>>> "Der Boss" im TV
Ein verlassenes Schlachthaus in Chicago. Früher wurde hier das Todesurteil für Rinder gesprochen, jetzt ist ein "Schwein" dran. "Sie bekommen immer heftigere Halluzinationen, haben Wahnvorstellungen und werden paranoid", erklärt eine Ärztin Bürgermeister Tom Kane (Kelsey Grammer, "Frasier"). Bei dem Politiker wurde die Alzheimer-ähnliche Lewy-Körper-Demenz diagnostiziert. Drei bis fünf Jahre bleiben ihm.
Mit dem Pilotfilm zur Serie "Boss" beginnt Regisseur Gus Van Sant ("Milk") eine mutige Geschichte. Denn Kane, der seine Krankheit geheim hält, ist alles andere als eine Identifikationsfigur. Auf dem Weg zur Macht ging er über Leichen, und bevor er aus dem Amt und dem Leben scheidet, will er noch mit seinen Feinden abrechnen. Es gäbe wahrlich sympathischere Figuren, um beim Zuschauer Aufmerksamkeit für eine schwere Krankheit zu wecken. Doch wenn es darum geht, Öffentlichkeit zu schaffen, ist die Botschaft wichtig, nicht der Botschafter.
"Monk" machte den Anfang
Jahrelang traute sich das US-Fernsehen nicht, solche heißen Eisen anzufassen. Schwere Krankheiten fanden - abgesehen vom querschnittsgelähmten "Chef" (1967) - nur als Episodenaspekt in Arztserien statt. Doch wie es ist, mit Schicksalsschlägen dieser Art im Alltag umzugehen, wollte man dem Zuschauer nicht zumuten - bis 2002 "Monk" die Bildschirme eroberte.
Obwohl die Serie die Zwangsstörungen des Privatdetektivs für Komik nutzte, schlossen ihn auch die Betroffenen unter den Zuschauern ins Herz. "Die Serie entmystifiziert respektvoll unsere Krankheit und zeigt den Menschen, was jemand mit Zwangsstörungen durchmacht", lobte der Präsident der Interessenvertretung ADAA. Ein Verdienst von Produzent David Hoberman, der seine eigenen Erfahrungen mit Zwangsstörungen in der Serie verarbeitete.
So etwas fällt nicht leicht, weiß Kollege Jason Katims. Der Autor rang lange mit sich, seine Erlebnisse als Vater eines Sohnes mit Asperger in die Serie "Parenthood" (montagabends auf Glitz) zu schreiben. "Ich wollte die Privatsphäre meiner Familie schützen", schildert Katims seinen Konflikt. "Aber ich wusste, wenn ich ehrlich über Familie schreiben will, muss ich es tun." Und so fand neben dem Autismus des Sohnes auch die Brustkrebserkrankung seiner Frau Eingang.
Große Öffentlichkeit
Die PR-Arbeit, die solche Serien leisten, ist unbezahlbar. "Als unsere erste Folge lief, war Asperger das meistgegoogelte Wort des Abends", weiß Katims, der für seine Arbeit einen Voice Award erhielt. Der Preis der Substance Abuse and Mental Health Services Administration geht an Produktionen, die sich um die Aufklärung über psychische Krankheiten verdient machen. Er wurde schon an "Monk", "Taras Welten" und zuletzt "Homeland" verliehen, in der Claire Danes eine Geheimagentin mit bipolarer Störung spielt.
Selbst wenn eine Diagnose nur genannt wird, kann das schon eine Hilfe sein. Weil Dr. House bei Patienten ständig das Autoimmunsyndrom Lupus (Hautekzeme, Fieber) explizit ausschloss, bedankte sich die US-Lupus-Stiftung bei den Machern, weil die Serie helfe, "Millionen Zuschauern die Krankheit näherzubringen".
Ein Umstand, den jetzt auch Michael J. Fox nutzt. Der seit 1991 an Parkinson erkrankte Schauspieler fühlt sich nach Gastauftritten in "The Good Wife" wieder fit genug für eine eigene Serie - oder wie es der 51-Jährige formuliert: "Solange ich jemanden mit Parkinson spiele, kann ich alles." Die bisher noch unbetitelte, semi-autobiografische Sitcom startet im Herbst und soll auch eine neue Spendenwelle für die Parkinson-Forschung auslösen, für die Fox bereits über 300 Millionen Dollar sammelte.
Auch andere Stars bringen sich ein. Sowohl Tony "Monk" Shalhoub als auch "The Big C"-Star Laura Linney und die in "Dr. House" an Huntington erkrankte Olivia Wilde engagierten sich in Werbekampagnen. Ein Beispiel, dem "Boss" Kelsey Grammer folgt. In einem TV-Spot sagt er: "Ernste Krankheiten sind eine gute Basis für TV-Dramen. Aber das Drama, mit ihnen zu leben, ist real."
Rüdiger Meyer
Boss
MO, 18.3., FOX, 20:15 Uhr
Mit dem Pilotfilm zur Serie "Boss" beginnt Regisseur Gus Van Sant ("Milk") eine mutige Geschichte. Denn Kane, der seine Krankheit geheim hält, ist alles andere als eine Identifikationsfigur. Auf dem Weg zur Macht ging er über Leichen, und bevor er aus dem Amt und dem Leben scheidet, will er noch mit seinen Feinden abrechnen. Es gäbe wahrlich sympathischere Figuren, um beim Zuschauer Aufmerksamkeit für eine schwere Krankheit zu wecken. Doch wenn es darum geht, Öffentlichkeit zu schaffen, ist die Botschaft wichtig, nicht der Botschafter.
"Monk" machte den Anfang
Jahrelang traute sich das US-Fernsehen nicht, solche heißen Eisen anzufassen. Schwere Krankheiten fanden - abgesehen vom querschnittsgelähmten "Chef" (1967) - nur als Episodenaspekt in Arztserien statt. Doch wie es ist, mit Schicksalsschlägen dieser Art im Alltag umzugehen, wollte man dem Zuschauer nicht zumuten - bis 2002 "Monk" die Bildschirme eroberte.
Obwohl die Serie die Zwangsstörungen des Privatdetektivs für Komik nutzte, schlossen ihn auch die Betroffenen unter den Zuschauern ins Herz. "Die Serie entmystifiziert respektvoll unsere Krankheit und zeigt den Menschen, was jemand mit Zwangsstörungen durchmacht", lobte der Präsident der Interessenvertretung ADAA. Ein Verdienst von Produzent David Hoberman, der seine eigenen Erfahrungen mit Zwangsstörungen in der Serie verarbeitete.
So etwas fällt nicht leicht, weiß Kollege Jason Katims. Der Autor rang lange mit sich, seine Erlebnisse als Vater eines Sohnes mit Asperger in die Serie "Parenthood" (montagabends auf Glitz) zu schreiben. "Ich wollte die Privatsphäre meiner Familie schützen", schildert Katims seinen Konflikt. "Aber ich wusste, wenn ich ehrlich über Familie schreiben will, muss ich es tun." Und so fand neben dem Autismus des Sohnes auch die Brustkrebserkrankung seiner Frau Eingang.
Große Öffentlichkeit
Die PR-Arbeit, die solche Serien leisten, ist unbezahlbar. "Als unsere erste Folge lief, war Asperger das meistgegoogelte Wort des Abends", weiß Katims, der für seine Arbeit einen Voice Award erhielt. Der Preis der Substance Abuse and Mental Health Services Administration geht an Produktionen, die sich um die Aufklärung über psychische Krankheiten verdient machen. Er wurde schon an "Monk", "Taras Welten" und zuletzt "Homeland" verliehen, in der Claire Danes eine Geheimagentin mit bipolarer Störung spielt.
Selbst wenn eine Diagnose nur genannt wird, kann das schon eine Hilfe sein. Weil Dr. House bei Patienten ständig das Autoimmunsyndrom Lupus (Hautekzeme, Fieber) explizit ausschloss, bedankte sich die US-Lupus-Stiftung bei den Machern, weil die Serie helfe, "Millionen Zuschauern die Krankheit näherzubringen".
Ein Umstand, den jetzt auch Michael J. Fox nutzt. Der seit 1991 an Parkinson erkrankte Schauspieler fühlt sich nach Gastauftritten in "The Good Wife" wieder fit genug für eine eigene Serie - oder wie es der 51-Jährige formuliert: "Solange ich jemanden mit Parkinson spiele, kann ich alles." Die bisher noch unbetitelte, semi-autobiografische Sitcom startet im Herbst und soll auch eine neue Spendenwelle für die Parkinson-Forschung auslösen, für die Fox bereits über 300 Millionen Dollar sammelte.
Auch andere Stars bringen sich ein. Sowohl Tony "Monk" Shalhoub als auch "The Big C"-Star Laura Linney und die in "Dr. House" an Huntington erkrankte Olivia Wilde engagierten sich in Werbekampagnen. Ein Beispiel, dem "Boss" Kelsey Grammer folgt. In einem TV-Spot sagt er: "Ernste Krankheiten sind eine gute Basis für TV-Dramen. Aber das Drama, mit ihnen zu leben, ist real."
Rüdiger Meyer
Boss
MO, 18.3., FOX, 20:15 Uhr