Das Psychodrama "Unter Nachbarn" erzählt die Geschichte eines Mannes (Maxim Mehmet), der eine junge Frau totfährt, Fahrerflucht begeht und sich später in die Schwester des Opfers (Petra Schmidt-Schaller) verliebt. Einziger Mitwisser: Beifahrer und Nachbar (Charly Hübner), der sich erst allmählich als tödliche Gefahr entpuppt ...

Ein bemerkenswerter Film über Schuld, Sühne und Courage. TV SPIELFILM traf Petra Schmidt-Schaller und Maxim Mehmet in Berlin zum Gespräch.

TV SPIELFILM: Wie spielt man Schuld?

MAXIM MEHMET: Das war die große Herausforderung. Ich habe das unter anderem mit meinem Coach besprochen: Unser Ansatzpunkt war, die Schuld gar nicht zu thematisieren, sondern einen jungen Mann zu spielen, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Situation komplett allein bewältigen muss. Dafür muss er sich Helfer suchen, auf die er sich stützen kann.

Sie arbeiten auch mit einem Schauspielcoach, warum?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Filme dreht man ja nicht chronologisch. Manchmal steigen wir am ersten Drehtag mit einem Fremden ins Bett und sollen die Welt spielen. Oder, das hatte ich neulich, ich komme am ersten Tag in ein Leichenschauhaus, um meine tote Tochter zu identifizieren. Um das glaubwürdig hinzukriegen, muss man den Handlungsbogen einmal für sich durchdacht haben. Das kann ich am besten mit meinem Coach.
Vanessa, die Schwester des Unfallopfers, mischt sich massiv in die Ermittlungen der Polizei ein. Täten Sie das auch?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Früher hätte ich das nicht so leicht gekonnt, aber seit ich Mutter bin, hat sich vieles geändert. Es scheint, als sei die Löwin in mir erwacht. Krallen hatte ich schon immer, aber jetzt kann ich auch mit ihnen kratzen.

Ist es vorstellbar, nach einer solchen Tat zu flüchten?

MAXIM MEHMET: Dass jemand im ersten Affekt abhaut, kann ich noch nachvollziehen, aber spätestens am nächsten Tag hätte ich mich gestellt. Ich glaube zwar, dass man nicht unbedingt aus allen Filmen etwas lernen muss, weil es oft schon viel ist, wenn die einen einfach nur gut unterhalten, aber wenn man aus diesem etwas lernen könnte, dann wäre das: Irgendwann holt einen die Lüge ein.

Im Film geht es auch um Courage. Wie mutig sind Sie privat?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Ich ziehe den Hut vor Leuten, die sich öffentlich einmischen, wenn beispielsweise in der U-Bahn jemand bedroht wird. Ich selbst traue mich nicht, dazwischen zu gehen, aber als Frau ist das sicher eh ein bisschen etwas anderes.
MAXIM MEHMET: Es ist leicht zu sagen, man würde sich einmischen, wenn es die Situation erfordert. Aber es ist etwas ganz anderes, dann tatsächlich in einer bedrohlichen Situation zu stecken und zu merken, dass man eher nicht zum Helden taugt.

Ist das bei Ihnen so?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Also zum Frontkampf eigne ich mich eher nicht, aber wer weiß, wie es ist, wenn man dann plötzlich doch situativ handelt. In jedem Fall kann man aber, wenn man mitbekommt, wie in der S-Bahn einer belästigt oder misshandelt wird, wenigstens von zu Hause aus die Polizei anrufen. Dafür ist sie ja da.

MAXIM MEHMET: Eine Großstadt wie Berlin ist laut, aggressiv, voller Menschen. Da macht man irgendwann zu, um sich abzuschotten. Oft ist es ja nur eine Frage von Sekunden, bis eine Situation eskaliert. Am Alex hat neulich einer lautstark mit seiner Freundin gestritten. Ein Berliner sagte: Alter, du wirst jetzt hier nicht handgreiflich werden gegen deine Frau." Da zieht der andere schon den Gürtel aus der Hose. Aber der Berliner ahnte, was kommt, und hat gleich ordentlich zugelangt. Ich habe das gar nicht so schnell überrissen, fand aber klasse, dass sich einer einmischt, wenn's nötig ist.

Haben Sie schon mal selbst hingelangt?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Früher, in der Schule, als mich ein Klassenkamerad, übrigens einen halben Kopf größer als ich, hänselte: "Das machst du nur, weil dein Vater ein berühmter Schauspieler ist" - habe ich dem eine geknallt.

MAXIM MEHMET: Sozusagen eine geschmidt-schallert...
Ihr Vater ist Andreas Schmidt-Schaller ("Soko Leipzig"), der in der DDR ein Megastar war.

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Wir konnten nirgends hingehen, ohne dass Leute kamen und ein Autogramm wollten. Ich habe als Kind nicht verstanden, warum die uns nicht einfach in Ruhe lassen konnten, wenn wir miteinander Essen oder in Urlaub waren. Es war ein Rummel, als ob Papa Brad Pitt gewesen wäre.

Maxim dagegen ist als Lehrerssohn auf einem Bauernhof bei Kassel aufgewachsen.Y

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: ...und wollte eigentlich Tennisspieler werden.

MAXIM MEHMET: Vorsicht, ganz dünnes Eis!

Sie spielen auf die Ähnlichkeit zum frühen Boris Becker an?

PETRA SCHMIDT-SCHALLER: Mmh.

MAXIM MEHMET: Darüber, dass er statt meiner Weltkarriere gemacht hat, bin ich längst hinweg.

Aber ist es nicht seit Langem schon Ihr Traum, in einer möglichen Verfilmung der Biografie von Boris Becker die Hauptrolle zu spielen. Ist doch tragisch, wie der nach einer beispiellosen Karriere gerade an sich selbst scheitert.

MAXIM MEHMET: Früher fand ich's nervig, dass die Leute finden, ich sähe Boris Becker ähnlich, aber hey, der Mann ist tatsächlich eine hochinteressante Figur. Der wäre spannend zu spielen.

S. Sturm
Unter Nachbarn
MI 30.5. Das Erste 20.15 Uhr