Wie heißt'n du, ey Ficker?" Nein, das ist jetzt keine Asi-Göre auf Rabatz, das ist ihr nur so rausgerutscht. In der Komödie Ein Tick anders spielt Jasna Fritzi Bauer einen feinsinnigen Teenager, der wie Florian David Fitz in vincent will meer unter dem Tourettesyndrom leidet.

Da kommen naturgemäß derbe Sprüche, ist aber nicht schlimm. Zumindest nicht für die, die sich damit auskennen. Jede Menge Tourette-Betroffene waren zur Kinopremiere nach Hamburg gekommen und hatten ihren Spaß. "Das war so lustig, weil sie halt nicht stillhalten können - und laut", erinnert sich die Schauspielerin, die seitdem Schirmherrin der Deutschen Tourette-Ge­sell­­schaft ist.

Die Rolle eines Mädchens, das sich vom "Schluckauf im Gehirn" nicht unterkriegen lässt, beschert ihr noch während ihres Schauspielstudiums einen Darstellerpreis und markiert den Beginn einer beachtlichen Karriere. Gerade war die 24-Jährige wieder im Kino zu sehen, in der Romanverfilmung Scherbenpark, wo sie als zornige Sascha aus einem Aussiedlerviertel ebenfalls nicht mit F-Wörtern geizt und Sätze wie "Ich habe nie Angst, merk dir das!" so beeindruckend biestig raushaut, dass sie beim Max-Ophüls-Festival als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Mal wieder und völlig zu Recht, wenn man sieht, wie mühelos es Jasna Fritzi Bauer gelingt, willensstarke, mitunter nervig-pampige und doch verletzliche und verletzte Charaktere so mit Leben zu füllen, dass es einen unweigerlich berührt.
Wo holt sie das her, diese Pah-Attitüde, dieses Soziale und Asoziale? "Das weiß ich nicht, dafür sind wir ja Schauspieler." Sie überlegt sich keine große Biografie für jede Rolle. Sie tut, was sie tut, eher intuitiv - und das stimmt dann meistens. "Man erscheint oft glaubwürdiger, wenn man sich nicht so sehr mit Zusatzinformationen belastet, von denen man denkt, die müsste man dazuspielen." Dass sich der mehrfache Oscar-Preisträger und bekennende "Method Actor" Daniel Day-Lewis drei Monate lang von seiner Frau als Abraham ansprechen lässt, weil er "Lincoln" spielt, ist für sie eine amüsante Vorstellung - total abwegig.

Die Besten ihres Fachs

Zierlich ist sie, aber nicht zimperlich und privat gern unter einer Wollmütze, was ihr etwas Jungenhaftes verleiht. In Wiesbaden aufgewachsen, in Berlin ausgebildet, Schweizerin mit chilenischem Großvater und bos­nischem Vornamen und seit 2012 auch auf der Theaterbühne in der ersten Liga angekommen: Burgschauspielerin in Wien. Mehr geht nicht, oder?

Das Tamtam, das darum gemacht wird, findet sie merkwürdig und antiquiert; anderseits bleibt ihr nicht verborgen, dass in Wien die Kunst und das Theater etwas mehr Anerkennung finden als anderswo. Gleich im ersten Jahr wird die Neue für den Theaterpreis Nestroy nominiert und - geht leer aus. Na ja, man soll es auch nicht übertreiben. Ihre Bleibe in Berlin hat sie jedenfalls aufgelöst und ist mit Jack-Russell-Mischling Bente nach Österreich übergesiedelt, wo sie zurzeit in drei Stücken an der Burg auf der Bühne steht. Demnächst ist Premiere für Das Geisterhaus mit August Diehl.

Auch im Film hat es die Bauer mit den besten ihres Fachs zu tun, mit Christina Große im Mutter-Tochter-Drama Für Elise, Inka Friedrich und Oliver Stokowski in Kai Wessels Echtzeitserie Zeit der Helden, mit Stefan Kurt, Ulrich Noethen, Vladimir Burlakov -und mit Nina Hoss. Als ihr die Agentin auftrug, sich mit der Schauspielerin und Regisseur Christian Petzold zu treffen, "war ich mega-aufgeregt. Ich habe Nina oft im Theater gesehen, und dann sitzt man plötzlich zusammen und quatscht darüber, wie eklig es ist, wenn die Kommilitonen nach dem Bewegungsunterricht nicht duschen."

Hintergrund der Insideranekdote: Beide hatten an der Berliner Schauspielschule Ernst Busch gelernt. Ein weiteres Ergebnis des Treffens war weitaus wichtiger: Petzolds hoch gelobter Berlinale-Beitrag Barbara, mit Nina Hoss in der Titelrolle einer Ärztin in der DDR und Jasna als rebellischer Ausreißerin, die einem Erziehungsheim entflieht.

Reif für den Rollenwechsel

In dem mit Charly Hübner und Milan Peschel hochka­rätig besetzten TV-Zweiteiler Bornholmer Straße, den das Erste zum 25-jährigen Mauerfalljubiläum im nächsten Herbst zeigen will, ist Bauer demnächst in ihrer zweiten Rolle im deutsch-deutschen Kontext zu sehen. Ebenfalls bereits abgedreht: Charleen macht Schluss, eine Kinokomödie, wo sie sich als Fünfzehnjährige nach missglücktem Selbstmordversuch mit ihrer durchgeknallten Familie - Heike Makatsch als Mutter - und einem kauzigen Psychologen rumschlagen muss.

Klar, sie kann das, aber: "Ich wünsche mir, mal etwas Altersgerechtes zu spielen", sagt Jasna. "Ich krieg langsam das Gefühl, ich kann mir die Gedanken einer 15- oder 16-Jährigen gar nicht mehr holen." Also, bitte!

Heiko Schulze

"Ein Tick anders", FR 24.1. Arte 20.15 Uhr