Inzwischen ist es sechs Jahre her: 2012 kauft der Medienkonzern Walt Disney dem "Star Wars"-Mastermind George Lucas für rund vier Milliarden Dollar die Rechte an seiner Sternensaga ab. Eine unvorstellbare Summe und doch ist sie längst zum lohnenden Investment geworden. Anfang diesen Jahres, im Januar 2018, nach nur drei "Star Wars"-Filmen, hat Disney diese Summe wieder eingespielt. "Das Erwachen der Macht", "Rogue One" und "Die letzten Jedi" haben an den weltweiten Kinokassen rund 4,2 Milliarden Dollar zusammengetragen. Ergo: Disney hat mit dem neu begründeten "Star Wars"-Imperium eine Gelddruckmaschine galaktischen Ausmaßes erschaffen.

Doch die Väter des Erfolgs haben ein Sorgenkind: "Solo: A Star Wars Story". Mit einem geschätzten Einspielergebnis von 196 Millionen Dollar hat der Film drei Wochen nach seinem Start noch keinen Gewinn einstreichen können. Nun rollen Köpfe: Laut dem Branchen-Magazin Collider wird die Arbeit an allen weiteren geplanten Ablegern eingestellt. Kurzum: Sobald ein Kind aus der Familie nicht spurt, muss der gesamte Nachwuchs leiden.

Der Größenwahn von Disney nimmt groteske Züge an

Die von Disney gezogenen Konsequenzen betreffen aktuell einen Film über den jungen Obi-Wan-Kenobi und einen über das Leben des intergalaktischen Kopfgeldjägers Boba Fett. Die kreativen Teams der beiden Filme sind mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben freigestellt: Stephen Daldry ("Billy Elliott") sollte die Regie bei dem Obi-Wan-Film übernehmen, James Mangold ("Logan") hatte bereits ein Konzept für den Boba-Fett-Film entwickelt. Doch da "Solo" im disneyschen Sinne ein Flopp ist, dürfen die beiden Filmemacher ihre Sachen packen. Zugegeben: Wer zwischen dem Kino-Start von "Episode VIII" und "Solo" weniger als ein halbes Jahr ins Land gehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn eine gewisse Übersättigung eintritt.

Womit wir beim Kern des Problems wären: Für den Größenwahn der Studiobosse können die Filmemacher hinter den "Star Wars"-Projekten nichts. Es ist schlichtweg grotesk, wenn Disney mit Quantität immer mehr Geld aus einem Kreativkosmos quetschen will, der unter einer gesunden Führung ein erfolgreicher Selbstläufer sein müsste. Die Zuschauerzahlen beweisen es doch: Die Leute drängen sich zu Scharen in die Lichtspielhäuser, wenn sich über ein Jahr lang die Spannung in ihnen aufstaut und an Weihnachten das "Star Wars"-Geschenk im Kino wartet.

Star Wars unter Disney: Das Patchwork-Franchise

Doch Disney wollte immer mehr, die gern zitierte Cash-Cow wurde überfüttert - ein Film pro Jahr war eben nicht genug. Nun ist die eine Kuh namens "Spin-Off" geplatzt. Ankreiden lassen muss sich das vor allem der Medienkonzern, nicht seine Angestellten. Stephen Daldry und James Mangold müssen als Bauernopfer herhalten, ohne dass ihre Werke jemals von den Fans des Franchise begutachtet werden durften. Eine unwürdige Vorgehensweise angesichts der Tatsache, dass enormes Potential in den Figuren steckt.

Die Frage lautet nun: Wird es neue Kühe geben?

Disney will zunächst alle Energie in die reguläre Reihe stecken. "Episode IX" unter der Regie von J.J. Abrams startet im Dezember 2019. Der Film soll das Kapitel um die Heldin Rey (Daisy Ridley) schließen. An den Episoden X bis XII arbeitet bereits "Last Jedi"-Regisseur Rian Johnson. Und nur weil es keine Ableger mehr geben soll, nimmt Disney noch lange keinen Abstand vom Ausbau des Universums. Patchwork wird in der "Star Wars"-Familie weiterhin großgeschrieben: Die "Game of Thrones"-Bosse D.B. Weiss und David Benioff sollen eine neue, eigenständige Trilogie entwerfen. "Iron Man"-Regisseur Jon Favreau arbeitet derweil an einerFernsehserie im "Star Wars"-Universum.

Bleibt nur zu hoffen, dass Disney seinen übersteigerten Drang, immer mehr Output zu generieren, zurückfährt. Nicht alles was im Marvel Cinematic Universe (ebenfalls Disney) funktioniert, lässt sich reißbrett-artig auf andere Film-Familien übertragen. Disneys Pflicht ist es nun, das Franchise organisch und mit der nötigen Zeit weiterzuentwickeln. Um im Bild zu bleiben: Sie sollten den kommenden Nachwuchs sorgfältig aufziehen. Geld und Zeit haben sie dafür genug - spätestens jetzt, nachdem sie dieses Jahr ihr Investment in die Gewinnzone gebracht haben.

Update: Disney meldet sich zu Wort

Wie ABC News aus einem Gespräch mit der "Star Wars"-Produktionsfirma Lucasfilm erfahren haben will, sei der seit Ende letzter Woche kursierende Bericht, alle weiteren "Star Wars"-Spin-Offs werden ab sofort eingestellt, "ungenau". Stattdessen gäbe es "mehrere" Star Wars-Filme in der Entwicklung, die noch nicht offiziell angekündigt wurden. Dabei handele es sich nicht um die Trilogie, die vom "The Last Jedi"-Regisseur Rian Johnson betreut wird. Auch die erwöhnte Reihe von Filmen, die die "Game of Thrones"-Showrunner David Benioff und D.B. Weiss entwickeln, sei davon ausgeschlossen.

Lucasfilm hätte momentan kein Interesse daran, weitere Details über die zukünftigen "Star Wars"-Planungen preiszugeben. Hoffen wir mal, dass dies der beginnende Lernprozess ist, den wir uns gewünscht haben. Jetzt gilt es abzuwarten, bis die nächste offizielle Verkündung seitens Disney und Lucafilm eintrifft. Dann wissen wir wirklich mehr.