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TV-Kritik, 2.9.2009

Angriff auf Europa: Krieg der Bilder

Eine Landkarte fängt Feuer. Das glimmende Papier rollt sich an den Kanten auf und gibt den Blick frei auf Panzer im Vormarsch, dazu dröhnt dramatisch die Musik. Solche Vorspänne lassen Schlimmes befürchten...

Die Redaktion des Hitler-Experten Guido Knopp brennt mal wieder ein visuelles Feuerwerk ab. Zweck der Übung ist es diesmal, eine Doku über den deutschen Angriff auf Polen vor 70 Jahren an den Mann und die Frau zu bringen.

Wer sich von dieser visuellen Attacke aus dem Arsenal der Historienschinken nicht abschrecken ließ, sah einen zwar konventionell gemachten, aber phasenweise auch recht interessanten Film, in dem auch die polnische Seite ausführlich zu Wort kam. So erfuhr man aus dem Mund eines Zeitzeugen, dass in den Tagen vor dem deutschen Überfall am 1.9.1939 im polnischen Rundfunk davon die Rede war, dass die polnische Armee zum (Gegen-)Angriff auf Berlin bereit wäre. Martialische Rhetorik, die sich als Illusion entpuppte, kaum hatten die ersten Panzerverbände der Wehrmacht die polnische Kavallerie in den Tod geschickt.

Es war ein ungleicher Krieg. Und ein Krieg, in dem nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Bildern gekämpft wurde. Prof. Sönke Neitzel, Historiker an der Uni Mainz, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass die historischen und oft gezeigten Filmaufnahmen vom deutschen Schlachtschiff ≥Schleswig-Holstein", das in der Danziger Bucht vor Anker lag und am 1. September das Feuer auf die Westerplatte eröffnete, von geschulten Propaganda-Experten stammten. Es passte einfach zu gut in das Bild der Nazis, dass ein ursprünglich zur kaiserlichen Marine gehörendes Schiff aktiv die Revision des Versailler Vertrags betrieb.

Plausibel auch die These des deutsch-polnischen Autorenteams, dass im Krieg gegen Polen bereits die Verhaltensmuster deutlich wurden, die später das Vorgehen von Wehrmacht und SS besonders in der Sowjetunion prägen: willkürliche Exekutionen, Verschleppung und Auslöschung der gesellschaftlichen Eliten sowie die Ausgrenzung, Entrechtung und schließlich Ermordung der Juden. Dazu wärmte die NS-Propaganda die alte Mär von den jüdischen Brunnenvergiftern wieder auf, die man deshalb, so die erwünschte Folgerung, als anständiger deutscher Soldaten am besten sofort erschießt.

Der Mix aus Originalaufnahmen, Zeitzeugen-Statements und Expertenurteilen hätte dem Zuschauer völlig gereicht. Nicht aber der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte. Die träumt anscheinend von Hollywood. Deshalb steckte sie Komparsen in Wehrmachtsuniformen und ließ sie eine Ortschaft in Brand stecken. Das Reenactment ist zum Erbarmen. Die Statisten agieren so hölzern und ungeschickt, dass zumindest eines feststeht: für ihre Instruktion wurden keine Gebührengelder verschwendet.

Rainer Unruh