Das Reisen liegt ihm im Blut. Nikolai Kinski ist ein Nomade, geboren in Paris, aufgewachsen in Kalifornien und nach einem längeren Aufenthalt in New York inzwischen in Berlin heimisch.

Man versteht, warum Regisseur Michael Dreher den Kosmopoliten unbedingt als Hauptdarsteller für seinen Spielfilm "Die zwei Leben des Daniel Shore" gewinnen wollte, nachdem er bereits 2000/2001 mit "Babyboy" eine Doku über den damals 24-Jährigen und seinen berühmten Vater Klaus Kinski gedreht hatte.

Beide, Nikolai Kinski und Daniel Shore, pendeln zwischen den Welten, beide sprechen Deutsch mit amerikanischem Akzent. Und für beide ist der Weg das Ziel.

Der entscheidende Unterschied: Nikolai hat einen berühmten Vater, über den er höchst ungern spricht. Man weiß nur, dass Klaus Kinski seine letzten Lebensjahre in Kalifornien verbrachte, um auch nach der Scheidung von Nikolais Mutter dem Sohn nahe zu sein. Nikolai wiederum hat den Vater dadurch gewürdigt, dass er dessen Verse auf einer Tournee rezitierte.

Wenn man mit Nikolai Kinski spricht, kommt man schnell auf Grundsätzliches. "Ich habe in New York Theater gespielt, als 2001 die Anschläge auf das World Trade Center erfolgten. Drei Monate danach kam ich nach Deutschland. Und da wurde mir einerseits klar, dass ich nach meinen Wurzeln suchen wollte, und andererseits wurde mir bewusst, dass ich nicht mehr in die USA wollte, weil mir deren Politik nicht gefiel."

Während viele deutsche Schauspieler von einer Karriere in Hollywood träumen, preist Kinski, der einen amerikanischen Pass hat, die Vorzüge deutscher Bühnen und Städte. Der Vergleich Berlin/Los Angeles fällt klar zugunsten der deutschen Metropole aus, weil die Menschen nicht so unzufrieden wie in L. A. seien und weil es in Berlin auch eine Kultur jenseits des Geldverdienens gebe.

Nur wenig deutet darauf hin, dass Nikolai Kinski in den USA aufwuchs. Einmal lässt er beim Fotoshooting eine Hand die Mauer hinaufwandern und zitiert dabei den "Itsy Bitsy Spider"-Vers, den in Amerika jedes Kind kennt. Ein anderes Mal erwähnt er, dass er sich in seiner Jugend für die Dichter der Beat-Generation wie Jack Kerouac und Allen Ginsberg interessierte.

Aber ansonsten könnte man ihn in seiner introvertierten, leicht vergrübelten Art für einen jungen Philosophieprofessor von der Sorbonne halten. Auch in seiner Leidenschaft für französische Filme erweist sich Nikolai Kinski als Europäer. In "Klimt" spielte er den Maler Egon Schiele, nun gehört er zur Besetzung von "The Absinthe Drinkers" über die Pariser Boheme.

Die Zeit bis zum Dreh verkürzt er sich mit dem, was er am liebsten mag: reisen und rauchen

R. Unruh

Die zwei Leben des Daniel Shore
DO 7.6. ARD 22.45 Uhr