Er ist der größte der kleinen, glücklosen Männer. Als Autohändler und gescheiterter Erpresser in "Fargo" wurde William H. Macy für den Oscar nominiert. Als sprichwörtlicher Loser in "The Cooler" eroberte er das Herz von Maria Bello. Jetzt folgt der 61-Jährige seiner Ehefrau Felicity Huffman ("Desperate Housewives") und spielt erstmals eine Serienhauptrolle. "Shame­less" erzählt von den Gallaghers, einer Familie, die durch die Alkoholsucht des Vaters an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Für William H. Macy, der die ­komischen Aspekte aus dem Dauer­suff seiner Figur herausstellt, eine absolute Traumrolle.

TV SPIELFILM: Darf man Witze über den Alkoholismus machen?

WILLIAM H. MACY: Wir machen uns nicht darüber lustig, aber Betrunkene tun manchmal wirklich witzige Dinge.

Sprechen Sie aus Erfahrung?

WILLIAM H. MACY: Meine Mutter trank ein wenig. Einige ihrer Marotten imitiere ich in der Serie: zum Beispiel halte ich mich bewusst mit dem Dialog zurück, um mehr Grimassen schneiden zu können.

Träfe man die Gallaghers in der Realität, gehörten die Kinder nicht besser ins Heim?

WILLIAM H. MACY: Das ist eine schwierige Frage. Ich denke nicht. Es ist trotz allem eine funktionierende Familie. Ja, sie haben einen süchtigen Vater, und die Kinder sind sich selbst überlassen. Aber es gibt einen moralischen Kern in der Sippe, den ich sehr bewegend finde. Und ich glaube, dass unsere Serie beliebt ist, liegt daran, dass so etwas im wahren Leben existiert. Viele Leute haben mir gesagt, die Serie sei für sie wie ein Homevideo.

Mögen Sie Ihre Rolle?

WILLIAM H. MACY: Ich mag sie nicht, ich liebe sie. Ich habe die beste Rolle in Hollywood. Ich kann nichts falsch machen. Was ich mir vorstellen kann, kann ich auch spielen. Sagen Sie das niemandem, aber ich würde für diese Rolle Geld zahlen.

Und mögen Sie Frank? Für den Zuschauer ist er ein Versager und Säufer. Was ist er für Sie?

WILLIAM H. MACY: Es ist eine Falle für einen Schauspieler, seine Figur charakterisieren zu wollen. Wir sind gezwungen, uns immer als Held eines Stücks anzusehen. Für mich ist Frank klug, und er arbeitet hart. Er ist vielleicht ein Hochstapler, aber er hängt sich dafür rein.

Sie wollten unbedingt in eine Serie. Was war der Grund dafür?

WILLIAM H. MACY: Mein Broterwerb waren immer Independentfilme. Aber kaum einer finanziert noch Indies. Von daher brauchte ich einen Job, und es schien genau der richtige Zeitpunkt zu sein, in eine Serie einzusteigen. Meiner Meinung nach wird sowieso im Moment das beste Material vom Fernsehen umgesetzt.

Anders als in Filmen hat ein Serienschauspieler viel Zeit, um seine Rolle zu finden. Ändert das Ihre Arbeit?

WILLIAM H. MACY: Ich finde diesen Aspekt sehr erfreulich. Einen Film dreht man in ein bis zwei Monaten, und wenn man Glück hat, entdeckt man die Essenz seiner Figur in den ersten Wochen. Aber ich hatte auch schon Filme, wo ich mich bis zum Schluss verloren gefühlt habe. Insofern war es toll, dass ich nach dem Pilotfilm weiter­drehen und die Figur vertiefen durfte.

Die britische Serie ist mittlerweile im neunten Jahr, können Sie auch so lange durchhalten?

WILLIAM H. MACY: An mir soll es nicht scheitern. Unglücklicherweise haben TV-Serien die Eigenart, zwei Jahre länger als ihr Verfallsdatum zu laufen. Aber man hofft immer, dass einem das nicht passiert.

Würden Sie eigentlich gern mal in einem richtig großen Film mitspielen? Oder ist das unter Ihrem Niveau?

WILLIAM H. MACY: Ich wär gern mal bei einem 3D-Film dabei. Wissen Sie: Alle sagen immer, die heutige Filmindustrie sei so schlecht. Aber seien wir doch mal ehrlich. Egal wie weit man zurückgeht: In jedem Jahr findet man einen brillanten Film, vier, fünf richtig gute und vielleicht fünf weitere. Der Rest war Dreck. Das ist heute so, das war gestern so, und das wird auch morgen wieder so sein.

Rüdiger Meyer