Um zu verstehen, wie unwahrscheinlich es war, dass Chris Pratt zum ­Actionstar seiner Generation werden würde, muss man sich einfach nur vorstellen, wie er seine ersten Szenen für "Guardians of the Galaxy" gedreht hat. Pratt selbst beschreibt sie so: "Ich lief mit meiner Gummi-Laserpistole durch die Gegend, und der Regisseur schrie ständig verärgert ,Cut!‘, weil ich dabei unbewusst immer meine eigenen Schuss-Soundeffekte gemacht habe."

In dem 36-Jährigen einen Superhelden zu sehen war schon im Vorhinein so abwegig, dass Regisseur James Gunn ihn gar nicht vorsprechen lassen wollte. "Der fette Typ aus ,Parks and ­Recreation‘ (Comedyserie, bei uns im Pay-TV)? Bist du verrückt geworden?", fauchte Gunn seine Casterin Sarah Finn an. Doch die erinnerte sich an ein Oben-ohne-Foto von Pratt, nachdem er sich für eine Nebenrolle in "Zero Dark Thirty" einen Sixpack antrainiert hatte, und schmuggelte ihn in ein Vorsprechen ein.

Der neue Harrison Ford

Pratt bekam die Rolle. Und bevor klar war, dass "Guardians of the Galaxy" der Überraschungshit des Jahres 2014 wird, ergatterte er auch die Hauptrolle in "Jurassic World", der aktuell die Box-Office-Rekordbücher umschreibt. Zeitgleich der Star in zwei Hitfilm­reihen zu sein (sogar drei, wenn man seine Sprechrolle in "The Lego Movie" mitzählt) weckt Erinnerungen an Harrison Fords Lauf mit "Star Wars" und "Indiana Jones", weshalb es nur konsequent ist, dass Pratt auch auf der Wunschliste für das Reboot des Kino-Archäologen ganz oben steht. Eine offizielle Bestätigung steht zwar noch aus, aber Pratt dementiert sein Interesse am Harrison-Ford-Erbe zumindest nicht.

Dabei profitiert der einstige Star aus Teenieserien wie "Everwood" vom Wandel der Ansprüche an einen Actionhelden. Musste man in den 80ern einfach ein Maßband um den Bizeps legen, um die Action-Starpower zu messen, so braucht es heute eher eine Jedermann-Qualität und jede Menge Humor.

Den beweist Pratt regelmäßig auf seinen Social-Media-Kanälen, wo er sich Ende Mai vorab schon mal absicherte: "Ich möchte mich von ganzem Herzen für alles entschuldigen, was ich versehentlich auf der PR-Tour zu ,Jurassic World‘ sagen werde", begann seine irrwitzige Vorab-Reue für eventuelle Entgleisungen. Am Ende leistete er sich keine, aber damit war nicht zu rechnen. Denn Chris Pratt macht gewöhnlich alles mit, worum er gebeten wird.

Ob Nonsens-Karaoke bei US-Talker Jimmy Fallon, Zöpfe flechten während eines Interviews, Imitationen von halbstarken Briten, Photo­bombing während des Superbowls oder Nacktauftritte vor seinen Co-Stars: Pratt ist für jeden Scheiß zu haben. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit "Parks and Recreation"-Kollege Nick Offerman simst er sich regelmäßig - jetzt wird's unappetitlich - die gelungensten Kloschüssel­skulpturen seines Stuhlgangs.

Eine komische Familie

Entsprechend fragwürdig sind auch die Dating-Methoden des Mannes aus Minnesota. Als er 2007 die Komödie "Take Me Home Tonight" drehte, lud er Co-Star Anna Faris in sein Apartment. Das Erste, was sie in seinem Wohn­zimmer sah, waren Sexhefte. Das Erste, was sie von ihm zu hören bekam, waren seine sexuellen Eroberungen in Los Angeles. Die meisten Frauen wären schreiend weggerannt. Doch Komikerin Faris, deren Ehe in Trümmern lag, sah den netten Kerl hinter der Fassade. 2009 heirateten sie, im August 2012 kam ihr gemeinsamer Sohn Jack zur Welt.

Damals war Faris, Star der "Scary Movie"-Reihe und der Pro-Sieben-Sitcom "Mom", der Großverdiener der Familie. Mittlerweile hat sich das Bild gedreht - eine interessante Erfahrung für Pratt. "Auf Partys schwirrten die Leute um Anna herum und behandelten mich wie Luft. Heute kommen die gleichen Typen auf mich zu und sagen, sie hätten schon immer gewusst, dass ich es schaffen werde."

Ob James Gunn dazuzählt, verschweigt Pratt. "Chris ist der größte Filmstar der Welt, es weiß nur noch keiner", jubilierte Gunn, nachdem "Guardians of the ­Galaxy" im Kasten war. Wohlgemerkt der gleiche Regisseur, der ihn nicht vorsprechen lassen wollte.

Das kann sich Pratt in Zukunft ohnehin sparen. Für das 2017 anstehende Remake von "Die glorreichen Sieben" war er der Erste, der gecastet wurde, und sein weiterer Kalender ist voll mit Marvel- und Dino-Fortsetzungen. "Ich glaube, sie haben mich für 38 Filme", witzelte er. Wie da noch Platz für "Indiana Jones" sein soll? "Jurassic World"-Produzent und Indy-Regisseur Steven Spielberg findet schon ­einen Weg.

Rüdiger Meyer