Skandinavische Krimis sind meistens doppelt düster: Seelisch kaputte Täter be­gehen abscheuliche Verbrechen an Orten, die dunkel sind wie ein Fichtenwald in der Dämmerung. Scandic Noir hat sich als Markenzeichen für diese Art Filme durchgesetzt, "Kommissarin Lund" und "Die Brücke" sind bekannte Beispiele.

Die neue ZDF-Co-Produktion "Springflut" scheint sich auf den ersten Blick nahtlos in diesen Trend einzureihen. Gleich zum Auftakt erfolgt ein heimtückischer Mord: Eine Frau, bis zum Kopf in den Sand eingegraben, wird von der Flut erfasst und ertrinkt. Natürlich nachts, und natürlich sieht man als Zuschauer stellenweise nur Schemen. Aber das ändert sich. Die Bilder werden im Verlauf der fünf Folgen allmählich heller und farbiger. Nicht nur durch Szenen, die in Costa Rica spielen. Auch Stockholm leuchtet, weil dort, ganz ungewöhnlich für Schweden-Krimis der härteren Art, mitten im Sommer gedreht wurde. Die junge ­Ermittlerin Olivia, die noch zur Polizeischule geht, bewegt sich ebenfalls in einem bunteren Umfeld als der unter einem Grauschleier lebende Einzelgänger Kommissar Beck oder die an Asperger leidende "Brücke"-Ermittlerin Saga mit ihrem schlamm­farbenen Porsche.

"Mich treibt seit Längerem die Idee um, dass wir Scandic Noir weiterentwickeln müssen", sagt Peter Nadermann. Als deutscher Co-Produzent der großen Krimiverfilmungen von Henning Mankell bis Stieg Larsson kennt er das Genre aus dem Effeff. Er weiß auch, welche Gefahren ihm drohen. Autoren erliegen nämlich leicht der Versuchung, durch immer verrücktere Täter und fiesere Verbrechen um Aufmerksamkeit zu buhlen. Am Ende sitzt ein Irrer im Keller, der als Kind missbraucht wurde und deshalb die Menschheit auslöschen will.

"Ich habe kein Interesse daran, dass die Filme grausamer werden", sagt Nadermann. "Ich möchte eher die Gesellschaften kennenlernen, in denen die Verbrechen geschehen." In "Springflut" erzeugt der Kontrast zwischen Oberschicht und Obdachlosen Spannung. Neue Orte bringen ebenfalls Abwechslung in die Krimilandschaft. Zurzeit entwickelt das ZDF einen Stoff mit den Norwegern, dessen Handlung nur auf ein enges Tal konzentriert ist. ­Interessant auch der Zehnteiler "Greyzone", der im nächsten Jahr auf ZDF neo startet: Brigitte Hjort Sørensen ("Borgen") spielt eine Drohnenentwicklerin, die von Terroristen erpresst wird.

An Themen herrscht kein Mangel. Wohl aber an guten Regisseuren. Skandinaviens Filmemacher erhalten immer öfter Angebote, für viel Geld in den USA zu drehen. Sie arbeiten längst ebenso global wie die Gangster in den Scandic-Noir-Serien.