"Ich glaube, ich hätte besser Stuntfrau werden sollen." Wer Gemma Christina Arterton mit dem Schwert kämpfend in "Prince of Persia: Der Sand der Zeit" oder "Kampf der Titanen" gesehen hat, nimmt ihr den Berufswunsch sofort ab. Dabei sieht die Britin, Jahrgang 1986, überhaupt nicht wie eine Amazone aus. Mit ihrem Porzellanteint, den rehbraunen Augen und der mädchenhaft zarten Figur weckt sie eher Beschützerinstinkte.

Ein seltsamer Kontrast zwischen Schein und Sein zeigt sich in dieser Frau, die schon immer anders war als die anderen. Das fing bei ihrer Geburt an, kam die Britin doch mit sechs Fingern an jeder Hand zur Welt, was dann korrigiert wurde.

Hostess im Karaoke-Club

Gemma Arterton fiel der Erfolg nicht in den Schoß. Sie wuchs in einer Sozialbausiedlung in der englischen Hafenstadt Gravesend auf. In der Haushaltskasse herrschte oft Ebbe: "Ich bekam 50 Pence Taschengeld pro Woche und sparte sie. Bis ich nach fünf Monaten etwa 8 Pfund zusammen hatte - und ein Weihnachtsgeschenk kaufen konnte."

Das Mädchen wusste sich zu helfen, setzte der grauen Tristesse die comicbunte Fantasiewelt von Micky Maus entgegen, die sie zur Verblüffung ihrer Freundinnen meisterhaft imitierte. Später jobbte sie als Hostess in einem Londoner Karaoke-Club und schmiss besoffene Kerle raus: "Das war mein Lieblingsjob. Er hat mein Leben verändert, denn ich musste selbstbewusstes Auftreten lernen."

Jenes Selbstbewusstsein half der toughen 26-Jährigen dann auch, um die knochenharte Aufnahmeprüfung der renommierten "Royal Academy of Dramatic Art" zu überstehen. Gemma wurde angenommen - als einziges Mädchen aus der Unterschicht unter lauter Eliteuni-Absolventen.

Noch während der Ausbildung an der Academy bekam sie 2007 ihre erste Fernsehrolle in der BBC-Produktion "Capturing Mary". Mit der Komödie "Die Girls von St. Trinian" hatte sie ihr Kinodebüt. Schon ein Jahr später setzte sich die damals 22-Jährige gegen 1500 Bewerberinnen durch und wurde das neue Bond-Girl in Marc Forsters 007-Film "Ein Quantum Trost".

Es folgten 2010 die Hauptrollen im Fantasyfilm "Kampf der Titanen" sowie im Kostümepos "Prince of Persia: Der Sand der Zeit", wo sie neben Jake Gyllenhaal spielte. Gemma ist indes nicht auf Blockbuster festgelegt: "Ich wäre von mir selbst enttäuscht, wenn ich nur noch Hollywood-Filme machen würde. Ich hätte das Gefühl, mir nicht gerecht zu werden."

So drehte der Jungstar unter der Regie von Stephen Frears auch die charmante Provinzkomödie "Immer Drama um Tamara", in der sie die Männer verrückt macht. Im wahren Leben verdreht sie übrigens nur einem Kerl den Kopf: ihrem Mann, dem Manager Stefano Catelli.

Im Februar kommt Gemmas neuer Film "Hänsel und Gretel: Hexenjäger" ins Kino, der komplett in Deutschland gedreht wurde. In der düsteren Version des Märchens spielt Gemma Gretel, die als erwachsene Kopfgeldjägerin ihr Unwesen treibt. "Der Film ist brutal, und ich musste sehr viele Stunts machen - was ich wunderbar fand". Etwas anderes hätten wir von ihr auch nicht erwartet.

Bonnie Stenken