen Film.

Wie unterscheiden sich denn die Dreharbeiten in Hamburg-Altona von denen in Hollywood?
Im Kern ist der Unterschied gar nicht so groß. In Hollywood hat man natürlich viel mehr Geld zur Verfügung, aber letztendlich kochen alle nur mit Wasser. Hier habe ich allerdings von Anfang an viel intensiver mit Fatih zusammengearbeitet. Das wäre in dieser Form bei einem US-Film gar nicht möglich gewesen. ­Irgendwann habe ich Fatih ­bedingungslos vertraut, nur so konnte ich mich ins kalte Wasser stürzen. Denn die Rolle hat mir zuerst richtig Angst gemacht. Ich hatte so etwas noch nie ­gespielt und wusste nicht, ob ich das schaffe. Aber gleichzeitig hatte ich das Gefühl, wenn es ­jemandem gelingt, einen Film über eine Frau zu machen, deren
Familie bei einem Neonazi­anschlag ums Leben kommt, dann Fatih.

Wie haben Sie sich auf diese Aufgabe vorbereitet?
Fatih hatte die Idee, dass ich vor den Dreh­arbeiten eine Weile in Hamburg lebe, um ein Gefühl für die Welt zu entwickeln, in der die Geschichte spielt. Und das habe ich dann auch gemacht. Ich war auf dem Kiez unterwegs, in dem ­diese Frau lebt. Ich bin in Bars gegangen, in denen sie auch gewesen sein könnte. Ich habe in dieser Zeit Musik gehört, die ihr gefallen könnte. Und ich habe mich für die Rolle auch äußerlich verändert. Ich war ungeschminkt, habe meine Haare kürzer schneiden lassen und auch ganz andere Kleidung getragen. Ich wollte auch physisch diese Frau werden. Vor unserem ersten Drehtag wusste ich dann ganz genau, wer diese Frau ist.

Was für ein Verhältnis haben Sie und Fatih Akin nach diesen sehr emotionalen Dreharbeiten?
Fatih ist so etwas wie ein Bruder für mich geworden. Das habe ich auch auf der Preisverleihung in Cannes gesagt. Ich bin ihm unheimlich dankbar für diese Chance. Und das wird garantiert nicht unser letzter gemeinsamer Film gewesen sein.

Wie hat Sie die Arbeit verändert?
Sie hat sehr in mir nachgewirkt. Ich bin eine andere Schauspielerin geworden und hungrig auf neue Herausforderungen. Wenn du einmal so etwas Intensives erlebt hast, willst du das natürlich wieder vor der Kamera fühlen. So ein kreativer Prozess hat auch etwas Berauschendes.

Auch etwas Befreiendes?
Unbedingt. Man assoziiert mich ja häufig mit meinen Auftritten auf roten Teppichen und der Glamourwelt des Films. Aber das macht ja nur einen kleinen Teil meiner Arbeit aus.