Als Joseph Vilsmaier zum ersten Mal mit Reinhold Messner vor dem Nanga Parbat stand, sagte er spontan: "Ihr müsst nicht ganz dicht sein, diesen Berg hochzuklettern."

Man könnte dieses Kompliment, wenn es denn eines ist, auch an den Regisseur zurückgeben. Er drehte seinen Spielfilm über die Besteigung des Nanga Parbat vor Ort. Eiskörner peitschten dem 13-köpfigen Team im Himalaja auf 6500 Meter Höhe ins Gesicht, Lawinen krachten die Hänge hinab, und nachts fielen die Temperaturen auf minus 30 Grad Celsius.

Von den Piloten, die das Team und die Ausrüstung ins Gebirge brachten, spricht Joseph Vilsmaier mit Hochachtung. Weniger Vertrauen als in deren Können hatte er in die Technik. "Der Hubschrauber der pakistanischen Armee war schon rund vierzig Jahre alt. Es gab weder Sitze noch Türen", erinnert er sich an den Dreh im Sommer 2008.

Einmal zwang ein Sandsturm den Helikopter zur Notlandung. Die Weiterreise mit dem Lastwagen entpuppte sich als Albtraum. Der Fahrer war auf einem Auge blind, das Profil der Reifen nur noch erahnbar, und neben der Straße klaffte ein 400 Meter tiefer Abgrund.

"Dreharbeiten unter solchen Extrembedingungen kann man nicht bis ins letzte Detail planen", sagt Vilsmaier. Der gelernte Kameramann verlässt sich lieber auf seinen geschulten Blick und seine Intuition als auf Storyboards, in denen jede Szene vorgezeichnet ist.

"Killer Mountain" steht auf einem Straßenschild in der Nähe des Nanga Parbat, das Vilsmaier und seine Kollegen auf dem Weg zu ihrem gefährlichen Arbeitsplatz passierten. 66 Menschen kamen bislang bei den Versuchen um, den 8125 Meter hohen Berg im pakistanischen Teil Kaschmirs zu besteigen. Bei der Nanga-Parbat-Expedition von 1970, Thema des Spielfilms, riss am 29. Juni eine Lawine Günther Messner in den Tod. Sein älterer Bruder Reinhold überlebte den Abstieg wie durch ein Wunder.

Er wurde danach zum berühmtesten Bergsteiger der Welt und bezwang als Erster sämtliche 14 Achttausender. Aber all die Jahre ließ ihn der Gedanke an das Schicksal des im ewigen Eis begrabenen Familienmitglieds nicht los. Als Messner Anfang 2004 Vilsmaier vorschlug, einen Film über die Ereignisse am Nanga Parbat 1970 zu machen, war der im Gebirge trittfeste Regisseur ("Bergkristall") sofort von der Idee fasziniert.

Beiden war klar, dass der echte Berg der Star des Films sein sollte. Freilich stellte der erfahrene Filmemacher im Himalaja auch fest, dass nicht alle Szenen am Nanga Parbat gedreht werden konnten. Die letzte Passage des Aufstiegs, als Reinhold Messner sich erst allein auf dem Weg zum Gipfel macht, bevor sein Bruder zu ihm stößt, wurde im Kühlraum eines Münchner Schlachthauses vorbereitet.

Während draußen sommerliche 30 Grad herrschten, schleuderte drinnen eine Schneemaschine den Hauptdarstellern Florian Stetter und Andreas Tobias Eiskristalle ins Gesicht. Später wurden die Szenen in die Luftaufnahmen vom Nanga Parbat digital hinein-kopiert.

"Auf 7000 Metern kannst du nicht mit Schauspielern drehen. Bevor du die Aufnahme fertig hast, sind die Darsteller schon in einer Gletscherspalte verschwunden ", sagt Vilsmaier mit bayrischem Humor.

Hat er die Story zu sehr aus Reinhold Messners Perspektive erzählt, dem Kritiker vorwarfen, nicht genug für die Rettung seines Bruders getan zu haben? Vilsmaier hält die Kritik für unberechtigt. Unter den Extrembedingungen am Nanga Parbat sei Reinhold keine Wahl geblieben.

"Ich dachte, Schauspieler seien die eitelsten Menschen, die es gibt", sagt Sebastian Bezzel, der in Vilsmaiers Film einen Bergsteiger spielt und vor allem als "Tatort"-Kommissar vom Bodensee bekannt ist. "Aber Alpinisten stehen ihnen in nichts nach." Auch nicht im Ehrgeiz. Der Gipfel des Ruhms liegt gleich neben dem Abgrund.

Rainer Unruh

Nanga Parbat
MI 4.1. ARD 21.45 Uhr