Unter Filmfans sagt man gerne: Es gibt den einen Film, das eine Erlebnis, welches man in viel zu jungen Jahren gesehen hat und welches einen nie mehr ganz loslässt. Bei mir ist das sehr einfach auszumachen: Im Alter von gerade mal 8 Jahren saß ich bei "Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt" bzw. "Fluch der Karibik 3" im Kino. Der Film war natürlich ab 12 Jahren freigegeben, doch in Begleitung eines Erziehungsberechtigten durfte man schon ab 6 Jahren in den Saal. Und weil ich (damals) Johnny Depp so toll fand, bestand ich auf den Kinobesuch.

Stolze 168 Minuten geht das Blockbuster-Spektakel mit Depp in seiner Paraderolle als Captain Jack Sparrow. Gesehen habe ich am Ende nur die ersten paar Minuten. Und noch heute finde ich: Kaum ein Kinder-/Jugendfilm beginnt so verstörend wie der dritte Teil aus Disneys Piratensaga. Gleich das erste Bild, welches im Film zu sehen ist, setzt den Ton für das restliche Epos: Es ist ein Strick, an dem jemand aufgehängt werden soll.

Kein normaler Disney-Film: Piratenmorde zu Beginn

Der dritte Film der "Fluch der Karibik"-Reihe eröffnet nicht mit Jack Sparrow oder Will Turner und seiner Elizabeth. "Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt" beginnt mit einer Massenhinrichtung. Ein Sprecher liest von einer Gesetzesverkündung, nach der jeder zum Tode am Strick verurteilt ist, der ein Pirat ist oder mit einem Piraten kooperiert. Sieben Personen werden an sieben nebeneinander hängende Stricke geführt. Ein Hebel wird umgelegt – und mit Wucht und einem lauten Knacken sausen sieben Körper in den Abgrund, ihre Füße baumeln nach einem heftigen Ruck regungslos in der Luft.

Doch damit nicht genug: Eine Gruppe nach der anderen wird zu den Stricken geführt. Eine Piratenbande guckt dabei verzweifelter und resignierter als die nächste. Zu guter Letzt wird noch ein Kind, kaum älter als zehn Jahre an den Strick gebracht. Ihm wird extra ein Fass hingestellt, damit sein kleiner Hals in die Schlinge passt. Dann beginnt er zu singen. Er singt ein Piratenlied, über eine entführte Königin. Alle stimmen mit ein, singen: "Sollen Sie uns verdammen, doch wir sterben nie". Eine Szene, wie aus einem düsteren Musical à la "Les Misérables". Im Hintergrund ein Berg von Schuhen toter Seeräuber, fast einen Meter hoch. Zuletzt wird der Hebel ein weiteres Mal umgelegt – und damit der Tod des singenden Kindes besiegelt.

Der Stoff, aus dem die Albträume sind

An dieser Stelle hatte mein achtjähriges Ich bereits genug gesehen. Ich war in dem Alter schon ordentlich abgehärtet. Tatsächlich hatte ich schon einige der älteren "James Bond 007"-Filme gesehen und (heimlich) den Horrorschocker "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" geschaut. Auch die zwei ersten "Fluch der Karibik"-Filme kannte ich und hatte weder mit den untoten Skelett-Piraten noch mit dem Riesenkraken, der Jack Sparrow verschlang, ein ernstes Problem.

Aber diese verstörende, super düstere Szene aus Teil 3 gab mir den Rest. Sie zeigte echtes Leid, und das fast schon beiläufige Töten unschuldiger Männer, Frauen und sogar Kinder. Später träumte ich von der Sequenz, mehrfach, und sah mich in der Rolle des kleinen Jungen. Die Szene hatte einen so großen Einfluss auf mich, dass ich erst über zehn Jahre später mich traute, den Film ein weiteres Mal zu sehen. Und selbst wenn ich heute noch daran denke, bekomme ich einen Kloß im Hals. Ganz ohne Gänsehaut kann ich "Pirates of the Caribbean – Am Ende der Welt" nach wie vor nicht gucken.

Dennoch: Die beste Szene der "Fluch der Karibik"-Reihe

Doch trotz dieser Erfahrung würde ich bis heute felsenfest behaupten: Bei dieser Szene handelt es sich um den stärksten Moment der ganzen Reihe – obwohl keine einzige Hauptfigur auftritt. Schon der erste "Fluch der Karibik" war eine Anlehnung an die alten Piraten-Epen der Filmgeschichte mit Stars wie Errol Flynn in den Hauptrollen. Allerdings mischte Regisseur Gore Verbinski die Hommage an alte Kino-Zeiten mit viel Disney-Humor und großen Actionszenen. Da ist auch Teil 3 keine Ausnahme, der in einer spektakulären Schlacht endet.

Mit dieser Anfangsszene ging er aber zu den Wurzeln zurück – von sowohl dem Piratenfilm-Genre als auch den alten Disney-Filmen. Walt Disney selbst glaubte immer, dass man Kinder nicht verhätscheln soll, dass man in Filmen für Kinder auch die schrecklichen Seiten des Lebens zeigen sollte. Legendär bestand er damals darauf, die drastische Todesszene der Mutter von "Bambi" umzusetzen. Spätere Disney-Filme hatten ähnlich traumatisierende Momente, wie der Tod von Mufasa in "Der König der Löwen". Eine genau solche Szene ist die Eröffnung von "Fluch der Karibik 3". Sie erinnert uns daran, was im folgenden Film auf dem Spiel steht: Das Leben einfacher Männer, Frauen und Kinder.

Und – auch hier steht "Fluch der Karibik 3" ganz in der Tradition anderer Disney-Filme – so schrecklich diese Szene und einige andere düstere Momente in der "Pirates of the Caribbean"-Reihe auch sein mögen: Am Ende gewinnen natürlich die Guten. Am Ende gewinnt Captain Jack Sparrow.