Bayerische Madeln: Rosalie Thomass und Anna Maria Sturm sind Freundinnen und spielen ebensolche im Kinofilm "Beste Chance"
TV SPIELFILM: Was war das für ein Gefühl, als die letzte Klappe fiel?

ANNA MARIA STURM Wir hatten getrennte letzte Klappen, denn wir haben ja keine einzige Szene zusammen gedreht. Persönlich finde ich das ja schade...

ROSALIE THOMASS ...aber für die Geschichte war es ein Geniestreich. Wir müssen nicht mehr ständig aufeinanderhocken.

ANNA MARIA STURM Ich war schon ein wenig traurig, als der Dreh zu Ende war. Die Trilogie schildert fiktive Lebensläufe, aber ein Stück weit spiegelt sich daran ja auch unser eigenes Leben wider.

ROSALIE THOMASS Ich war neunzehn, als ich den ersten Film gedreht habe. Ich bin mit der Jo groß geworden. Und als mir in "Beste Chance" auffiel, wie erwachsen die ganzen Figuren inzwischen geworden sind, habe ich mich erschrocken gefragt: Bin ich jetzt etwa auch erwachsen?

Ist das jetzt wirklich das Finale? Regisseur Marcus H. Rosenmüller schließt eine Fortsetzung nicht völlig aus...

ROSALIE THOMASS Vor dem letzten Film hätte ich mir das nicht vorstellen können. Aber als ich ihn gesehen habe, wollte ich dann doch wissen, wie es weitergeht. Ich fände es spannend, Kati und Jo in zehn Jahren zu sehen.

"Beste Chance" spielt nicht nur in Bayern, sondern auch in Indien. Wie war der Dreh?

ANNA MARIA STURM Wir hatten keine Absperrungen. Ich saß mitten auf dem Bahnhof von Neu-Delhi, an mir strömten Tausende von Menschen vorbei. Auf den Straßen ist es noch schlimmer. Es gibt Megastaus, und die Fahrer riskieren alles, um weiterzukommen. Ich habe während der drei Wochen, die wir in Indien waren, mehrere Unfälle gesehen, auch schwere.

Klingt nicht sehr einladend...

ANNA MARIA STURM Ich war das erste Mal in Indien, und da ist der Kontrast zu dem Leben, das ich in Berlin führe, schon sehr groß. Die Umweltverschmutzung, die Armut, die Gleichgültigkeit gegenüber denen, die in Not sind - all das hat mich schon sehr mitgenommen. Unser Regisseur Marcus H. Rosenmüller liebt Indien. Mir ging es dagegen am Ende der Dreharbeiten so schlecht, dass ich mich nur noch von Bananen und Reis ernährt habe. Aber es war schon gut, mal ein ganz anderes Land kennenzulernen.

ROSALIE THOMASS Ich durfte nicht nach Indien. Ein bisschen persönlich habe ich das schon genommen. (lacht)

Ich war ganz überrascht, dass Indien nach den Skandalen um Bhagwan immer noch ein spirituelles Sehnsuchtsziel ist.

ROSALIE THOMASS Ich nicht. Es hat ja einen Grund, warum Jo fünf Jahre lang nicht nach Hause gekommen ist. Sie ist nicht mit sich im Reinen. Und für solche Menschen sind Ashrams attraktiv.

ANNA MARIA STURM Das kann ich nur bestätigen. Ich hatte den Eindruck, die Leute nehmen alles, was von Indern kommt, als große Erleuchtung, und seien es Kekse aus schmutzigen Dosen. Der Guru in dem Ashram, in dem wir gedreht haben, schien auch eher handfest als spirituell an unserer Produzentin interessiert zu sein.

Jo und Kati sind Freunde seit Schulzeiten. Pflegt ihr auch eure Freundschaften?

ROSALIE THOMASS Auf jeden Fall. Mit meiner engsten Freundin bin ich wie mit einer Schwester aufgewachsen, und die meisten meiner richtig engen Freunde kenne ich seit der fünften Klasse.

ANNA MARIA STURM Das Schöne ist: Du brauchst dich gegenüber Freundinnen nicht zu verstellen. Du kannst es auch gar nicht. Gute Freundinnen spüren, was dich bewegt, bevor du es sagst.

Ein großes Thema aller drei Filme ist Heimat. Was bedeutet euch das, teilt ihr die Liebe eurer Figuren fürs Landleben?

ROSALIE THOMASS Ich bin in München aufgewachsen. Ich bin ein echtes Stadtkind. Ein Leben nur auf dem Land kann ich mir nicht vorstellen.

ANNA MARIA STURM Ich komme aus einer Kreisstadt, aber ich kenne auch das richtige Land, wo nichts ist. Ich mag das. Ich lebe zwar in Berlin, aber ich bin noch oft in der Oberpfalz, wo auch meine Pferde stehen.

ROSALIE THOMASS Das verstehe ich. Ich bin nach acht Jahren Berlin vor einer Woche nach München zurückgezogen. Ich brauche Berge, grüne saftige Wiesen, Kühe, schöne Auen und den Ammersee, wo meine Oma lebt.

Habt ihr eigentlich nach dem Erfolg von "Beste Zeit" viele Angebote für moderne Heimatfilme bekommen?

ANNA MARIA STURM Ja, aber ich möchte nicht nur Heimatfilme drehen, obwohl ich bei einem schönen Projekt immer gern dabei ich. Ich bin Schauspielerin, und ein Grund, warum man den Job macht, ist ja, dass man möglichst viele verschiedene Charaktere spielt und nicht immer das Gleiche.

Beim "Polizeiruf 110" warst du auch das Mädchen vom Lande...

ANNA MARIA STURM Ja, das stimmt. Ich war wohl für die ländliche Note zuständig. Aber das allein war mir nicht genug und hat mich auf Dauer nicht gereizt. Ich habe entsprechend Konsequenzen gezogen, obwohl es nicht leichtfiel.

Gibt es zu wenig anspruchsvolle Frauenrollen im Film?

ROSALIE THOMASS Definitiv. Mir geht es bei der Lektüre von Drehbüchern häufig so, dass ich denke: coole Männerrolle, die würde ich gern spielen. Wo ist das weibliche Pendant? Ach, das ist die, die immer im BH hinten durchs Bild läuft und den Mann nervt. Oder bei Krimis, wenn der angeschossene Kommissar ins Krankenhaus kommt. Da gibt es immer eine Schwester, die mit dem Po wackelt und aus unerklärlichen Gründen heiß auf den Typen ist.

ANNA MARIA STURM Fehlt nur noch, dass sie sich zu ihm ins Bett legt. (lacht)

ROSALIE THOMASS Genau. Das ist doch ein Frauenbild von vorgestern. Die Trilogie, die wir gespielt haben, ist da eine echte Ausnahme. Weil es keine Rolle spielt, ob wir Frauen oder Männer sind.

ANNA MARIA STURM Jungs hätten eine ganz ähnliche Geschichte wie Kati und Jo erleben können.

Wie haben eigentlich die Kinozuschauer auf die Filme reagiert?

ANNA MARIA STURM Es gab viele Reaktionen, und wir haben immer wieder gehört: Bei uns auf dem Land ist es genauso wie im Film.

ROSALIE THOMASS Ein Journalist wollte von uns wissen, was wir beruflich machen. Er dachte, wir seien Laien, die man in einem bayerischen Dorf gecastet hat.

ANNA MARIA STURM Ein schöneres Kompliment hätte er uns kaum machen können.

Rainer Unruh