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Der Urbino-Krimi

Lasst sie mal ran: Katharina Wackernagel

Schauspielerin Katharina Wackernagel hat Lust auf Neues - im Italienkrimi und demnächst auch als Regisseurin. 


Wie jetzt? Gilt etwa das TV-Gesetz nicht mehr, nach dem man immer nur auf einem Sender ermitteln darf? Katharina Wackernagel hat nichts dagegen, dass man bei ihr offensichtlich eine Ausnahme gemacht hat. Neben den ZDF-Stralsund-Krimis kämpft sie jetzt jedenfalls auch im Ersten gegen das Verbrechen.

In zunächst zwei Urbino-Krimis gibt die Schauspielerin ab dem 17. März eine Rechtsmedizinerin, die in einer italienischen Kleinstadt dem Dorf-Poliziotto zur Seite steht. "Ich hatte Lust, mal eine Figur zu spielen, bei der man ein bisschen auf die Pauke hauen kann", sagt sie. Und dass diese Type schließlich gar keine richtige Kommissarin ist.
Tatsächlich sind die Urbino-Krimis - nach Athen und Tel Aviv der dritte Drehort der neuen ARD-Euro-Krimi-Reihe - mehr Commedia dell'arte als Profiler-Thrill und Wackernagels Malpomena del Vecchio meilenweit von ihrer Ermittlerin aus Stralsund entfernt. "Wenn Frau Petersen anfinge, so zu reden, würde man wohl fragen: Was ist denn da oben an der Küste los?", amüsiert sie sich angesichts ihrer temperamentvollen Italopathologin, die sich im Damensitz auf die Vespa schwingt und eine DNA-Analyse mit seltsamen Gerätschaften zusammenbastelt. "Eine professionelle Frau Boerne ist sie jedenfalls nicht", räumt sie ein. "Der gewiefte ,Tatort‘-Zuschauer wird sich da durchaus fragen: Wie hat sie jetzt gerade dieses Gift so genau erkannt?" Die Exzentrik der Figur, die mediterrane Kulisse - für Wackernagel gab es jedenfalls Grund genug, "ein bisschen auszuflippen".

Die gebürtige Breisgauerin, die das Leben und der Beruf über Kassel nach Berlin verschlagen haben, ist dabei alles andere als "ein bisschen". Sondern eine Vollblutschauspielerin, die nie eine Schauspielschule besucht hat und seit ihrer Titelrolle in der 90er-Vorabendserie "Tanja" zum festen Bestandteil der deutschen Fernseh- und auch Kinowelt gehört: Sie war die Filmtochter von Dieter Pfaff ("Bloch") und "Die Boxerin", spielte in Sönke Wortmanns "Das Wunder von Bern" und großen historischen TVEpen wie "Die Luftbrücke" oder "Das Adlon". Die einfühlsame Darstellung der Mutter eines Contergan-geschädigten Kinds im Zweiteiler "Contergan" (läuft als Wiederholung am 25. März auf Arte) bescherten der heute 37-Jährigen 2007 viel Aufmerksamkeit, den Bayerischen Fernsehpreis und einen Bambi.

Und wann ist ihr aufgefallen, dass ihre Zukunft doch nicht im zeitgeschichtlichen Drama liegt, sondern bei der Polizei? "Letztes Jahr war ich schon verblüfft, dass ich am Ende zwei Stralsund-, zwei Urbino-Krimis und einen Berlin-Thriller gedreht habe. Da beschränkte sich mein berufliches Leben beinahe vollständig auf Ermittlungsarbeiten." Das soll allerdings nicht so bleiben: Ginge es nach Katharina Wackernagel, dürfte es beruflich demnächst noch tiefer in die dunkleren Ecken der Welt und des Daseins gehen. "Ich finde, wir könnten ruhig mal die Unterwelt ausloten, ohne dass gleich ein Kommissar um die Ecke kommt, um für Ordnung zu sorgen."

In ihrer Agentur hat sie kürzlich erfahren, dass es dafür auch einen Begriff gibt: Themenfilm. Einige ihrer eindringlichsten Auftritte, wie zum Beispiel als Kindsmutter mit postpartaler Depression im Fernsehdrama "Herbstkind" von 2012, hatte sie demnach in Themenfilmen. "Das hört sich schon komisch an, wie eine Lehrveranstaltung: zum Themenfilm-Seminar bitte dort entlang!" Dabei findet sie auch so den Weg.
Der Traum vom Ausreißerfilm
Im Gegensatz zu seinen oft traurigen, ja tragischen Figuren in preisgekrönten Dramen hat der Spross einer Schauspielerfamilie im echten Leben eine wunderbar herzliche, ansteckend fröhliche und offene Art. Katharina Wackernagel scheut sich nicht, auch Zweifel zuzugeben: Ihre Rolle als Nina Petersen in der Krimireihe "Stralsund" bezeichnete sie einmal als 80 Prozent Segen und 20 Prozent Fluch. Die Bedenken, mit der Kriminalistin in die berühmte Schublade geschoben zu werden, haben sich bis heute nicht zerstreut, trotzdem macht sie in diesem Jahr wieder zwei Filme. "Die Stralsund-Episode, in der Nina Petersen in die Psychiatrie kommt, ermöglichte mir ein Spiel, in dem man noch weiter in einen Charakter vordringt, ähnlich wie im besagten Themenfilm", erklärt sie. Jetzt kann es wie gewohnt weitergehen: analytisch, klar, auf den Punkt.

Wenn Katharina Wackernagel mal keine Täter-Opfer-Profile erstellen mag und andere Angebote auf sich warten lassen, ergreift sie mittlerweile selbst die Initiative: "Ausreißerstücke" nennt sie Independentfilme wie die Tragikomödie "bestefreunde", die sie gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder, dem Regisseur und Autor Jonas Grosch, realisiert und bei denen die Schauspielerin auch als Produzentin auftritt.
Und kochen kann sie auch
Um Cast und Crew bei Laune zu halten, hat sie beim Dreh des Screwballmusicals "Die letzte Lüge" zusätzlich noch das Catering übernommen. Das kam so gut an, dass daraus sogar ein Kochbuch entstand. "Katharina Wackernagel - Der richtige Dreh beim Kochen" ist "aber eher ein kulinarisches Tagebuch durch die Filmarbeiten", wiegelt sie ab. Wichtiger ist, dass sie demnächst ihr Regiedebüt geben dürfte. "Das ist die Idee für die Zukunft und Teil des Konzepts, Filme zu machen, die sonst nicht gefördert und produziert werden. Es gibt zwei Stoffe meines Bruders, die mich interessieren und an denen ich mich gerne ausprobieren würde."

Katharina Wackernagel ist bereit für Neues. Auch als Schauspielerin will sie sich für Figuren jenseits der Forensik ins Gespräch bringen. "Rollen, bei denen viele vielleicht nicht daran denken würden, dass die Wackernagel das spielen könnte", sagt sie. "Aber vielleicht macht sie es ja super. Lass sie mal ran!" Gerade steht sie für den ZDFZweiteiler "Landgericht" von Matthias Glasner vor der Kamera. Nur eine kleine Rolle, aber mal wieder eine Zeitreise. Der Film spielt vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs.

Der Urbino Krimi:
Die Tote im Palazzo
DO 17.3. Das Erste 20.15 Uhr