Der Mann steht unter Hochspannung. "Wollen wir Geld machen oder wollen wir Geld machen?", schreit er in sein Handy. Die Stimme kurz vor dem Umkippen ins Falsett, beschwört er Geschäftspartner, ­beschimpft und umarmt Angestellte, lässt sich feiern. Mehmet Göker ist zurück - und macht weiter.

Der Protagonist des viel beachteten Dokumentarfilms "Versicherungsvertreter" war mit seiner Firma MEG einst zweitgrößter Vermittler privater Krankenversicherungen in Deutschland, kassierte Millionenvorschüsse auf noch nicht abgeschlossene Geschäfte, ging pleite und verschwand, nachdem die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, in die Türkei.
Geil auf Provisionen

Mit seinem gänzlich unkommentierten Film über den Aufstieg eines Deutschtürken aus kleinen Verhältnissen zum selbstverliebten Ferrarifahrer, der mit Geld um sich wirft, wie ein Messias verehrt wird, um dann ins Bodenlose zu fallen, landete der Kasseler Filmemacher Klaus Stern 2012 einen Coup. Jetzt zeigt der WDR in der Reportagereihe "Menschen hautnah" mit "Versicherungsvertreter 2 - Die neuen Geschäfte des Mehmet Göker" ein Sequel jener Doku, deren TV-Version mit insgesamt 34 Ausstrahlungen im ARD-Verbund ein Millionenpublikum erreichte. Der zu 50% mitfinanzierende Südwestrundfunk zeigt Teil 1 am 1. Juli um 20.15 Uhr und direkt im Anschluss Teil 2 um 21.00 Uhr.

Im Kino schauten dann noch einmal 20 000 Besucher, wie es dem schillernden Chef eines sektenähnlichen Versicherungsimperiums gelingt, mit Ehrgeiz und rauen Methoden Millionenumsätze mit Provisionen zu scheffeln, bevor er die Bodenhaftung verliert. Das Porträt eines Exzentrikers, das zugleich erschreckende Einblicke in das Tagesgeschäft und die Machenschaften der großen Versicherungskonzerne gewährt. Ein lukrativer Markt, in dem jährlich mehr als zweieinhalb Milliarden Euro für Vertragsabschlüsse gezahlt werden.

"Wer heute über Versicherungen redet, dem fällt als Erstes dieser Film ein", sagt Stern nicht ohne Stolz. Im Nachhall hagelte es Filmpreise, "aber man hat mich auch verklagt". Der von der Versicherungsgruppe Alte Leipziger vor dem Landgericht in Kassel angestrengte Prozess wurde allerdings zugunsten des 46-Jährigen entschieden.

Stern kneift nicht, wenn es Ärger gibt - und hat Humor. Dass sein Angebot an den Prozessgegner, Seminare für Versicherer zu geben, von diesem ebenso ausgeschlagen wurde wie wiederholte Interviewanfragen zu seinem neuen Film, amüsiert ihn jedenfalls. Er versteht, dass die Agenturen mit ihrem einstigen Shootingstar nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollen, schließlich hat "Versicherungsvertreter" der Branche schwer zugesetzt, laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" mit schlimmeren Folgen als der fast zeitgleich bekannt gewordene Skandal um die Sexreisen der Ergo-Versicherungsangestellten.

Mit Haftbefehl gesucht

Aber warum ein zweiter Film über einen gefallenen Hasardeur? "Göker wollte zeigen, dass er weiterhin das Geschäft beherrscht, und ich wollte zeigen, wie jemand fröhlich weitermacht, obwohl er mittlerweile mit interna­tionalem Haftbefehl gesucht wird", sagt der Doku­filmer mit einer Mischung aus fassungslosem Erstaunen und Schmunzeln. "Wo gibt es eine verrücktere Geschichte, wo eine größere Fallhöhe?"

Sterns Hauptdarsteller ist dem Filmer übrigens nicht gram. Im Gegenteil. Er war sehr zufrieden mit dem ersten Film, sagt Stern, fand ihn "hart, aber ehrlich" und hat jetzt auf Facebook "seinen" neuen Film angekündigt.

Göker-Trilogie? Eher nicht

"Versicherungsvertreter 2" zeigt, wie der inzwischen etwas fülliger gewordene Finanzmakler mit einer "23-Mann-Klitsche" nun von der Türkei aus agiert, mit Briefkastenfirmen in Deutschland, einem neuen Geschäftsmodell ("Tarifoptimierung") und unter falschem Namen. "Er nennt sich Christian Ritter, wenn er verkauft."

Insgesamt vier Drehphasen verbringt Stern an der türkischen Ägäis, beobachtet wie Göker seine Mitarbeiter anheizt, begleitet ihn im Lamborghini zur Besichtigung neuer Geschäftsräume, während in Deutschland Insolvenzverwalter und Staatsanwaltschaft mit den Hufen scharren. Seltsam allerdings, dass die Ermittlungsbehörden verschiedene Anklagen nicht zur Verfahrenseröffnung bringen.

Könnte es gar einen dritten Teil geben? "Die Geschichte ist erzählt, nimmt am Ende eine Richtung, die nicht bergauf geht", sagt Stern. Das war beim ersten Film aber doch auch so. "Ja, sicher, er ist ein Stehaufmännchen. Aber er hat Druck, es gibt viele Leute, die ihm an den Karren pinkeln wollen. Da ist viel Dampf im Kessel."

Heiko Schulze

Versicherungsvertreter 2 - Die neuen Geschäfte des Mehmet Göker
DO 25.6. WDR 22.30 Uhr; MI 1.7. SWR 21.00 Uhr