Sie ist in einer Diplomatenfamilie groß geworden. In Mexiko geboren, in Finnland, Österreich, Deutschland und den USA aufgewachsen, Vater und Stiefvater arbeiten als Botschafter, der eine für Deutschland, der andere für die USA. Sophie von Kessel (41) ist also von Kindesbeinen an vertraut mit politischen Vorgängen, für die Fingerspitzengefühl und Verhandlungsgeschick nötig sind.
Doch die Geschichte, die sich 1978 im geteilten Berlin zugetragen hat und die RTL pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls als Eventfilm ins Fernsehen bringt, war neu für die Diplomatentochter. "Damals war ich zehn und lebte mit meinen Eltern und meinen beiden Schwestern in Wien. Wir hatten keine Verwandten in der DDR oder in Berlin. Deshalb war die deutsch-deutsche Teilung auch eine ziemlich abstrakte Sache für mich."
Für die Mitglieder der deutschen und amerikanischen Botschaften dagegen sind die Vorgänge am 30. August 1978 von höchster politischer Brisanz. An diesem Tag nämlich kapert der Kellner und DDR-Bürger Detlef Alexander Tiede einen Linienflug der polnischen Fluggesellschaft LOT, der von Danzig nach Ostberlin unterwegs ist.
Eigentlich wollte Tiede mit seiner Kollegin Ingrid Ruske und deren zwölfjähriger Tochter Sabine mit gefälschten Papieren von Polen aus auf dem Landweg fliehen. Doch die Stasi hat die Pläne in letzter Sekunde vereitelt. Und so hetzt er jetzt, zwanzig Minuten vor der geplanten Landung in Berlin-Schönefeld, ins Cockpit und zwingt die Crew, nach Tempelhof weiterzufliegen, das damals zum amerikanischen Sektor gehört.
Nur eine Spielzeugpistole
Tiede schreit: "Wenn ich Schönefeld sehe, schieße ich." Dass der 33-Jährige eine Spielzeugpistole benutzt, fällt den Piloten in ihrer Panik nicht auf. Erst der in Tempelhof diensthabende US-Offizier bemerkt es, als Tiede ihm die Plastikwaffe aufs Rollfeld hinunterwirft. Mit einem amüsierten "Welcome to Westberlin" begrüßt der Amerikaner den Kidnapper.
Alle 62 Passagiere steigen aus, doch nur sechs entscheiden sich, mit Tiede und Ruske im Westen zu bleiben. Die anderen kehren per Bus in die DDR zurück.
Was folgt, ist eine zusätzliche Belastung für das angespannte Verhältnis zwischen den Betonköpfen der SED und den westlichen Alliierten. Die DDR fordert die Auslieferung Tiedes, denn die USA
haben gerade ein Abkommen gegen Luftpiraterie unterschrieben. Eine Reaktion auf die Entführung der "Landshut" durch Terroristen der RAF im Jahr zuvor.
Die Amerikaner liefern Tiede zwar nicht aus, doch sie müssen ihm den Prozess machen, soll es nicht zum internationalen Eklat kommen. Eigens für den Prozess bauen sie auf dem Flughafengelände einen Gerichtssaal - für 100 000 Mark. Die Geschichte der wohl spektakulärsten Flucht aus der DDR ist schon mehrfach erzählt worden, 1988 gar von Hollywood. In "Judgement in Berlin" steht der unbestechliche US-Richter Herbert
J. Stern (Martin Sheen) im Mittelpunkt der Handlung.
Regisseur Thomas Jauch wählt einen anderen Blickwinkel. Er schildert die authentische (und für ein Eventmovie wie geschaffene) Dreiecksgeschichte zwischen Ruske (Sophie von Kessel), deren westdeutschem Liebhaber Horst Fischer (Oliver Mommsen), den die Stasi auf dem Weg nach Polen verhaftet, und Detlef A. Tiede (Hendrik Duryn).
Um Ingrid Ruske spielen zu können, musste Sophie von Kessel einen wahren Parforceritt auf sich nehmen. Abends stand sie in Salzburg als "Buhlschaft" auf der Bühne, morgens um vier wartete der Fahrer, um sie zum Flughafen München zu bringen, von wo aus es zum Drehen nach Köln ging. Doch die Rolle war ihr alle Strapazen wert. "Diese Figur erlebt einfach alles, was ein Schauspieler sich nur wünschen kann - Liebe, Leidenschaft, Todesangst, Verrat. Eben die ganze Klaviatur der großen Gefühle."
Das hätte furchtbar kitschiges Puschenkino werden können. Aber Sohie von Kessel weiß,
worauf es in der Diplomatie und in ihrem Beruf ankommt - auf die Kunst der klug gewählten Zwischentöne.
Susanne Sturm
Doch die Geschichte, die sich 1978 im geteilten Berlin zugetragen hat und die RTL pünktlich zum 20. Jahrestag des Mauerfalls als Eventfilm ins Fernsehen bringt, war neu für die Diplomatentochter. "Damals war ich zehn und lebte mit meinen Eltern und meinen beiden Schwestern in Wien. Wir hatten keine Verwandten in der DDR oder in Berlin. Deshalb war die deutsch-deutsche Teilung auch eine ziemlich abstrakte Sache für mich."
Für die Mitglieder der deutschen und amerikanischen Botschaften dagegen sind die Vorgänge am 30. August 1978 von höchster politischer Brisanz. An diesem Tag nämlich kapert der Kellner und DDR-Bürger Detlef Alexander Tiede einen Linienflug der polnischen Fluggesellschaft LOT, der von Danzig nach Ostberlin unterwegs ist.
Eigentlich wollte Tiede mit seiner Kollegin Ingrid Ruske und deren zwölfjähriger Tochter Sabine mit gefälschten Papieren von Polen aus auf dem Landweg fliehen. Doch die Stasi hat die Pläne in letzter Sekunde vereitelt. Und so hetzt er jetzt, zwanzig Minuten vor der geplanten Landung in Berlin-Schönefeld, ins Cockpit und zwingt die Crew, nach Tempelhof weiterzufliegen, das damals zum amerikanischen Sektor gehört.
Nur eine Spielzeugpistole
Tiede schreit: "Wenn ich Schönefeld sehe, schieße ich." Dass der 33-Jährige eine Spielzeugpistole benutzt, fällt den Piloten in ihrer Panik nicht auf. Erst der in Tempelhof diensthabende US-Offizier bemerkt es, als Tiede ihm die Plastikwaffe aufs Rollfeld hinunterwirft. Mit einem amüsierten "Welcome to Westberlin" begrüßt der Amerikaner den Kidnapper.
Alle 62 Passagiere steigen aus, doch nur sechs entscheiden sich, mit Tiede und Ruske im Westen zu bleiben. Die anderen kehren per Bus in die DDR zurück.
Was folgt, ist eine zusätzliche Belastung für das angespannte Verhältnis zwischen den Betonköpfen der SED und den westlichen Alliierten. Die DDR fordert die Auslieferung Tiedes, denn die USA
haben gerade ein Abkommen gegen Luftpiraterie unterschrieben. Eine Reaktion auf die Entführung der "Landshut" durch Terroristen der RAF im Jahr zuvor.
Die Amerikaner liefern Tiede zwar nicht aus, doch sie müssen ihm den Prozess machen, soll es nicht zum internationalen Eklat kommen. Eigens für den Prozess bauen sie auf dem Flughafengelände einen Gerichtssaal - für 100 000 Mark. Die Geschichte der wohl spektakulärsten Flucht aus der DDR ist schon mehrfach erzählt worden, 1988 gar von Hollywood. In "Judgement in Berlin" steht der unbestechliche US-Richter Herbert
J. Stern (Martin Sheen) im Mittelpunkt der Handlung.
Regisseur Thomas Jauch wählt einen anderen Blickwinkel. Er schildert die authentische (und für ein Eventmovie wie geschaffene) Dreiecksgeschichte zwischen Ruske (Sophie von Kessel), deren westdeutschem Liebhaber Horst Fischer (Oliver Mommsen), den die Stasi auf dem Weg nach Polen verhaftet, und Detlef A. Tiede (Hendrik Duryn).
Um Ingrid Ruske spielen zu können, musste Sophie von Kessel einen wahren Parforceritt auf sich nehmen. Abends stand sie in Salzburg als "Buhlschaft" auf der Bühne, morgens um vier wartete der Fahrer, um sie zum Flughafen München zu bringen, von wo aus es zum Drehen nach Köln ging. Doch die Rolle war ihr alle Strapazen wert. "Diese Figur erlebt einfach alles, was ein Schauspieler sich nur wünschen kann - Liebe, Leidenschaft, Todesangst, Verrat. Eben die ganze Klaviatur der großen Gefühle."
Das hätte furchtbar kitschiges Puschenkino werden können. Aber Sohie von Kessel weiß,
worauf es in der Diplomatie und in ihrem Beruf ankommt - auf die Kunst der klug gewählten Zwischentöne.
Susanne Sturm