WDR/Thomas Kost

Hanno Koffler sitzt entspannt in einem Hamburger Hotelzimmer und wartet auf die nächste Frage. Wer seine Filme wie "Härte" oder "Toter Winkel" kennt, weiß, irgendwo in diesem sehr freundlichen, sehr reflektierten Menschen mit dem muskulösen Körper wohnt etwas ungewöhnlich Brutales. Lässt er es von der Kette, stockt dem Zuschauer der Atem. In "Härte", Rosa von Praunheims beeindruckendem Dokudrama, spielt er einen traumatisierten Zuhälter, der charmant scherzt und dann ansatzlos zuschlägt.

In dem Thrillerdrama "Toter Winkel", das jetzt im Ersten läuft, ist Koffler ein bürgerlicher Familienvater mit rechtsextremem Innenleben. "Manchmal ist für mich doch erstaunlich, wie die Wirkung nach außen ist, wie man gesehen wird", wundert sich Koffler. "Es gibt Menschen, die ganz toll besetzen können. Und die sehen Dinge in einem, die man selbst noch an sich entdecken kann."

Anfangs sah sich Koffler, 1980 in Berlin geboren, noch als Musiker. Mit seinem älteren Bruder Max spielte er zusammen in der Rockband Kerosin. Eine gruselige Narbe an seinem Unterarm erinnert ihn für immer an den einen Auftritt, bei dem er - nüchtern, nur ein blöder Unfall - in eine Glasscheibe fiel.

"Je schlechter man sein darf, desto besser kann man werden."

Epix Media

Koffler mit seinem Vorbild Peter Kurth (l.) in "Hallesche Kometen"

Nachdem der 18-Jährige an der Schauspielschule zunächst abgelehnt wurde, beginnt er einfach zu spielen. Zunächst in Kurzfilmen und Serienepisoden. In "Hallesche Kometen" (2004), Kofflers erster Hauptrolle, trifft er auf Theatergröße Peter Kurth, der ihn darin bestärkt, das Schauspielstudium doch noch aufzunehmen. Mit seinem Spielpartner Max Riemelt ist Koffler seitdem befreundet. Die Chemie stimmt, die beiden trainieren im selben Kickboxstudio, werden immer wieder zusammen besetzt.

Anfangs musste sich der Schauspieler beim Spiel auf seine Naivität verlassen. Durch das Studium am Max Reinhardt Seminar in Wien lernte er vertiefende Techniken kennen, die er ihr heute zur Seite stellt. Koffler setzt auf intensive Vorbereitung. "Ich versuche, die wichtigen Momente im Leben der Charaktere als Bild zu finden, um eine konkrete Situation vor Augen haben zu können. Bilder, die so eine Assoziation in mir hervorrufen, klebe ich mir in eine Arbeitsmappe." Dort notiert er sich auch alle Fragen und Erkenntnisse, die er zu der Figur hat. "Dann ist mein Rucksack gepackt, dann geht es darum, am Set loszulassen." Er betont die Bedeutung des Regisseurs als Architekt eines geschützten Raums, in dem man sich künstlerisch gehen lassen kann: "Je mehr man keine Angst davor hat, schlecht zu sein, je schlechter man sein darf, desto besser kann man werden."

Wie gut Koffler tatsächlich ist, hat sich längst herumgesprochen. Immer mehr Hauptrollen in kleinen Autorenfilmen spielt er, aber genauso hochkarätige TV-Produktionen wie "Die Dasslers". Mit der Bekanntheit steigt auch die Resonanz des Publikums. "Die Leute projizieren wahnsinnig viel in dich rein. Das ist ja auch gut, jeder baut eine Beziehung zu der Figur auf. Aber die hat natürlich nichts mit dem Menschen zu tun, der ich eigentlich bin", sagt Koffler und sucht nach dem richtigen Ausdruck. "Das bin ja nicht ich. Auch wenn ich es bin."

Jeder hat Dreck am Stecken

Auf "Toter Winkel" ist Koffler stolz. Weil die Figuren stimmen. Weil sie vielschichtig sind - was es schwierig macht, sie moralisch zu bewerten. "Jeder Charakter ist ambivalent in diesem Film. So wie jeder von uns irgendeinen Dreck am Stecken hat." Allzu oft würden die Figuren zugunsten des dramaturgischen Gerüsts vernachlässigt. "An den Anfang setzt man einen Mord, man braucht eine Waffe. Die muss gefunden werden. Okay, das haben wir. Um den Zuschauer in die Irre zu führen, muss die Figur dann dort auftauchen. Dass sie eigentlich aus sich heraus niemals zu diesem Zeitpunkt dort hingehen würde, ist dann egal."

Wenn Hanno Koffler nicht spielt, schreibt er selbst an einem Drehbuch. "Ich denke mir gern Geschichten aus. Ich setze auch gern selbst Sachen in Bewegung, anstatt darauf zu warten, dass was kommt." Momentan entsteht auf seinem Laptop eine Kinofassung des Theaterstücks "Liliom". Kofflers Vorbild Peter Kurth provozierte das Publikum in der legendären Marthaler-Inszenierung mit einem zehnminütigen Schweigen zu Beginn des Stücks. Brutal. Wie wird der Koffler-Film wohl starten?
Autor: Frank I. Aures