Hundert Jahre Jugend in Deutschland - was klingt wie ein Widerspruch in sich, ist Thema einer Doku, die Das Erste am Ostermontag zeigt.

Wie fühlte sich die erste Liebe in den Goldenen Zwanzigern an? Welche Folgen hatte jugendliche Rebellion in den Jahren der Nazidiktatur? Wogegen lehnten sich die 68er auf ? Die Schauspieler Anna Maria Mühe und Kostja Ullmann begaben sich für den Film "Junges Deutschland" auf eine sehenswerte Zeitreise.

TV SPIELFILM hat sie getroffen.

TV SPIELFILM: Die Doku "Junges Deutschland" ist eine Tour durchs 20. Jahrhundert. Frau Mühe, welche Zeit hat Ihnen am besten gefallen?

ANNA MARIA MÜHE Ich finde die Zwanzigerjahre toll. Ich liebe die Mode, ich finde die Autos toll, mag die Musik. Männer und Frauen hatten einfach Stil.

KOSTJA ULLMANN Du würdest perfekt in die Goldenen Zwanziger passen! Ich finde, manchmal siehst du aus, als kämest du tatsächlich aus der Zeit und hättest dich in unsere Gegenwart verirrt. Obwohl: Der DDR-Look mit dieser Hornbrille stand dir auch ganz fantastisch. (lacht)
Herr Ullmann, in welcher Epoche wären Sie gern jung gewesen?

KOSTJA ULLMANN Von der Musik her wären für mich die Fünfziger und Sechziger perfekt gewesen. Ich habe da mit den Neunzigern irgendwie das falsche Jahrzehnt erwischt. Auch modisch. Wie alle anderen habe ich damals natürlich Baggy-Pants getragen, was bei mir als eher klein gewachsenem Mann nicht gerade toll aussah. Die machten die Beine noch kürzer.

ANNA MARIA MÜHE Ich habe die Neunziger auch nie wirklich als meine Zeit empfunden. Mit Techno zum Beispiel konnte ich nie etwas anfangen. Dann doch lieber Charleston. Für den Film habe ich extra Tanzunterricht genommen. Wir haben wunderbar miteinander getanzt, nicht wahr, Kostja?

KOSTJA ULLMANN Streu nur Salz in die Wunde...

Klären Sie uns auf.

ANNA MARIA MÜHE Kostjas tänzerisches Talent besteht darin, sehr gut zu verbergen, dass er eigentlich überhaupt nicht tanzen kann. Eine großartige schauspielerische Leistung! (lacht)

KOSTJA ULLMANN Ich bin Anna sehr dankbar, dass sie es in unseren Tanzszenen so aussehen ließ, als würde ich sie führen. In Wirklichkeit hat sie mich geführt, und das war auch nötig.

Musik und Moden haben sich geändert. Gibt es auch Dinge, die Jugendliche aller Epochen gemeinsam hatten?


KOSTJA ULLMANN Die Gier nach mehr und nach Freiheit. In früheren Jahrzehnten wohl noch mehr als heute. Denn die vorangegangenen Generationen haben da für uns schon sehr viel Vorarbeit geleistet. Trotzdem wollen Jugendliche auch heute Grenzen austesten und übertreten. Ein wenig Rebellion gehört zur Jugend dazu. Fragt sich nur, wogegen Jugendliche heute eigentlich noch rebellieren sollen?

ANNA MARIA MÜHE Das ist schwieriger geworden. Das Problem vieler Jugendlicher heute ist, dass es unendlich viele Angebote und Möglichkeiten gibt. Das führt dazu, dass viele eher auf der Suche sind, nicht wissen, wo sie hinwollen, und mit sich selbst zu kämpfen haben.

Hatten Sie eine rebellische Phase?

ANNA MARIA MÜHE Ich war ehrlich gesagt kein sonderlich rebellischer Teenager. Ich habe schon mit fünfzehn angefangen, als Schauspielerin zu arbeiten. Da war für Rebellion wenig Zeit. Ich habe aber nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben, weil ich sehr früh wusste, was ich wollte.

Und wie war's mit jugendlichen Selbstzweifeln?


KOSTJA ULLMANN Die kamen bei mir später. Mit Mitte zwanzig hatte ich solche Gedanken: Wo geht's im Leben hin mit mir? Ist das jetzt mein richtiger Beruf?

Seit wann haben Sie das Gefühl, erwachsen zu sein?


ANNA MARIA MÜHE Bevor ich Mutter geworden bin, glaubte ich, spätestens wenn man ein Kind hat, wird man erwachsen. Ist aber nicht so. Ich fühle mich auch jetzt nicht erwachsen. Eigentlich hält mich meine Tocher sogar eher jung.

KOSTJA ULLMANN Ich kenne Leute, die sind fünfzig und fühlen sich nicht erwachsen. Ich habe damit also noch ein wenig Zeit.

Sie beide werden bald 30: Ist das denn kein Einschnitt?

KOSTJA ULLMANN Ach was! 18 war ein Einschnitt, weil man endlich volljährig war. Auf 21 habe ich mich gefreut, weil ich dann ins Spielkasino durfte, auch wenn ich bis heute nie dort war. Und mit 27 dachte ich: Toll, jetzt darf ich endlich alle Mietwagen fahren. Aber 30? Die Zahl bedeutet nichts. Außerdem weiß man doch: 30 ist das neue 20.

ANNA MARIA MÜHE Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Christian Holst

Junges Deutschland
MO 21.4. ARD 18.30 Uh
r