Manchen war sie schon in dem Mafia-Thriller "Departed" aufgefallen, als verführerische Psychologin zwischen zwei toughen Typen, gespielt von Leonardo DiCaprio und Matt Damon. Doch es bedurfte eines dritten Mannes, um Vera Farmiga endgültig ins Rampenlicht zu rücken.

George Clooney weiß als Vielflieger in "Up in the Air", was er an seiner Geliebten Alex hat. Die von Farmiga verkörperte Businessfrau ist mindestens so smart, lässig und witzig wie er selbst. Dafür wurde die Schauspielerin 2010 für den Oscar nominiert.
Doch die Schauspielerin bleibt auf dem Teppich: "Die Leute im Kino wollten Clooneys haarigen Hintern sehen, nicht meinen", sagt die 40-Jähige und lacht. Sie selbst, die sich in "Departed" noch von DiCaprio den Bauchnabel küssen ließ, zog es diesmal in einer Bettszene vor, sich von einem Po-Double vertreten zu lassen. Wenige Wochen zuvor war sie Mutter geworden und immer noch ein wenig füllig um die Hüften herum.
Familie bedeutet Farmiga viel, der Glamour Hollywoods wenig. Glücklich ist sie, wenn sie mit ihrem Mann, einem Handwerker, und den beiden kleinen Kindern Fynn und Gytta durch die Natur streift und sich um ihre geliebten Ziegen kümmern kann, die sie auf einer Farm im Staat New York züchtet. Sie selbst wuchs als Tochter ukrainischer Emigranten in New Jersey auf. Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr sprach sie kein Englisch.

Nicht gerade ideale Voraussetzungen für eine Karriere beim Film. Tatsächlich liebäugelte der Teenager mit den auffällig blauen Augen am College eine Zeitlang damit, Fußballerin zu werden. Dann aber kriegte Vera doch noch die Kurve, studierte Schauspiel und hatte ihr TV-Debüt 1997 an der Seite von Heath Ledger in der Serie "Roar", die RTL unter dem Titel "Conor, der Kelte" zeigte.

Lange Jahre war Farmiga die erste Wahl, wenn es um die Besetzung anspruchsvoller Nebenrollen ging. Sie spielte mit Robert De Niro in dem Actionfilm "15 Minuten Ruhm" und mit Denzel Washington in dem Thriller "Der Manchurian Kandidat".
Ihre Fähigkeit, sich auch unter widrigen Umständen hoch konzentriert in eine Rolle zu vertiefen, zeigte sie nicht zuletzt in "Source Code". Obwohl während der Dreharbeiten schwanger, strahlt sie als Air-Force-Angestellte, die den Zeitreisenden Colter (Jake Gyllenhaal) instruiert, eine ruhige Kraft und Autorität aus, die man ihr als Zuschauer sofort abnimmt.

Als Hauptdarstellerin ist Vera Farmiga noch besser. Keanu Reeves kann einem in der Gangsterkomödie "Henry & Julie" - jetzt als Free-TV-Premiere im Ersten - schon fast leidtun: Wo er einen Gesichtsausdruck zeigt, zeigt sie zehn. Die Geschichte von Henry und Julie sei wie die "Romanze zwischen einer Schildkröte und einer Katze", spottete der "Boston Globe", und man braucht nicht lange zu rätseln, wer hier der stumpfe Kaltblüter und wer der rassige Stubentiger ist.

Einen ganz anderen, nämlich abgründigen Charakter verkörpert Vera Farmiga in der US-Serie "Bates Motel", die hierzulande bislang nur im Pay-TV lief, aber auch auf DVD erhältlich ist. Die Reihe greift Motive des Hitchcock-Klassikers "Psycho" auf. Farmiga ist als psychisch labile Mutter von Norman Bates zu sehen. Wenn sie ausrastet, möchte man am liebsten unter den Tisch kriechen. Diese Frau ist irre. Irre gut.

Rainer Unruh

Henry & Julie
SA 19.4 ARD 23.40 Uhr