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ProSieben Talkshow "Applaus und Raus!"

Oliver Polak mit Gags, aber ohne Unterhaltung

Oliver Polak mit Gags, aber ohne Unterhaltung
Oliver Polak erklärt die Show "Applaus und Raus!"

Oliver Polak besetzt den alten Sendeplatz von Stefan Raab. Direkt nach "Circus Halligalli" heißt es gestern: wer den Comedian langweilt, fliegt. Doch der Gastgeber macht in "Applaus und Raus!" keine gute Figur.

In der neuen ProSieben-Talkshow "Applaus und Raus!" genießt Oliver Polak Hausrecht. Zwar weiß er im Vorfeld nicht, wer seine Talk-Gäste sein werden, doch sobald sie neben ihm Platz genommen haben, kann er sie unverfroren nach Hause buzzern. Simpel und dreist - man kennt das aus der amerikanischen "The Gong Show" oder im Ansatz von Jürgen von der Lippes "Wat is?", aber auch unterhaltsam? Nicht wirklich.

Die ProSieben-Redaktion will einen Paukenschlag-Auftakt und präsentiert als ersten Gast Oliver Pocher. Der einst als ähnlich vorlaut und unverschämt bekannte Comedian machte in jüngster Zeit ausschließlich Schlagzeilen mit seinen Affären und Beauty-Klinik-Quickies. Eine Angelegenheit, die Polak brennend interessiert: "Wen bumst du jetzt gerade?"

Als wenn der Klatsch nicht schon genug wäre, wird eine Kleinwüchsige auf die Bühne gezerrt und Pocher als Freundin vorgeschlagen. In "Das Lachen der Anderen", einem Grenzgang-Comedy-Projekt mit Micky Beisenherz im WDR, hatte Polak drei Tage lang kleinwüchsige Menschen besucht und sie danach mit einem Stand-Up zum Lachen bringen wollen. In dem damals dezidierten Kontext mutig und erträglich, wenn auch nicht immer originell und unterhaltsam.

Aber das hier? Unausgegoren und ziellos.
Das kategorische Raus-Konzept funktioniert nicht
ProSieben-Senderchef Daniel Rosemann versprach sich vor Sendungsstart viel vom Gastgeber: "Oliver Polak sagt sehr direkt, was er denkt, eiert nicht herum. Deswegen ist ‚Applaus und Raus‘ wie für ihn gemacht."

Stimmt. Man kennt Polak durch seine Stand-up-Programme, in denen er sein Aufwachsen als Jude in Norddeutschland skizziert. Sein Vater überlebte den Holocaust, er selbst verarbeitete seine eigenen Erfahrungen mit Depressionen im Buch "Der jüdische Patient".

Beides schmückt seinen Stand-up-Einstieg in die Show. Die explosiven Gags: "Bei ProSieben und mir ist es wie bei Germanwings und den Piloten - die wissen, da stimmt was nicht, lassen mich aber erstmal machen." Und seine Verletzlichkeit: "Ich bin der erste Moderator, der schon depressiv war, bevor die Quoten erschienen sind."

Moderator? Dafür fehlt im noch einiges an Qualitäten in der Gesprächsführung und im unterhaltsamen Füllen der Pausen. 'Gastgeber' trifft es deutlich besser. Der lässt nach Pocher Rapper Frauenarzt und eine Prinzessin in Rekordzeit aus der Show fliegen. Eine Astronautin, eine Schauspielerin, die in der "Lindenstraße" eine nigerianische Aidskranke gespielt hat und die Autorin Margarete Stokowski, die ihr Buch über sexuelle Freiheit in Deutschland vorstellt, bekommen die meiste Redezeit.

Drei Frauen mit völlig verschiedenen Lebensentwürfen - doch Polak kratzt nur an der Oberfläche oder gefällt sich in Abgrenzung zu Stokowskis Kritik an seinen Witzchen als Comedy-Lehrmeister.
Polak und seine Show wirken steif
Die ganze Show hat etwas Unbeholfenes. Bestes Beispiel: Polaks Sidekick und Bodyguard "Smiley", der unwillige Gäste (Bsp.: Pocher) hinauswerfen soll und sonst tatenlos in der Ecke steht. Gespräche zwischen ihm und Oliver Polak haben etwas von einem Small-Talk an der Supermarktkasse: stockend, uninteressant und verstellt. Das On Air Design aus der Baumhaus Bar in Berlin-Kreuzberg wirkt dabei derart kleinkunstbühnig, dass man jederzeit die Befürchtung hat, Luke Mockridge springt in "NightWash"-Manier auf die Bühne und sorgt doch noch für eine unterhaltsame Überraschung.

Aber nein: Das Highlight bildet ein Gespräch mit seiner Mutter am Ende der Sendung. Knapp 440.000 Leute hören sich gestern um kurz vor Mitternacht eine Kopf-Geld-Geschichte über eine verlorengegangene Katze aus Polaks Kindheit an. Dann nutzt der Gastgeber ein letztes Mal sein Hausrecht, verabschiedet sich unter dem einsetzenden Klingt-abgeschmackt-und-lahm-Jingle der Show und entlässt uns bis kommenden Dienstag in die Freiheit, selbst entscheiden zu können, wer interessant ist und wer nicht.

Steven Sowa