Amelie wer? Amelie Kiefer - und bitte merken! Dass die Frau mit dem Alabasterteint und den graublaugrünen Augen nicht jedem sofort bekannt vorkommt, bezeugt nämlich nur ihre Klasse, mit der sie in ihren Filmcharakteren aufgeht, dass man die Schauspielerin dahinter gar nicht wahrnimmt. Warum die 27-Jährige in der Branche und bei der Kritik längst kein Geheimtipp mehr ist, zeigt sie am 20. Mai in der schwarzen ARD-Komödie Storno - todsicher versichert als Kellnerin in einem bayerischen Kuhkaff, wo es zu Todesfällen und Ferkeleien kommt. "Wow, da ist echt was los", lacht Amelie Kiefer über den bösen, mit Max Riemelt, Jeanette Hain und Alexander Held bis ins Kleinste prominent besetzten Filmspaß.
Wie sie es genossen hat, "bei diesem Zirkus dabei zu sein", klingt nach fast kindlicher Neugierde und Spielfreude, mit der sie auch ihre ersten Schritte vor die Kamera macht. In einem Auto-Werbespot. Da ist sie fünf.

Es dauert noch eine Weile, bis sie im Kino auf sich aufmerksam macht. Im Sozialexperiment Die Welle (2008) an der Seite von Jürgen Vogel und den damaligen Jungschauspielern Jacob Matschenz, Elyas M'Barek und Max Riemelt wird Amelie Kiefer als beste Nebendarstellerin für den Undine Award, einen österreichischen Filmpreis für Nachwuchsschauspieler, nominiert.

Dann geht es Schlag auf Schlag: Noch im selben Jahr hievt ihre erste Hauptrolle sie in die Reihe der hoffnungsvollen Schauspieltalente. Es ist die Darstellung eines leukämiekranken Mädchens im TV-Drama Die Drachen besiegen, für die sie mit dem Günter-Strack-Preis 2009 ausgezeichnet und für den Deutschen Fernsehpreis nominiert wird.

Der Film, der aufgrund seiner Thematik viel Aufsehen erregt, ist für die gebürtige Münchnerin eine einschneidende Erfahrung, im wahrsten Wortsinn: Sie rasiert sich vor laufender Kamera den Kopf kahl. Für viele junge Frauen wohl ein Grund für einen veritablen Heulkrampf, für die Schauspielerin aber kein Problem.

Von Argentinien nach Berlin

"Ich mag es, wenn etwas passiert. In welche Richtung das geht, das sieht man dann", sagt Amelie Kiefer, die nach der Schule mal eben nach Argentinien geht, um bald darauf festzustellen, dass es dort für sie nicht genug zu tun gibt. Also kommt sie zurück, geht nach Berlin, nimmt Schauspielunterricht und erlebt, "dass ganz viel entstehen kann, wenn man einfach macht".

Kostproben ihres Könnens gibt sie im TV-Krimi wie im Kino, unlängst im Bremer Tatort: Die Wiederkehr. Oder in Dietrich Brüggemanns Generationenporträt Drei Zimmer, Küche, Bad.

Ein Film, der der Neu-Neuköllnerin wichtig ist, weil er auch ein bisschen ihre Geschichte erzählt. "Ich hatte das Gefühl, da werde ich wirklich mal gehört. Man bekommt ein Gefühl für Berlin und wie das ist, dieses permanente Umziehen." Fünf Mal hat sie das selbst durchexerziert, und jetzt sucht sie wieder eine neue Wohnung.

Die alte ist zu klein, denn sie und ihr Freund Maximilian Klas, ebenfalls Schauspieler, sind jetzt zu dritt. Ob die neue Familienkonstellation ihren Schauspiel­eifer künftig zügelt? "Wenn ich denke, der Film ist es wert, gemacht zu werden, bin ich dabei."

Das können auch Low-Budget-Projekte, Abschlussarbeiten von Filmstudenten oder Experimentalfilme sein, wo sie auf Leute trifft, "die neues Terrain betreten, die etwas erforschen". Wie den Filmemacher Clemens von Wedemeyer, in dessen Video-Installation "Muster/Rushes" sie anlässlich der Documenta 13 mitwirkte und mit dem sie jetzt wieder für eine neue Arbeit verabredet ist.

Die Hausbesetzerin

Wenn Amelie Kiefer in Projekte einsteigt, geht es oft um mehr als nur ums Spielen. "Es kommen Dinge auf mich zu, die mich tatsächlich auch gerade beschäftigen, zum Beispiel das Thema Gentrifizierung." Als Leidtra­gende des Strukturwandels in ihrem Berliner Kiez, wo die Mieten drastisch steigen, denkt sie manchmal: "Da muss doch jemand etwas machen."

Sie macht, und wenn es nur im Film ist. Gerade haben die Dreharbeiten für eine 90-minütige Folge von Soko Leipzig begonnen, in der sie eine Hausbesetzerin spielt, die den Direktor für Stadtentwicklung kidnappt.

Ihre Figuren sind zumeist junge Frauen, oft noch Teenager, mit denen die Schauspielerin sich dann auf die Suche nach dem Leben macht. Sie kann schon auch sehr bedacht sein. Aber wenn sie möchte, eben auch noch sehr Kind. "Das kann man nicht nur spielen, das muss man auch haben. Ich würde jedenfalls nicht sagen, ich bin angekommen." Wir sind gespannt.

Heiko Schulze

Storno - Todsicher versichert
MI 20.5. Das Erste 20.15 Uhr