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"Frauen, die Geschichte machten"

Frauengeschichten

So geht Edutainment heute: Mit der Reihe "Frauen, die Geschichte machten" (SO, 8.12.: "Elisabeth I."), setzt das ZDF Maßstäbe

Nackte Brüste wippen zu House-Beats, Tänzerinnen verdrehen lasziv die nach oben gereckten Arme, Paare sinken knutschend zu Boden. Nein, dies ist keine Szene aus dem Berliner KitKatClub, sondern eine Party im Jahre 31 vor Christus. Die Gastgeberin heißt Kleopatra.

Die ägyptische Pharaonin steht im Zentrum der ersten Folge der neuen ZDF-Dokureihe "Frauen, die Geschichte machten". Wobei der Begriff Dokureihe es eigentlich nicht trifft. Denn obwohl die sechs Folgen unter dem Label "Terra X" laufen, haben sie mit klassischen Dokumentationen nichts mehr gemeinsam. Die Filme erzählen die Lebensgeschichte der sechs Heldinnen und Herrscherinnen vollständig fiktional in Form von Kurzspielfilmen.
Doku wird Fiction

Das ZDF bringt damit eine Entwicklung zum Abschluss, die vor fast zwei Jahrzehnten startete: Mitte der Neunziger begann die Redaktion Zeitgeschichte unter Leitung von Guido Knopp damit, historische Dokus mit kurzen Spielszenen samt reichlich dramatischer Musik und Wallenebel aufzujazzen.

Frauen, die Geschichte machten
SO, 8.12.ZDF, 19:30 Uhr


Kritiker rümpften die Nase, aber das Publikum fand Gefallen daran. "Die Zeit, in der man bei einem 3-Minuten-Schwenk über die Alpen im Off-Kommentar sagen konnte: ‚Hier kamen einst die Römer über den Berg‘, ohne dies zu zeigen, war vorbei", sagt Uwe Kersken, Co-Produzent der Frauenreihe.

Neu ist aber nicht nur, dass das ZDF erstmals komplett auf Doku-Elemente wie Off-Kommentare und Experteninterviews verzichtet: "Wir haben die Hauptrollen mit bekannten Jungschauspielerinnen besetzt. Das verleiht der Geschichtsvermittlung im ZDF eine neue Note", sagt ZDF-Kulturchef Peter Arens.

Es sind vor allem die tollen Darstellerinnen wie Pegah Ferydoni (Kleopatra) oder Marleen Lohse (Elisabeth I.), die der Reihe ein frisches Gesicht verleihen und die porträtierten Frauenfiguren frappierend gegenwärtig erscheinen lassen. "Sie war ein It-Girl ihrer Zeit", sagt Marleen Lohse über Elisabeth.

Historisch verbrieft sind die Fakten, die Settings, die Kostüme. Die Heldinnen aber, ob sie 1412 oder 1921 geboren wurden, treten als modern agierende junge Frauen auf. Ihr Kampf um Selbstbehauptung entfaltet sich als zeitloses weibliches Lebensmotiv.
Vergangenheit ganz modern

Dazu passt die entschieden moderne Machart der Reihe. "In der Filmsprache haben wir uns u. a. von hochwertigen US-Serien inspirieren lassen", sagt Peter Arens. Wolken rasen "Breaking-Bad"-mäßig im Zeitraffer über den Himmel. Club-Beats wummern zu antiken Sexszenen. In einer der eindrucksvollsten Einstellungen blickt der Zuschauer Jeanne d'Arc alias Nadja Boby-leva direkt ins Gesicht, während sie in Zeitlupe rückwärts eine meterhohe Burgmauer hinabstürzt.

Man könnte diesen unbedingten Willen zum Stylishen belächeln, wären die Filme nicht so gut inszeniert. Was das ZDF hier an filmischem Erzählhandwerk abliefert, ist in einem Maße State of the Art, wie man es im deutschen Fernsehen nicht alle Tage geboten bekommt, auch nicht in Serien und TV-Filmen.

Antike aus dem Rechner

Und das bei knappem Dokubudget! Mit rund 500 000 Euro pro Folge übertrafen die Produktionskosten von "Frauen, die Geschichte machten" die einer regulären "Terra X"-Ausgabe zwar um fast 70 Prozent, der Preis pro Minute liegt aber immer noch ein gutes Drittel unter dem eines durchschnittlichen Fernsehfilms.

Gedreht wurde in Tschechien und Marokko (Kleopatra). Günstig aufs Budget wirkte sich außerdem aus, dass Computereffekte heute nicht mehr die Welt kosten. Anders wären das antike Rom oder die Seeschlacht bei Actium kaum in Szene zu setzen gewesen.

Ein Teil der Produktionskosten sollen durch ein Begleitbuch und DVDs wieder reinkommen. Außerdem wurden in Zusammenarbeit mit dem Geschichtslehrerverband Lehrmaterialien rund um die Produktion hergestellt.

Und wenn's ein Erfolg wird, kommt dann die Fortsetzung? Wohl eher nicht. In unserer männerdominierten Vergangenheit waren Frauen, die Geschichte machten, Ausnahmeerscheinungen. Für eine zweite Staffel fehlt schlicht das historische Personal.

Christian Holst

Frauen, die Geschichte machten
SO, 1.12.ZDF, 19:30 Uhr