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Interview mit der Schauspielerin Ina Weisse

Wie man ohne große Worte viel erzählen kann

Die Flut ist pünktlich, Ina Weisse
Ina Weisse in "Die Flut ist pünktlich") ZDF,Stefan Erhard

Die Schauspielerin Ina Weisse über ihre Rolle im ZDF-Film "Die Flut ist pünktlich" (MO, 24.2.), nach Motiven der gleichnamigen Meistererzählung des Schriftstellers Siegfried Lenz

Ein stilles Beziehungsdrama, das sich nebenbei beim Krimi entwickelt: "Die Flut ist pünktlich" ist der Auftakt zu drei Lenz-Verfilmungen im ZDF, hochkarätig besetzt mit Jürgen Vogel, August Zirner, Leonie Benesch, Bernadette Heerwagen - und Ina Weisse in der Hauptrolle

Worin liegt für Sie der Reiz an dieser Geschichte? Siegfried Lenz?

INA WEISSE Ich schätze ihn sehr. Seine Kurzgeschichte "Der Verzicht" z. B. hatte mich vor Jahren sehr beeindruckt. Weil Lenz immer etwas offen läßt, weil er sich nicht über die Figuren stellt, sie nicht bewertet, sondern sie mit großer Zuneigung versucht verständlich zu machen.
Haben Sie Lenz kennengelernt?

INA WEISSE Während des Hamburger Filmfestes gab es ein gemeinsames Abendessen. Auch seine Frau war dabei. Beide waren sehr zugewandt und warm.

Wie sehen Sie das Genre Literaturverfilmung als Filmemacherin?

INA WEISSE Es kommt - wie immer - auf die Geschichte an....

Die literarische Vorlage umfasst noch nicht einmal zehn Seiten.

INA WEISSE Ja, es war beeindruckend, wie aus der kurzen Erzählung "Die Flut kommt pünktlich" das Drehbuch für einen langen Film entstand. In der zweiten Lenz-Verfilmung "Der Verlust", den wir im letzten Herbst abgedreht haben, war die Vorlage ein Roman. Was nicht heißt, daß die Adaption einfacher war. Das Komplizierte an der Umsetzung einer Literaturvorlage in einen Film ist ja, daß man immer auf etwas verzichten muß. Das Dramatische wird herausgearbeitet, vieles muß entfernt werden. Trotzdem kann der Film einem Roman gerecht werden, wenn er es schafft, die Atmosphäre einzufangen.

Worin lag für die Schauspielerin die Herausforderung bei der Figur?

INA WEISSE Dass man nicht zeigen durfte, was im Innern der Frau vor sich geht. Sie versteckt ihre Zerrissenheit hinter einer Fassade. Dadurch erscheint sie undurchsichtig.

Liest sich fast wie ein Absatz aus einem Schauspielerporträt über Ina Weisse.

INA WEISSE Wieso?

Die Undurchsichtige, uneindeutig, ambivalent. Klingt wie ein Rollencharakter, für den Sie geradezu prädestiniert erscheinen.

INA WEISSE Natürlich prägt das eigene Denken und Empfinden die darzustellende Figur...

Gibt es Ähnlichkeiten zur nächsten Lenz-Verfilmung, in der Sie ebenfalls eine Hauptrolle spielen?

INA WEISSE Nein, in "Der Verlust" wird die Geschichte aus der Perspektive der Frau erzählt, die ich spiele. Man ist als Zuschauer immer bei ihr, sie ist die Identifikationsfigur. Hier, in "Die Flut kommt pünktlich", ist meine Figur ja eher die der Gegenspielerin, mit einem Geheimnis, das sich erst zum Ende hin aufklärt.

Mit Jürgen Vogel, Nicolette Krebitz und August Zirner waren einige Hochkaräter im Cast. Wie lief der Dreh auf Sylt und Römö?

INA WEISSE Mit Jürgen Vogel ist es schön und leicht zu drehen, auch mit Nicolette Krebitz und August Zirner. Das Zusammenspiel ist nie künstlich, oft auch sehr witzig.

Mit Jürgen Vogel haben Sie ja schon öfter zusammen gespielt.

INA WEISSE Das dritte Mal jetzt, wir sind uns vertraut. Er ist entspannt, trotzdem sehr konzentriert.

Waren die Liebesszenen für Sie schwierig?

INA WEISSE Mit Jürgen kommt man gar nicht drauf, dass es schwierig sein könnte, trotzdem kosten diese Szenen immer etwas Überwindung.

Wie kriegt man so etwas gut hin?

INA WEISSE Wenn es zu einer Liebesszene kommt, steht in den Drehbüchern oft nur: sie lieben sich. Dann fragt man sich: aber wie denn? So eine Szene ist ja die Fortsetzung eines vorangegangenen Dialogs, eines Konfliktes, der ausgetragen wurde. Wir haben versucht, das in der Liebesszene weiter zu erzählen. Dadurch wurde in ihr ganz konkret etwas abgehandelt.

Die Menschen im hohen Norden sind ja nicht als geschwätzig bekannt, aber in diesem Film ist es nochmal besonders ruhig.

INA WEISSE Den Figuren gelingt es nicht, miteinander zu reden. Sie verstecken sich hinter ihrer Sprachlosigkeit.

Welchen Fehler kann man dabei machen?

INA WEISSE Dass es langweilig wird. Wenn die Stille nicht spannend ist.

Das heißt,...

INA WEISSE ... wenn man nicht spricht, heißt das ja nicht, daß man nicht denkt. Man könnte etwas sagen, aber man entscheidet sich, es nicht zu tun. Die Stille einer Figur beinhaltet immer die Möglichkeit zu sprechen. Dadurch entsteht in ihr eine Spannung, die sich im besten Fall auch nach außen überträgt.

Interview: Heiko Schulze

Die Flut ist pünktlich
MO 24.2. ZDF 20.15 Uhr