TV SPIELFILM: Wie ist das für Sie, wenn Sie als Gast in ein etabliertes Ermittler-Team kommen?

LISA MARIA POTTHOFF: Bei "Nachtschicht" ist das kein Problem. Ich kannte Armin Rohde schon von zwei Produktionen. Er hat einmal meinen Schwiegervater gespielt, jetzt spielt er in der "Nachtschicht" meinen Freier. Das ist schon eine interessante Verschiebung.

Sie spielen ein Luxus-Callgirl. Wie kann man diese Rolle lernen?

LISA MARIA POTTHOFF: Ich habe mich mit einem Callgirl in Berlin getroffen. Es hat mich überrascht, dass ich mit einer Frau am Tisch sitze, die einem für mich unvorstellbaren Beruf nachgeht, und trotzdem konnten wir darüber reden, als sei sie Sekretärin in einem Anwaltsbüro. Sie hat einerseits sehr nüchtern und distanziert über ihre Tätigkeit gesprochen, und andererseits spürte man aber auch, dass dieses Leben einen auf Dauer kaputt macht.

Bereiten Sie sich immer so akribisch vor?

LISA MARIA POTTHOFF: Ich finde, es ist einer der großen Vorzüge meines Jobs, das Leben und die Berufe anderer kennen zu lernen. Das ist nicht nur für die Rolle wichtig, sondern erweitert auch den eigenen Horizont. Für den Film "Stellungswechsel" habe ich ein paar Tage auf einer Polizeistation in Bayern auf dem Land den Schichtdienst mitgemacht. Da ist mir erst so richtig klar geworden, wie belastend es sein kann, die Zeit totzuschlagen, wenn nichts passiert.

Aber Sie haben noch keinen Beruf gefunden, der Sie mehr als das Schauspiel fasziniert? Ich habe gehört, Sie wollten mal Kellnerin werden...

LISA MARIA POTTHOFF: Das war ein Kindheitstraum. Früher in den Cafés hatten die Bedienungen schwarze Röcke an, darüber eine weiße Schürze und dahinter steckte das riesige Portemonnaie. Und das fand ich so toll, dass ich unbedingt Kellnerin werden wollte.

Vielleicht wäre das ja auch für das Callgirl, das Sie spielen, die bessere Wahl gewesen. In einer Szene müssen Sie vor einem Mann auf dem Boden herumrutschen und sauber machen. An was haben Sie dabei gedacht?

LISA MARIA POTTHOFF: Als ich die Szene zum ersten Mal gesehen habe, habe ich auch geschluckt, weil ich sie als sehr heftig empfand. Beim Dreh ist das anders, weil man sich mit dem Kameramann und dem Kollegen in einer kontrollierten Situation befindet und sich beim Spielen nicht zusieht.

Ich habe vor vielen Jahren mal in einem Theaterstück in Dortmund nackt vor einem Mann auf der Bühne gestanden. Das war ganz normal, bis ich an mir heruntergeschaut habe. Da habe ich tiefe Scham empfunden. Als Zuschauer reagiere ich empfindlich auf solche Dinge, als Schauspielerin macht mir das nicht so viel aus.

Die "Nachtschicht"-Folge zeigt eine finstere Welt, in der die, die das Geld haben, sagen, wo es lang geht, und die anderen müssen kuschen. Ist das eine genrespezifische Überzeichnung oder ist unsere Welt so?

LISA MARIA POTTHOFF: Der Film greift sicher eine Tendenz auf, die ich auch in Welt bemerke. Der Druck auf die Menschen nimmt zu, die Bedeutung von Geld und Konsum auch.

In Berlin, wo Sie leben, spürt man das stärker als andernorts, oder?

LISA MARIA POTTHOFF: Ja, das war eine Erfahrung, als ich vor zehn Jahren nach Berlin zog. In München hört man zwar auch die schlimmen Nachrichten über den Zusammenbruch der Märkte, über Kindesmissbrauch etc., aber man denkt sich, hier ist die Welt noch in Ordnung. Die Stadt ist sauber, die Menschen sind gut gekleidet. Als ich nach Berlin kam, fiel mir auf, dass hier die Gegensätze stärker aufeinander prallen.

Rainer Unruh