Am Anfang war der Ort. Eine fiktive Kleinstadt namens Dreileben sollte es sein, mit viel Wald, etwas Gebirge und einer Autobahnbrücke. Danach überlegten sich die drei Regisseure Christian Petzold, Dominik Graf und Christoph Hochhäusler für ihr Gemeinschaftsprojekt eine richtige Sommerlochgeschichte: Ein Sträfling bricht aus und wird von der Polizei gejagt.
Schon die Drehbücher zeigten, dass jeder etwas anderes an dem Thema interessant fand. Die fertigen Filme machen erst recht die unterschiedlichen Perspektiven und Handschriften der drei Regisseure deutlich. Aber es gibt auch Überschneidungen in den Werken, die alle im Sommer und Herbst 2010 in Suhl (Thüringen) und Umgebung entstanden.
Zentrale Charaktere wie der von Stefan Kurt gespielte entflohene Häftling tauchen in allen Filmen auf. Und das Ende des dritten Teils führt eine Idee aus dem Anfang des ersten fort, weshalb man als Zuschauer unbedingt bis zum überraschenden Schluss durchhalten sollte.
Auslöser des ehrgeizigen Projekts war ein E-Mail-Verkehr zwischen den drei Regisseuren über den Zustand des deutschen Films, über Stoffe und Erzählformen im Fernsehen. Aus ihm erwuchs die Einsicht, dass keine Theorie die Praxis ersetzen kann. Ein Film musste her, nicht zuletzt, um zu zeigen, dass die Grenzen zwischen den Genres viel durchlässiger sind, als man es aus 08/15-TV-Filmen kennt.
Fernsehen braucht Überraschungen
"Man muss einfach konstatieren, dass früher die Überraschung, das Unerwartete und das Geheimnis Teile der Unterhaltungsindustrie waren", sagt Graf, der den zweiten Teil von "Dreileben" gedreht hat. "Inzwischen macht die Unterhaltungsindustrie genau das Gegenteil davon: Es darf kein Geheimnis zurückbleiben, alles muss aufgeklärt werden, und weil Überraschungen angeblich Zuschauer zum Umschalten verleiten, haben sie gefälligst zu unterbleiben."
Petzold, acht Jahre jünger, schlägt in die gleiche Kerbe. Er erinnert sich noch daran, wie ihm Klaus Lemkes Kultfilm "Rocker" (1971), den er im Fernsehen sah, die Augen geöffnet hat für eine Welt, die er vorher nicht kannte. "Nur wenn es dem Fernsehen gelingt, ein öffentliches Forum ohne Zulassungsbeschränkung zu sein, in dem auch Platz für Abseitiges und Entlegenes ist, hat es noch gesellschaftliche Relevanz", sagt er.
Wenn dagegen alle Sender nach der Quote schielten und deshalb die gleichen leicht verdaulichen Sachen brächten, würden immer mehr Leute ins Internet flüchten und sich dort ihre eigene Unterhaltungswelt zusammenbasteln.
Die Geheimnisse des Waldes
Bereits mit der Entscheidung, ihr Werk in Thüringen zu drehen, haben sich die drei Regisseure vom Mainstream abgesetzt, denn diese Region spielt im deutschen Fernsehfilm bislang kaum eine Rolle.
Das ist bei "Dreileben" definitiv anders. Petzold und Hochhäusler inszenieren den Wald als eine geheimnisvolle Welt jenseits der Zivilisation, verlockend und gefährlich zugleich. "Thüringen schien uns gut zu der Idee eines Ortes zu passen, in dem sich Deutschland nicht nur real, sondern auch metaphorisch verkörpert", sagt Hochhäusler, dessen Film die Trilogie beschließt. "Das ist eine mythische Landschaft."
"Dreileben" ist auch bemerkenswert, weil es die Regisseure von einer neuen Seite zeigt. Petzold beispielsweise, für schwermütige Dramen wie "Yella" nekannt, stellt eine Romanze zwischen Teenagern ins Zentrums seines Films, und Thrillerexperte Graf interessiert sich kaum für den entflohenen Sträfling, sondern mehr für die Gefühle dreier Wessis, die es in den Osten verschlagen hat.
Die ARD zeigt die drei Filme ab 20.15 Uhr hintereinander. Das Beste zur besten Sendezeit und weit darüber hinaus - eine Ausnahme, die gern zur Regel werden darf.
Rainer Unruh
Schon die Drehbücher zeigten, dass jeder etwas anderes an dem Thema interessant fand. Die fertigen Filme machen erst recht die unterschiedlichen Perspektiven und Handschriften der drei Regisseure deutlich. Aber es gibt auch Überschneidungen in den Werken, die alle im Sommer und Herbst 2010 in Suhl (Thüringen) und Umgebung entstanden.
Zentrale Charaktere wie der von Stefan Kurt gespielte entflohene Häftling tauchen in allen Filmen auf. Und das Ende des dritten Teils führt eine Idee aus dem Anfang des ersten fort, weshalb man als Zuschauer unbedingt bis zum überraschenden Schluss durchhalten sollte.
Auslöser des ehrgeizigen Projekts war ein E-Mail-Verkehr zwischen den drei Regisseuren über den Zustand des deutschen Films, über Stoffe und Erzählformen im Fernsehen. Aus ihm erwuchs die Einsicht, dass keine Theorie die Praxis ersetzen kann. Ein Film musste her, nicht zuletzt, um zu zeigen, dass die Grenzen zwischen den Genres viel durchlässiger sind, als man es aus 08/15-TV-Filmen kennt.
Fernsehen braucht Überraschungen
"Man muss einfach konstatieren, dass früher die Überraschung, das Unerwartete und das Geheimnis Teile der Unterhaltungsindustrie waren", sagt Graf, der den zweiten Teil von "Dreileben" gedreht hat. "Inzwischen macht die Unterhaltungsindustrie genau das Gegenteil davon: Es darf kein Geheimnis zurückbleiben, alles muss aufgeklärt werden, und weil Überraschungen angeblich Zuschauer zum Umschalten verleiten, haben sie gefälligst zu unterbleiben."
Petzold, acht Jahre jünger, schlägt in die gleiche Kerbe. Er erinnert sich noch daran, wie ihm Klaus Lemkes Kultfilm "Rocker" (1971), den er im Fernsehen sah, die Augen geöffnet hat für eine Welt, die er vorher nicht kannte. "Nur wenn es dem Fernsehen gelingt, ein öffentliches Forum ohne Zulassungsbeschränkung zu sein, in dem auch Platz für Abseitiges und Entlegenes ist, hat es noch gesellschaftliche Relevanz", sagt er.
Wenn dagegen alle Sender nach der Quote schielten und deshalb die gleichen leicht verdaulichen Sachen brächten, würden immer mehr Leute ins Internet flüchten und sich dort ihre eigene Unterhaltungswelt zusammenbasteln.
Die Geheimnisse des Waldes
Bereits mit der Entscheidung, ihr Werk in Thüringen zu drehen, haben sich die drei Regisseure vom Mainstream abgesetzt, denn diese Region spielt im deutschen Fernsehfilm bislang kaum eine Rolle.
Das ist bei "Dreileben" definitiv anders. Petzold und Hochhäusler inszenieren den Wald als eine geheimnisvolle Welt jenseits der Zivilisation, verlockend und gefährlich zugleich. "Thüringen schien uns gut zu der Idee eines Ortes zu passen, in dem sich Deutschland nicht nur real, sondern auch metaphorisch verkörpert", sagt Hochhäusler, dessen Film die Trilogie beschließt. "Das ist eine mythische Landschaft."
"Dreileben" ist auch bemerkenswert, weil es die Regisseure von einer neuen Seite zeigt. Petzold beispielsweise, für schwermütige Dramen wie "Yella" nekannt, stellt eine Romanze zwischen Teenagern ins Zentrums seines Films, und Thrillerexperte Graf interessiert sich kaum für den entflohenen Sträfling, sondern mehr für die Gefühle dreier Wessis, die es in den Osten verschlagen hat.
Die ARD zeigt die drei Filme ab 20.15 Uhr hintereinander. Das Beste zur besten Sendezeit und weit darüber hinaus - eine Ausnahme, die gern zur Regel werden darf.
Rainer Unruh