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"Nichts mehr wie vorher"

Gnadenlos talentiert: Jonas Nay

Jungschauspieler Jonas Nay ("Nichts ist wie vorher" - DI, 24.9.) verkörpert Heranwachsende in seelischer Not wie kein Zweiter.

Sechzehn Jahre, introvertiert, verletzt, trotzig und dem ungeheuren Verdacht ausgesetzt, ein Kind vergewaltigt und getötet zu haben. Herrgott, wer kann so etwas spielen? Jonas Nay kann und zwar so, dass einem die Spucke wegbleibt - wie jetzt im Sat.1-Film Nichts mehr wie vorher.

Man hätte es wissen können, hatte der 22-Jährige einen bereits in Homevideo beklemmend-glaubwürdig den erschütternden Absturz eines Jungen miterleben lassen. Es regnete Preise für das 2011er TV-Drama zum Thema Cybermobbing - und für seinen Hauptdarsteller. Weltweit, bis nach Seoul, Südkorea, wo Nay die Trophäen für den Film sowie als "bester Schauspieler" persönlich entgegennahm.
Im Sat.1-Drama, das an den erschütternden Mordfall der elfjährigen Lena 2012 in Emden angelehnt ist, spielt der Nachwuchsschauspieler jetzt einen nicht unähnlichen Charakter. Eine Herausforderung, denn "es stört mich, wenn ich denke, das hatten wir schon einmal", sagt er. "Man wird mich nicht nur leiden sehen."

Aber auch - und in diesen Szenen lässt Jonas Nay wohl niemanden kalt. Man fühlt mit ihm mit, er tut einem unendlich leid. Woher nimmt dieser aufgeweckte sportliche Typ, der sich selbst als ausgesprochen fröhlich beschreibt, eigentlich die Tragödie? "Keine Ahnung, vielleicht ist es die Narbe in meinem Gesicht." Die stammt von einem Autounfall, den er im Alter von drei Jahren erlebte. Oder ist es dieser Blick, irgendwo ins Nirgendwo? Kaum ist er mal in Gedanken versunken, fragt man ihn schon: Geht's dir gut? Alles okay, Jonas?

"Wenn ich auf unscharf stelle und in meiner eigenen Welt bin, kann ich offensichtlich sehr traurig aussehen." Nay weiß um diese Wirkung, kann den Zustand herstellen, wenn es eine Szene erfordert, möchte sich aber keinesfalls darauf beschränken. Als Kinderdarsteller in der TV-Serie 4 gegen Z hat er das leichte Fach bereits bedient. Seit "Homevideo" aber zählt der Lübecker zu den gefragtesten Talenten in Deutschland. Im Kinofilm Hirngespinster ist er demnächst der Sohn von Tobias Moretti und in König von Deutschland der von Olli Dittrich. Gerade abgedreht ist Wir sind jung. Wir sind stark., ein weiterer Kinofilm, der die Ausschreitungen gegen Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen kurz nach der Wende zum Thema hat. Hier zeigt sich Jonas Nay von einer ganz anderen Seite. Als Sohn eines Lokalpolitikers, der mit seiner Clique bei den Krawallen mitmischt, "habe ich mal keine Opferrolle. Wenn, dann bin ich Täter".

Zurzeit steht er in Polen für ein Weltkriegsdrama vor der Kamera, bis zum Ende der Semesterferien. Dann wird wieder studiert. Nein, nicht Schauspiel, Jonas Nay ist - hoppla! - Musiker, studiert Jazz-Piano und will mit seiner Band Northern Lights bald ein Album herausbringen.

Ist die Filmerei denn mehr so nebenbei? "Das hat mich überrollt. Das ist für mich eine neue Welt und ein Job, den ich sehr gern mache. Aber die Musik ist meine Passion. Ich hoffe, dass ich mich nicht irgendwann für eines entscheiden muss." Das hoffen wir auch.

Heiko Schulze

Nichts mehr wie vorher
DI 24.9. SAT.1 20.15 Uhr