Am 9. Juni wird Johnny Depp 50 Jahre alt. Unser Hollywood-Korrespondent Scott Orlin hat den Mann, der das Absurde immer mehr liebte als jeden Starruhm, oft getroffen: Ein Rückblick
Zurückblickend auf 25 Jahre als Filmjournalist gab es wohl Tausende von Schauspielern, Autoren, Regisseuren und Produzenten, die mir Zeit für ein Interview gewährten. Ich muss offen zugeben, an die meisten habe ich nicht viel mehr Erinnerung als die Tonbandaufnahme oder das Transkript, das beweist: Unsere Pfade kreuzten sich. Dann gibt es die, an die ich mich zwar vage erinnere, die ich aber weder zeitlich noch örtlich einordnen kann.

Was bleibt, sind die wenigen Auserwählten: Bündel von schierer Energie und Charisma, die in Sekunden Eindruck hinterlassen. Gene Kelly, Paul Newman und Barbra Streisand fallen mir ein. Tom Cruise, Julia Roberts und Sandra Bullock verfügen über eine geradezu magnetische Ausstrahlung in Megawattstärke - und dann ist da Johnny Depp.

Fast schon schmerzlich schüchtern, zerbrechlich, aber herzlich und mehr als höflich. Bei jedem Zusammentreffen mit diesem jetzt bald 50-Jährigen bekam ich das Gefühl, man breche in sein privates Universum ein. Depp will nicht dauernd bejubelt werden. Aber wenn er es für nötig hält, seine eigene Arbeit zu promoten, kann er unermüdlich sein, dabei immer umgänglich und freundlich.

Er hat diesen subtilen Charme, der dich für ihn einnimmt. Mehr nebenbei verrät er gerade genug Privates, dass man glaubt, ihn zu kennen, während er sich die ganze Zeit ganz genau bewusst ist, dir nur so viel zu erzählen, dass du interessiert bleibst.

Die erste Begegnung: 1990

Wenn mein Archiv nicht lügt, fand meine erste Begegnung mit Johnny Depp am 14. Dezember 1990 in Los Angeles statt, zum Film "Edward mit den Scherenhänden". Zu dieser Zeit war Depp fast verzweifelt dabei, sich von seiner Rolle als Undercover-Cop in der TV-Serie "21 Jump Street" zu distanzieren. Eine Rolle, die ihm den Durchbruch in Hollywood brachte, aber auch auf ewig sein Image als Herzensbrecher und Idol für Millionen von Teenage Girls zementierte; ein Image, das er reflexhaft zurückwies.

"Das ist etwas, womit sich niemand wirklich gut fühlen kann", sagte er mir damals. "Du willst deinen Job so gut wie möglich machen, aber dann interessieren sich all die Leute nur für dein Privatleben. Die Boulevardpresse stochert in deiner Vergangenheit herum, das nervt. Als würde man mir dauernd Dinge in den Weg legen, damit ich hinfalle - das ärgert mich wirklich."

Wo die meisten anderen jungen Schauspieler diesen Moment der Berühmtheit nutzen und ihre Popularität noch selbst anheizen, hat Depp alles nur Menschenmögliche getan, in die andere Richtung zu gehen: Er spielte unkonventionelle, entfremdete Männer in schrägen Filmen wie "Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa", "Cry Baby", "Ed Wood", "Benny & Joon" und eben "Edward mit den Scherenhänden", mit dem eine nun schon 23 Jahre währende Partnerschaft mit dem Regisseur Tim Burton begann.

"Für mich eher eine intime Geschichte"

In dieser Zeit lehnte Depp Rollen in Filmen wie "Speed", "Die drei Musketiere" und "Legenden der Leidenschaft" ab, ein Wort des Bedauerns würde man dazu aber nie von ihm hören. "Ich habe mich immer zum Absurden hingezogen gefühlt", hat er mir damals gestanden. "Ich könnte mir nie vorstellen, so etwas wie 'Harry und Sally III' zu spielen."

Depp steht zu seinem Wort und ist nie Kompromisse eingegangen. Und obwohl die Studiobosse jahrelang sein Talent bewunderten, galt er zugleich lange als Kassengift in Hollywood. Erst die mehr als ungewöhnliche Besetzung als Jack Sparrow in "Fluch der Karibik" im Jahr 2003 machte ihn zu einem der größten Stars weltweit.
"Als Disney und Jerry Bruckheimer mit der Idee auf mich zukamen, in einem Disney-Film mitzuspielen, war ich zunächst schockiert", verriet mir Depp im Juni 2003. "Ich habe diesen Film nie als potenziellen Blockbuster angesehen. Für mich war es diese eher intime Geschichte, in der zufällig auch lauter Schlachten stattfinden. Ich hoffe sehr, dass der Film einigermaßen gut ankommt. Es wäre schön, auch mal in einem erfolgreichen Film mitzuspielen, den ich auch noch mag. Das passiert mir nicht so oft..."

Und obwohl seine Gage mittlerweile um ein Vielfaches gestiegen ist gegenüber den 1200 Dollar die Woche, die er für seinen ersten Kinofilm "Nightmare - Mörderische Träume" kassierte (etwa 30 Millionen für das letzte "Pirates"-Kapitel), hat Geld nie seine Haltung diktiert - auch wenn er all das genießt, was der Erfolg ihm eingebracht hat, wie eine eigene Insel in der Karibik.

TV SPIELFILM

TV SPIELFILM Korrespondent Scott Orlin kennt Johnny Depp aus 25 Jahren Interviews und Setvisits

"Ich habe sehr viel Glück gehabt, ausgerechnet wegen der 'Pirates'-Filme in der Lage zu sein, mir eine Insel auf den Bahamas zu kaufen", ließ Depp mich vor zwei Jahren in L. A. wissen. Die Insel zu kaufen hatte für ihn vor allem ökologische Gründe: "Ich wollte alles so organisch wie möglich erhalten, mich nicht darüber hinwegsetzen, was Millionen von Jahren geschaffen haben. Ich liebe es, dass dies ein primitives, einsames Eiland ist, mit Bäumen und dem Ozean. Mehr brauche ich nicht." Nach kurzer Pause ergänzt er grinsend: "Und das Beste ist, dass Mobiltelefone dort nicht funktionieren."

Johnny Depp ist authentisch und bodenständig wie nur wenige seiner Kollegen. Er begrüßt einen mit einem freundlichen Lächeln und einer Umarmung, gewährt damit diesen Moment des Wiedererkennes und der Anerkennung. In seiner Position wäre es sehr einfach, abgehoben, distanziert zu sein - davon gibt es genug unter den Berühmtheiten, glauben Sie mir! Aber er strahlt eine solche Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit aus, dass man nicht anders kann, als sich von seiner herzlichen Art gefangen nehmen zu lassen.

Happy birthday, Johnny Depp, und dank Dir für inzwischen bald 30 Jahre im Showbusiness. Um es mit dem Musiker in Dir zu sagen: Let the music play on.

Scott Orlin

Johnny Depp im TV